Labore haben noch Luft: Warum in Bielefeld dennoch nicht mehr getestet wird

Bielefeld. Ob die Corona-Vorschriften in der Stadt gelockert oder verschärft werden, hängt von der Zahl der Neuinfektionen ab. Sie ist ausschlaggebend dafür, ob Restaurants, Hotels und Spielplätze öffnen – und sich Familien wieder treffen dürfen. Diese Zahl ist in Bielefeld seit Tagen auf konstant niedrigem Niveau. Doch wie seriös ist sie? Nach zwei Monaten kann das Gesundheitsamt noch immer nicht mitteilen, wie viele Bielefelder überhaupt getestet werden. Sind die Werte so gut, weil aktuell schlichtweg weniger getestet wird? Bei acht Bielefeldern wurde in dieser Woche das Coronavirus festgestellt; bis Donnerstag war es kein Einziger. &bdquo;Das ist ein extrem niedriger Wert", freut sich Krisenstabs-Leiter Ingo Nürnberger. Heißt: Bleibt es so, ist Bielefeld von erneuten Einschränkungen meilenweit entfernt. Umgerechnet müssten 175 Bielefelder in einer Woche infiziert sein, bevor die Stadt neue Vorgaben verhängt. Selbst zu Spitzenwerten lag diese Zahl bei nur 80 Bürgern in einer Woche. Die Vermutung, die Zahlen seien nur deshalb so gut, weil hier weniger getestet werde, weist Nürnberger zurück. Mit der Begründung, dass auch die Zahlen der Corona-Patienten im Krankenhaus sowie die Todeszahlen verhältnismäßig gering sind. Und dennoch: Wie viele Bielefelder aktuell am Tag getestet werden – und wie viele es bislang insgesamt sind – kann Nürnberger nicht sagen. &bdquo;Das ärgert mich selber seit zwei Monaten." Grund sei, dass dem Gesundheitsamt diese Zahlen nicht vorgelegt werden. Wie kann das sein? Labor dröselt Tests nicht nach Postleitzahl auf Ein Großteil der Bielefelder Tests wird im Labor des Medizinischen Gesundheitszentrums Diamedis in Sennestadt ausgewertet. 230 Mitarbeiter analysieren nicht nur Bielefelder, sondern auch Tests aus umliegenden Städten. &bdquo;Sie können die Ergebnisse nicht nach Postleitzahlen aufdröseln", sagt Nürnberger. Claudia Speckbacher ist Ärztliche Leiterin bei Diamedis. Sie bestätigt, dass das Labor keine genauen Angaben für einzelne Städte vornimmt. Nur so viel: &bdquo;Aktuell werten wir pro Woche rund 1.400 Proben von Rachen-Abstrichen aus." Wie viele dieser Proben aus Bielefeld stammen – unklar. Das trifft auch auf das zentrale Diagnosezentrum in Bethel zu, das von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) betrieben wird. Auch hier werden täglich Bielefelder auf das Coronavirus getestet. Wie viele, das kann die KVWL nicht sagen. Nürnberger schätzt die Zahl auf knapp 300 pro Woche. Hinzu kommen Tests, die die Ärzte veranlasst haben. Laut Hausarzt-Sprecher Ulrich Weller sind das bis heute knapp 3.000. All diese Daten müssten die 60 Mitarbeiter im Gesundheitsamt einzeln erhalten und zusammentragen, um sie auswerten zu können. Es könnte mehr getestet werden Somit stochern die Verantwortlichen an diesem bedeutenden Punkt noch immer überwiegend im Nebel. Die Diamedis-Mitarbeiter werteten zu Spitzenzeiten wöchentlich 600 Tests mehr aus als aktuell. Auch Nürnberger glaubt, dass in der Stadt derzeit weniger getestet wird als noch vor Wochen. Beim Gesundheitsamt gingen mittlerweile weniger &bdquo;Corona-Anrufe" ein. Doch auch die Zahl der negativen Tests kann Nürnberger bislang nur schätzen – auf &bdquo;knapp 99 Prozent". Auffallend dabei ist, dass die Labore mittlerweile über mehr Kapazitäten verfügen – und durch verbesserte Technik mehr testen könnten. &bdquo;500 Tests am Tag könnten wir schaffen", so Speckbacher. Nürnberger plädiert dazu, in der Stadt gezielt mehr zu testen, zum Beispiel in Heimen, Schulen und bei wichtigen Berufsgruppen – unabhängig davon, ob Symptome vorliegen. Keine klaren Symptome - kein Test Aber auch das ist aktuell nicht möglich. Es gilt nach wie vor: Ohne klare Symptome – kein Test. Andernfalls könnten Ärzte sie nicht abrechnen. &bdquo;Das wird derzeit von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht abgedeckt", sagt Nürnberger und spricht von einer unklaren und schlechten Finanzierung. Einige Bürger fragen deshalb bei Ärzten an, ob sie sich privat testen lassen können – für rund 130 Euro. Weller hält das für wenig sinnvoll: &bdquo;Ein Testergebnis gibt immer nur Sicherheit für den Moment."

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