"Bielefelds Corona-Zahlen sind wirklich super"

Herr Nürnberger, keine neue Corona-Infektionen seit sieben Tagen, nur drei Corona-Patienten in den Kliniken – hat Bielefeld die Krise überstanden? Nürnberger: Die Zahlen sind wirklich super. Wir sind insgesamt gut durch die Krise gekommen – wir hatten unterdurchschnittlich viele infizierte Menschen und sehr wenig Leute mit Covid im Krankenhaus. Wir sind jetzt nicht mehr in einer akuten Krise im Gesundheitswesen. Aber wir müssen auch verstehen: Corona ist noch nicht vorbei. Es gibt noch keinen Impfstoff und noch keine verlässlichen Behandlungsmethoden. Das Wiederanlaufen unseres gesellschaftlichen Lebens erhöht die Ansteckungsrisiken. Und viele Experten gehen davon aus, dass im Herbst mit dem schlechteren Wetter auch eine zweite Ansteckungswelle kommen kann. Das heißt: Wir müssen weiter vorsichtig sein, Masken aufsetzen und Abstand halten. Wie bereit sehen Sie Bielefeld für die Rückkehr zur Normalität? Nürnberger: Meine Sicht der Dinge ist, dass wir schon wieder viel Normalität haben – aber eben eine neue, mit Maske und Abstand. Ich halte es für durchaus möglich, dass es im Sommer auf Bundesebene oder in NRW weitere Entscheidungen gibt: über Großveranstaltungen im Freien oder über die &bdquo;Vergnügungsstätten", die noch geschlossen sind. Wenn die Bielefelder sich weiterhin so diszipliniert verhalten wie bislang, halte ich weitere Lockerungen schrittweise auch für vertretbar. Das Land muss aber den rechtlichen Rahmen dafür schaffen, das Ganze ist ja in Landesverordnungen geregelt. Wie bewältigt das Ordnungsamt die lockerungsbedingte Mehrarbeit? Nürnberger: Indem wir das Ordnungsamt weiterhin mit viel zusätzlichem Personal ausstatten. Der Oberbürgermeister und der Verwaltungsvorstand sind sich einig, dass wir weiterhin um die 90 Leute vom Ordnungsamt auf der Straße haben wollen. Wir stellen schon fest, dass die Menschen an manchen Stellen nachlässiger werden. Es kommen auch viele Beschwerden bei uns an, so im Sinne &bdquo;Was macht diese größere Gruppe da grad im Park?", das können und wollen wir auch nicht einfach ignorieren. Und außerdem haben auch die Gewerbetreibenden viele Fragen zur Umsetzung der Coronaschutzverordnung, die wir möglichst schnell beantworten wollen. Unser gemeinsames Ziel im Verwaltungsvorstand ist, die notwendigen zusätzlichen Mitarbeiter – rund 60 Personen – aus dem vorhandenen Personal der Stadtverwaltung zu gewinnen. Haben Kinos und Theater bereits Hygiene-Konzepte eingereicht? Nürnberger: Die Städtischen Bühnen haben schon für ihre kleinen Formate Hygienekonzepte erarbeitet. Ob größere Veranstaltungen mit wesentlich mehr als 100 Personen möglich sind, ist noch offen. Das liegt an den in der Landesverordnung verlangten Mindestabständen. Man muss einfach wissen, dass wissenschaftlich die so genannten Aerosole als besonders ansteckend eingeschätzt werden, und da käme natürlich in einem Theater mit vielen Zuschauern ganz schön viel zusammen. Das gilt ähnlich für Kinos. Ab wann könnten die Corona-Kapazitäten in den Kliniken zurückgebaut werden? Nürnberger: Das läuft schon längst. Die Kliniken sind noch nicht im Normalbetrieb, aber sie können schon wieder viele Patienten versorgen, und aufschiebbare Operationen werden nachgeholt. Das ist gut für die Patienten und für ihre Lebensqualität – weil &bdquo;aufschiebbar" heißt ja nicht &bdquo;nicht notwendig". Die Häuser sind gut aufgestellt und können zur Not wieder sehr schnell die erforderlichen Kapazitäten für die Behandlung von mehr Covid-Patienten schaffen. Gibt es schon einen Termin für die Öffnung der Tagespflege-Einrichtungen? Nürnberger: Ja, wir haben in dieser Woche die Mitteilung vom Land bekommen, dass ab 8. Juni die Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen wieder öffnen können – auch hier mit erheblichen Schutz- und Hygienevorschriften. Ich bin sehr froh, dass es diese Entscheidung jetzt gibt. Es war für die Angehörigen eine ungeheure Belastung, völlig allein die Pflege und Betreuung leisten zu müssen. Und für die pflegebedürftigen Menschen bedeutet die Tagespflege ja durchaus auch Abwechslung und Teilhabe. Wir müssen uns aber auch eingestehen: Auch diesen Öffnungsschritt gibt es nicht ohne zusätzliches Ansteckungsrisiko. Wie organisieren sie die vermehrten Tests bei Kita-Kindern und Heim-Personal? Nürnberger: Daran arbeiten wir gerade. Die gerade vorgelegte Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums regelt die Finanzierung von Tests von so genannten asymptomatischen Personen – also beispielsweise von Kindern, die in der Kita engen Kontakt mit Infizierten hatten, selbst aber keine Krankheitsanzeichen haben. Hier können wir dann zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung vorsorglich die betroffenen Kitakinder testen, wenn wir das für geboten halten. In Altenheimen ist das &bdquo;präventive Testen" noch weniger restriktiv geregelt. Das hilft uns sehr. Zum Teil werden diese Tests Mitarbeiter des Gesundheitsamts durchführen, zu einem anderen Teil aber sicher auch niedergelassene Ärzte. Sie agieren jetzt seit über zwei Monaten in der Funktion als Chef des Krisenstabes und Sozialdezernent – wie kommen Sie mit der Doppelbelastung klar und wie halten Sie sich selbst fit in der Krise? Nürnberger: Tatsächlich krieg ich das gut hin – auch wenn es zum Teil schon anstrengend ist. Es entlastet meinen Kalender, dass immer noch kaum Abendveranstaltungen stattfinden, das bringt Luft zum Nachdenken oder für richtig schöne Dinge. Ich fahre häufig mit dem Fahrrad in die Arbeit und mache auch ansonsten viel Sport. Und um meine Hühner darf ich mich ja auch noch kümmern, die sorgen ebenfalls für Entspannung.

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