Schiefe Töne sind in diesem Bielefelder Chor ausdrücklich erwünscht

Bielefeld. Die ersten ein, zwei Flaschen Bier haben die Männer bereits leer getrunken, da hat die Chorprobe noch gar nicht angefangen. Aus dem Trockenen heraus singen, das gehört sich bei Shantallica nicht. Die Stimme muss halt geölt sein. Dem Stimmengewirr in dem Saal nach zu urteilen, klappt dies auch gut. Irgendwann mahnt Chorleiter Markus Eberhard, von allen nur der &bdquo;Chief" genannt, zur Ruhe. Ein bisschen Konzentration bei der Generalprobe für das Jubiläumskonzert sei schon gefordert. Zehn Jahre gibt es den aus einer Schnapsidee entstandenen Chor inzwischen – er will alles, nur nicht perfekt sein. Mit voller Inbrunst schmettern die Männer in ihren schwarzen Hoodies &bdquo;Wir lagen vor Madagaskar" und &bdquo;Auf der Reeperbahn nachts um halb eins". Ungewohnte Töne in dem an der Furtwänglerstraße gelegenen Haus, das Shantallica für die Proben angemietet hat. Denn früher sang hier der Bielefelder Kinderchor. &bdquo;Vor 36 Jahren als Kind stand ich im selben Raum", erzählt Steffen Holtmann. Heute ist er Teil des etwas anderen Shanty-Chores. &bdquo;Gesanglich ist das hier natürlich ein niedrigerer Anspruch", sagt er. Konzerte von der JVA bis zur Alm Für die Männer ist es aber gar nicht so wichtig, jeden Ton perfekt zu treffen. &bdquo;Der Mensch kommt vor der Note", nennt Rolf Henrichsmeyer, der &bdquo;Käpt’n", das Motto. Als Geburtstagsüberraschung für seine Frau stellte er den Chor aus Freunden zusammen. Aus der zunächst nur einmalig angedachten Aktion wurden Dutzende Konzerte auf dem Weihnachts- und Leinewebermarkt, in der JVA und der Kirche. Höhepunkt für den singenden Stammtisch war der Auftritt beim 111. Geburtstag von Arminia Bielefeld vor Tausenden Zuschauern auf der Alm. Klar, dass die Shantallica-Jungs eingefleischte Arminia-Fans sind. Nach einer Pause – standesgemäß begleitet durch ein paar Schnäpse – steht dann auch die Eigenkomposition &bdquo;500 Meter vor der Alm" auf der Probenliste. Ein Textbuch benötigen die Männer dafür nicht, stattdessen schunkeln sie und prosten sich mit den Bierflaschen, die selbstverständlich auch während des Gesangs nicht aus der Hand gelegt werden, zu. &bdquo;Ich glaube, dass wir den Spaß, den wir haben, gut rüberbringen", sagt Lars Wetzel anschließend. &bdquo;Man muss in unsere Gruppe hineinpassen." Wenn er nicht gerade bei Shantallica ein Solo hält, unterrichtet er an der Realschule in Heepen. Für seine Schüler ist er ein &bdquo;ziemlich cooler Lehrer". Bei Konzerten stehen sie als Fans auch mal jubelnd in der ersten Reihe. Als Gage geht auch mal Freibier Eine große Gage nimmt Shantallica hierbei nicht, Freibier ist hingegen gerne gesehen. &bdquo;Der Veranstalter war dann auch schon mal von unserer Trinkfreudigkeit überrascht", erzählt der 46-jährige Wetzel. Gerüchteweise soll das eine oder andere Chormitglied in der Vergangenheit im nicht mehr ganz nüchternen Zustand von der Bühne gefallen sein. Bei ihrem Konzert am 2. November (19.30 Uhr) im Lokschuppen möchte der Chor dagegen gesitteter auftreten. Vier befreundete Bands haben sich die 35 Shanty-Männer für den Abend eingeladen, für ein paar Lieder werden sie gemeinsam auf der Bühne stehen. &bdquo;Das improvisieren wir dann", sagt der &bdquo;Käpt’n" während der Probe. &bdquo;Bei uns ist es generell so: Wenn wir zu viel üben, dann wird das eh nichts." Ihr Publikum erwarte geradezu, dass der Chorgesang nicht ganz fehlerfrei ist. Und im Kollektiv falle der einzelne schiefe Ton gar nicht so sehr auf, ergänzt Lars Wetzel. Am Ende des Probenabends kann auch &bdquo;Chief" Markus Eberhard seine Jungs nicht mehr im Zaun halten. Bei &bdquo;My Butterfly" formieren sie traditionell eine Polonaise und veranstalten eine kleine Party, selbst wenn es sich nur um eine Probe handelt. Aber bei diesem Chor ist ohnehin Vieles nicht gewöhnlich.

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