Vom Rocker-Diakon zum Schmiede-Chef in Bethel - ein Macher nimmt Abschied

Bielefeld. Er kam als Rocker-Diakon, der in Hannover auf dem schweren Bike mit &bdquo;knallharten Jungs" arbeitete. Als Mann, der im wilden Göttingen der 80er &bdquo;Kontrapunkte zu den frommen Leuten setzte": Projekte im Jugendknast und gegen die rechte Szene waren sein Ding. Dass Reinhard Bücker im ihm &bdquo;zu engen Bethel" landete – und er sich hier heute zu Hause fühlt – hat mit einem Leuchtturm Bethels zu tun: der Neuen Schmiede. Bücker gründete sie. Es sind seine Ideen, die die Schmiede bundesweit zum Vorzeigeobjekt für Inklusion gemacht haben. Es war seine Hartnäckigkeit, die die Schmiede entstehen ließ: &bdquo;Ich hatte freie Hand, weiß aber auch, dass der Vorstand im Rohbau stand und kopfschüttelnd alles in Frage stellte". Es aber nicht kippte – denn es war zu spät. Cola im Freizeitwerk Bücker war 1992 in ein Bethel gewechselt, in dessen Freizeitwerk gerade erlaubt worden war, Cola zu trinken. &bdquo;Das machte mich fassungslos." Aus dem Werk mit acht Mitarbeitern heraus entwickelte er seine Vision. Bethels Jahresspendenprojekt wurde die Schmiede – als Lückenfüller, weil ein anderes Projekt geplatzt war. Am Ende flossen 5,5 Millionen Mark in die Schmiede. Im September 2000 öffnete sie. Und ist seither eine gewaltige Erfolgsgeschichte. Aus 30 Mitarbeitern (jeder dritte mit Handicap; wie heute auch) und 20 freien Mitarbeitern sind 45 plus 80 geworden – hinzu kommen 100 Ehrenamtliche. Aus 450.000 Euro Zuschuss pro Jahr sind 300.000 geworden – bei aber drastisch gestiegenem Umsatz von fast 2,5 Millionen Euro. Bücker arbeitet an dem Ziel, dass Gastronomie und Tagungswesen so viel einbringen, dass für sozialen Aufgaben Geld übrig bleibt. &bdquo;Bei uns gilt: Will ein Mensch mit Behinderung zu uns kommen, holen wir ihn ab." Gratis, versteht sich. Und niemand muss etwas essen oder trinken. Die Neue Schmiede ist Ort der Begegnung – und soll es immer bleiben. &bdquo;Das darf nicht vom Geld abhängig sein." Stolz ist er auf sein Baby: Noch immer kommen Gäste, um sich das Konzept von Kultur bis Gastronomie vorstellen zu lassen. Und blickt Bücker aus seinem Büro, sieht er seine Schmiede wachsen – für 1,8 Millionen Euro wird bis Juli erweitert; es entstehen vor allem neue Tagungs- und Feierorte. Loslassen keine Lösung Weil Bücker das forciert und durchgesetzt hat, ist auch klar, dass er am 30. November nicht einfach so gehen kann. Der Folgevertrag als Berater im (Un-) Ruhestand ist schon unterschrieben. Für ein Jahr. Und so steht auf seiner Einladungskarte denn auch: &bdquo;Loslassen ist nicht immer eine Lösung." Doch irgendwann muss er das. Dann, wenn die Schmiede samt Anbau voll im Wind steht, den Erfolgskurs einhält. Dann will er loslassen, dann soll er loslassen. Es ist offenbar der Wunsch aller, ihn nicht jetzt schon einfach gehen zu lassen. Denn er hat mit seinem Team jenen Ort geschaffen, der den 2001 formulierten neuen Bethel-Slogan am sichtbarsten mit Leben füllt: &bdquo;Gemeinschaft verwirklichen!" Ob beim Arminia schauen oder bei Gartenprojekten, im Biergarten, beim Tanz in den Mai, der Silvesterparty oder beim Kinderprogramm – hier ist Inklusion Realität; und nicht etwa schöner Schein. Nicht funktioniert hat sie bei einer anderen Idee, die trotzdem erfolgreich ist: Der &bdquo;Disco Nr. 7", die auch schon &bdquo;Blue Moon" und &bdquo;Bunte Kuh" hieß. Jeden Mittwoch ab 19 Uhr treffen sich 200 Jugendliche mit Handicap und feiern. &bdquo;Das ist der Ort zum Kennenlernen für junge Leute mit Behinderung in OWL – sie werden aus Höxter und aus Herford hergebracht", sagt Bücker (65). Privat zurückgezogen Er, der privat das Zurückgezogene liebt, größere Gruppen und Feiern meidet, ist beruflich über Jahrzehnte zu jemandem geworden, der die Begegnung fördert. Ein Widerspruch, den er sieht, &bdquo;aber ich brauche nach der Arbeit den Abstand – und ich stehe auch in der Schmiede nicht vorne, die Bühne überlasse ich sehr gerne meinen Kollegen, die das auch verdient haben", sagt er. Denkt er dann doch einmal über die Zeit nach der Schmiede nach, kommt das: Er will mit Enkeln spielen, Nachbarschaften pflegen, im Wohnmobil mit seiner Frau um die Ostsee fahren. Und mit Hündin Moja weiter lange Spaziergänge machen, gerne Richtung Schmiede. &bdquo;Da werde ich dann einen Milchkaffee trinken", sagt er. Loslassen ist eben nicht immer eine Lösung, und wenn, dann aber bitte nur in homöopathischer Dosierung.

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