Bielefeld Dieser Bielefelder hat sich halbiert - und 85 Kilogramm abgespeckt

Bielefeld. Auf dem Fahrrad hat er sich bis kurz vor Bad Salzuflen gequält, als Veith Lemmen rechts ran fährt – und ein paar Tränen verdrückt. &bdquo;Was für einen Scheiß mache ich hier eigentlich?", fragt er sich japsend, während er bei Eises-Kälte seine Hände nicht mehr spürt. Zweifel und persönliche Krisen haben den Bielefelder auf dem Weg zum neuen Körper immer wieder eingeholt. Sie gehören beim Abspecken dazu. Lemmen hat sie überwunden und sein Ziel erreicht: Er hat sich halbiert und 85 Kilogramm abgenommen. Wie hat er das geschafft? Ein Bierchen in der Abendsonne, was Heißes und Fettiges vom Grill. Schnell setzen die Pfunde an den Hüften an. Wie die wieder purzeln – und zwar auf Dauer, weiß Veith Lemmen wohl mit am Besten. Es ist noch keine zwei Jahre her, da bringt er 170 Kilogramm auf die Waage, bei 1,83 Meter Körpergröße. &bdquo;Ich war nicht dick; ich war fett." Im Düsseldorfer Landtag arbeitet er zu dieser Zeit für die SPD als wissenschaftlicher Referent 60 bis 70 Stunden pro Woche. &bdquo;Abends hatte ich nur noch Kraft für Fast Food." Die Folge: massiver Bluthochdruck. Wie man das so macht, beginnt auch er mit Anfang 30, sich die großen Fragen des Lebens zu stellen. &bdquo;Wo will ich hin? Was will ich erreichen?" Gesünder leben, mehr Sport, sesshaft werden. Er lässt die Landeshauptstadt hinter sich, steigt später bei der gemeinnützigen sozialen Aktiengesellschaft in Bielefeld ein – und fängt an, Fahrrad zu fahren – auf dem Holland-Rad seiner heutigen Ehefrau Wiebke Esdar. Erst von der Alm bis nach Dornberg, dann bis Isingdorf, nach einem Monat reicht die Puste bis nach Werther. &bdquo;Fürs Joggen war ich einfach zu schwer. Das hätten meine Gelenke nicht mitgemacht." Natur-Joghurt statt Pommes Als er die ersten 20 Kilogramm verliert, merkt das kein Mensch. Egal, weitermachen: kleine Schritte, kleine Ziele. Schnell merkt Lemmen: Sport reicht nicht. Der 36-Jährige lässt schweren Herzens die Mayo auf dem Käsebrötchen weg, tauscht Pommes gegen Salat, das halbe Hähnchen gegen Natur-Joghurt und die leckeren- gegen Vollkornnudeln. Auch hier heißt es: kleine Schritte. Schokolade gibts nach wie vor, aber nur als Belohnung am Wochenende. Früher schaufelte sich Lemmen spätabends den Gyrosteller rein – und schloss dann die Augen; heute isst er zwei Stunden vor dem Schlafen nichts mehr. &bdquo;Damals lag mein nächtlicher Ruhepuls bei 90. Jetzt sinds knapp 50." Wenn morgens der Wecker nervt, ist Lemmen meist fit. &bdquo;Ein himmelweiter Unterschied zu früher." Frühstück gibts erst, wenn der Hunger kommt: Müsli. Bis dahin trinkt er Kaffee. Die Rückschläge werden weniger, Energie und Ausdauer mehr. Sein Körper gewöhnt sich an Äpfel, Möhren, Blumenkohl und Leitungswasser. Der Drang nach Alkohol lässt nach, das Rauchen hat er bereits aufgegeben. Nach ein paar Monaten beginnt Lemmen, Kalorien zu zählen. Erst mit einer Küchenwaage, dann per App. &bdquo;Dadurch habe ich erst gemerkt, wie krass ungesund einige Lebensmittel sind." Jetzt purzeln die Pfunde. Lemmen hält Rücksprache mit seiner Hausärztin, geht zum Kardiologen und zur Ernährungsberatung, checkt sein Herz-Kreislauf-System. Auch das ist wichtig. &bdquo;Mal sehen, ab wann die Kilos wieder drauf kommen", lauten skeptische Stimmen aus seinem Umfeld. Bis hierhin hat er 85 Kilogramm verloren, in knapp elf Monaten. Wie man den Jojo-Effekt vermeidet Jetzt kommt Phase zwei: Gewicht halten. Das sei mindestens genau so schwer, räumt Lemmen ein, der im Herbst als Bürgermeister für die SPD in Werther kandidieren wird. Um den Jojo-Effekt zu vermeiden, sei es wichtig, weiter in Bewegung zu bleiben, Muskulatur aufzubauen, den Grundumsatz oben zu halten. Wenn der Körper durch Ernährung leichter wird, braucht er ohne Sport auch weniger Muskulatur und verbrennt dann weniger Kalorien. &bdquo;Der Grundumsatz muss aber oben bleiben, sonst schafft man das nicht, trotz eiserner Disziplin." Das gelingt dem früheren Chef der NRW Jusos und jetzigem Vize-Vorsitzenden der SPD in NRW nun seit einem Jahr. Wenn er sich heute aufs Rad schwingt, fährt er locker 100 Kilometer. Rund 25.000 Kilometer hat er in den vergangenen zwei Jahren abgestrampelt. Auch Joggen ist jetzt drin. Das ausgewogene Essen wird wieder ohne Waage selbstverständlicher. Durch den Sport sind zudem auch mal Belohnungen wie Pommes oder Eis möglich. Skurrile Situationen bleiben nicht aus Frau, Freunde und Bekannte hätten ihn beim Abspecken unterstützt, sagt Lemmen. &bdquo;Ich habe viel mit ihnen darüber gesprochen, das finde ich wichtig." Und dennoch führe seine Verwandlung noch immer zu skurrilen Situationen. Nie vergessen wird er einen Moment in Berlin im vergangenen Jahr. Lemmen begleitete seine Ehefrau Wiebke Esdar zu einer Veranstaltung der Bundestags-Mitglieder. Am Ende ihrer Rede geht Lemmen auf sie zu und gibt ihr einen Kuss. &bdquo;Die Leute im Publikum waren baff und tuschelten, weil sie dachten, dass Wiebke einen Neuen hat." Sie hatten Veith Lemmen nicht mehr wiedererkannt.

Mehr zum Thema