Bemerkenswert: Viele Corona-Tests bleiben in Bielefeld einfach ungenutzt

Bielefeld. Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, spürt meist keine oder nur leichte Symptome. Patienten wurden aber bislang oft nur mit schweren Symptomen getestet. Was sagt das über die Dunkelziffer in Bielefeld aus – und über die Zuverlässigkeit der amtlichen Zahlen? Der Bielefelder Fotograf Veit Mette klagt seit nunmehr fünf Wochen über leichten Husten und Erschöpfung. Für einen Corona-Test reichten diese Symptome nach Aussage seines Hausarztes nicht aus, getestet wurde Mette nicht, obwohl er zweimal danach fragte. Das verunsichere ihn. &bdquo;Meine Schwester zählt zur Hochrisikogruppe. Bevor ich sie besuche, würde ich gern Klarheit haben, ob ich einfach bloß eine Erkältung oder doch Covid-19 habe", so Mette. Sein Arzt habe beim zweiten Termin zwar ein Blutbild erstellt, einen Corona-Test aber weiter abgelehnt, da Mette keinen wissentlichen Kontakt zu einem Infizierten hatte. &bdquo;Ich dachte immer, es würde so viel getestet. Mich wundert, warum das bei mir nicht möglich ist", sagt Mette. 80 Prozent der Fälle verlaufen mild Tatsächlich werden viele Patienten nach wie vor erst getestet, wenn sie in den vergangenen zwei Wochen Kontakt zu einer infizierten Person hatten oder mehrere Symptome wie starkes Fieber oder Geschmacksstörungen haben. Das besagt die Richtlinie des Robert Koch-Instituts (RKI). Doch nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation verläuft die Lungenkrankheit Covid-19 in 80 Prozent der Fälle mild. Demnach &bdquo;erfüllt" also nicht einmal ein Großteil der tatsächlich Infizierten die Voraussetzungen für einen Test. Wie ist dieser Widerspruch zu erklären? Zu Beginn der Pandemie sollten sich Bürger nur mit wirklich schweren Symptomen melden, um Praxen und Labore nicht zu überlasten. Mittlerweile hat sich die Lage aber entspannt. Das Problem liegt also woanders: Offiziell übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten für einen Test, wenn er &bdquo;medizinisch notwendig" ist. Ob er das ist, entscheidet der Hausarzt. Doch laut Bielefelds Hausarzt-Sprecher Ulrich Weller ist die Kostenübernahme nicht geklärt. Das bestätigt Krisenstabs-Leiter Ingo Nürnberger. So könnte es sein, dass die Ärzte auf ihren Kosten sitzen bleiben. Die Folge: Der Patient mit leichten Symptomen wird nicht getestet. Daran wird immer mehr Kritik laut. Das RKI hat die Voraussetzungen für einen Test vor einigen Tagen gelockert und fordert, Tests ab jetzt auch bei leichten Symptomen durchzuführen. Nur so könne man Ausbrüche früh erkennen und Infizierte in Isolation bringen. Labore haben noch Kapazitäten Auch Nürnberger plädiert dafür, bestimmte Berufsgruppen in der Stadt gezielt zu testen, unabhängig von Symptomen, ebenso Bewohner von Heimen. Das sei theoretisch möglich, denn die heimischen Labore seien mittlerweile in der Lage, mehr Tests durchführen. Sie haben Kapazitäten frei. Aber auch am Beispiel der Pflegeheime zeigt sich das Problem. Die gesetzliche Krankenkasse zahlt nur bei Krankheitssymptomen oder Verdachtsfällen. Will das Gesundheitsamt die Bewohner eines Heims also proaktiv und frühzeitig testen, muss es die Kosten selber tragen.Gleiches gilt für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter vorsichtshalber testen lassen wollen, zum Beispiel weil sie die Arbeit im Homeoffice beenden. Auch sie müssten die bis zu 130 Euro teuren Tests aus eigener Tasche zahlen, solange kein &bdquo;begründeter Verdachtsfall" vorliegt. Das alles wird Einfluss darauf haben, wie zuverlässig die aktuellen amtlichen Zahlen der Stadt sind – und wie hoch die Dunkelziffer ist. Bundesweite Studien schätzen sie auf das Elf- bis Zwanzigfache, sie gehen also zum Teil weit auseinander. "Test ist nur eine Momentaufnahme" Deshalb wird der Ruf nach einer Ausweitung der Tests laut. &bdquo;Das ist die sicherste Methode für eine wertige Aussage, wie viele Infizierte es derzeit wirklich in der Stadt gibt", schreibt zum Beispiel der ehemalige Apotheker Ulrich Koke in einem Brief an die Redaktion. Hausärzte-Sprecher Weller widerspricht, da ein Test immer nur eine Momentaufnahme sei. &bdquo;Wer heute negativ getestet wird, kann drei Tage später positiv sein", sagt der Mediziner und spricht von einer trügerischen Sicherheit. Einig sind sich alle Beteiligte indes, dass die aktuelle Datenlage nicht ausreicht. Wie berichtet, kann das Gesundheitsamt noch immer nicht mitteilen, wie viele Bielefelder bislang auf das Coronavirus getestet wurden – und wie viele es täglich sind.Diese Daten sind laut Weller aber zwingend nötig, damit die jüngst festgelegte Grenze des Bundes Sinn ergebe. Verzeichnet Bielefeld 170 Neuinfizierte pro Woche, muss die Stadt erneute Corona-Einschränkungen vornehmen. Solange aber nicht verbindlich festgelegt sei, wie viele Menschen dafür in einer Stadt getestet werden müssten, halte er diese Regelung für unsinnig, sagt Weller. Denn unstrittig ist: Wer weniger testet, wird auch weniger offiziell Erkrankte haben.

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