Bürger wollen die Verkehrswende befeuern und mischen sich jetzt aktiv ein

Bielefeld. Hitzige Debatten löst das Thema &bdquo;Verkehr“ in Bielefeld aus. Egal, ob es um die Verlängerung der Stadtbahn nach Sennestadt geht, Hochbahnsteige in Brackwede, den Bau der Ortsumgehung Ummeln, Dieselfahrverbote, ein Fahrradparkhaus unterm Jahnplatz oder die oberirdische Umgestaltung des selben. Gefühlt ist Verkehrsplanung nur noch negativ behaftet. Das möchte das neue Aktionsbündnis &bdquo;Mut zur Verkehrswende“ ändern. Und sich mit Blick auf die Kommunalwahl aktiv einmischen. Sechsköpfiger Sprecherrat Die Allianz wurde im Juni 2019 geschmiedet, die Liste der Erstunterzeichner ist lang. Mittlerweile haben sich mehr als 80 Personen, Gruppierungen und Initiativen angeschlossen. &bdquo;Wir wollen uns als Zivilgesellschaft dafür einsetzen, dass mit dem Begriff Verkehrswende etwas Positives verbunden wird“, betont Godehard Franzen. Der Vorsitzende von Bielefeld Pro Nahverkehr gehört zum sechsköpfigen Sprecherrat, der Mitte Januar vom Plenum gewählt worden ist. Dass diese Verkehrswende nicht einfach wird, wissen auch die Bündnispartner. Seit Jahrzehnten wächst der Autoverkehr in der Stadt. Im Vorjahr hatten die knapp 340.00 Einwohner 220.378 zugelassene Fahrzeuge. Nie war diese Zahl höher. Dazu kommen die Ein- und Auspendler, die Besucher des Oberzentrums. Regelmäßige Staus sind die Folge, Parkplätze sind oftmals Mangelware. &bdquo;Immer mehr Autos müssen zwangsläufig zum Verkehrskollaps führen“, sagt das Aktionsbündnis. Daher sei das Ziel richtig, den Autoverkehr bis 2030 halbieren zu wollen. So viel mehr als weniger Auto Verkehrswende bedeute Klimaschutz, Schutz der Menschen vor Emissionen, Abkehr vom ewigen Flächenverbrauch, mehr Aufenthalts- und Lebensqualität, Verhaltensänderung. Daher müsse das Leitbild zur Mobilitätsstrategie mit Leben gefüllt werden. Fuß- und Radwegenetze müssten ausgebaut, das Angebot bei Bus und Bahn verbessert, Verkehrsmittel besser vernetzt werden. &bdquo;Unsinnige Anreize“ für die Autonutzung sollen abgebaut werden. &bdquo;Verkehrswende bedeutet in der Tat auch eine andere Verteilung des Raumes, der allen Verkehrsteilnehmern zur Verfügung steht“, sagt Roland Tillmann (Radentscheid). Polemisch könne man anführen, dass jahrzehntelang die nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer bevormundet worden seien. Aber es gehe nicht um Polemik, sondern darum umweltfreundlichere Alternativen zum Auto attraktiver zu machen, so der Jugendmediziner. "Dagegen - der Bielefeld-Reflex" Leider, moniert Nobert Müller, ehemaliger Geschäftsführer der Bielefelder Gesellschaft für Wohnen, gelinge es bislang nicht, im Konsens eine Lösung zu entwickeln. &bdquo;Hat einer eine Idee, setzt sofort der Bielefeld-Reflex ein, ist der andere dagegen, und es hagelt Kritik.“ Dem wolle er mit der Arbeit im Bündnis etwas entgegen setzen. Für Katja Häckel vom Bielefelder Jugendring ist die Verkehrswende auch ein Weg, Bielefeld zu einem &bdquo;gedeihlicheren Ort für Kinder und Jugendliche zu machen“. Bislang gehe Stadt- und Verkehrsplanung nur zu Lasten der Kinder. Schon aus Sicherheitsgründen verbrächten sie weniger Zeit draußen, entwickelten weniger Kompetenzen. Die Niederlande hat sich Benjamin Angermann von &bdquo;Fridays for future“ als Vorbild genommen. Dort werde bereits seit den 1960er Jahren erfolgreich daran gearbeitet, die Innenstädte möglichst autofrei zu machen. Hermann Janßen (Verdi) möchte die Kampagne, die schon länger für einen Umstieg auf den ÖPNV wirbt, in diesem Jahr noch stärker in den Fokus rücken. Er betont aber auch die politische Komponente der Bündnisarbeit: &bdquo;Wir wollen uns aktiv in den Wahlkampf einmischen.“ Pro Verkehrswende, auch wenn dies manchmal &bdquo;missliebige Entscheidungen“ bedeute. "Prüfsteine" für die Kommunalwahl Ganz konkret hat sich das Bündnis zunächst drei Aspekte vorgenommen: Die Verkehrswende als wahlentscheidendes Thema. Die erste Arbeitsgruppe werde daher &bdquo;Prüfsteine“ vorbereiten, die den Bürgern bei ihrer Wahlentscheidung helfen sollen, Infostände und -veranstaltungen sowie Podiumsdiskussionen sind geplant. Die zweite Arbeitsgruppe nimmt den Verkehr in Wohnquartieren unter die Lupe. Überlegt werden soll, wie diese beruhigt werden, für Bewohner und vor allem Kinder attraktiver gestaltet werden können. Und drittens geht es um betriebliches Verkehrsmanagement. Welche verkehrlichen Alternativen können für Pendler gefunden werden? Gerade aus Belegschaften könnten dazu spannende Ideen kommen. &bdquo;Von den Parteien möchten wir zudem hören, wie sie zu den einzelnen Punkten stehen“, betont Godehard Franzen. Das Aktionsbündnis werde sich häufiger und lauter in der öffentlichen Diskussion bemerkbar machen, so wie zum Weiterbau der Linie 1 bereits geschehen. Nahverkehrsplan öffentlich beraten Ein Thema auf das explizit geschaut werde, sei die Entwicklung des Nahverkehrsplans. Dieser hätte im 1. Quartal 2020 vom Rat verabschiedet werden sollen. Doch bislang gebe es noch nicht einmal eine Beteiligung der Träger öffentlicher Belange, der Bezirksvertretungen, geschweige denn der Öffentlichkeit. &bdquo;Es ist falsch, solche Dringe erst hinter verschlossenen Türen zu beraten.“ Bei den Bürgern sei Fach- und Sachwissen vorhanden, sie wüssten um die Lücken und Tücken im System. Nur durch eine rechtzeitige Beteiligung werde eine Akzeptanz für die Verkehrswende erreicht, ist sich der Sprecherrat sicher. &bdquo;Dabei ist Transparenz das A und O “, betont Franzen.

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