Ticketpreise: Bielefelder Politik muss sich jetzt unbedingt erklären

Bielefeld. Die Verkehrsbetriebe MoBiel erhöhen zum 1. August ihre Preise im Schnitt um 1,75 Prozent. Das Monats-Ticket steigt wie berichtet um einen Euro auf 79 Euro. Mit den Preiserhöhungen reagiert MoBiel auf die Tariferhöhungen ihrer Mitarbeiter um über 3 Prozent. Betriebswirtschaftlich betrachtet ein Schritt, der vielen nachvollziehbar erscheint. Doch eigentlich handelt es sich um ein politisches Thema. Die Mehrheit im Rat hat den Klimanotstand in der Stadt ausgerufen. Zwei Wochen später werden die teureren Ticketpreise bekannt gegeben. Ist das das richtige Signal? SPDEine pauschale Bewertung der Erhöhung der Ticketpreise als &bdquo;schlechtes Signal" werde der Sache nicht gerecht, so Ratsmitglied Hans-Jürgen Franz. Er verweist darauf, dass die bestehenden ÖPNV-Angebote nicht kostendeckend betrieben werden und in allen Städten zu Defiziten führen, in Bielefeld zu 22 Millionen Euro jährlich. &bdquo;Jede Veränderungen bei den Ticketpreisen führen zu Mehrkosten und damit zu größeren Defiziten, die die kommunalen Verkehrsträger tragen müssen." &bdquo;ÖPNV-Pauschale" für die Kommunen basierend auf der Zahl der Einwohner Auch in Bielefeld müsse aber die Mobilitätsstruktur verändert werden, damit die Stadt nicht durch einen immer weiter wachsenden Autoverkehr zum Stillstand kommt und damit die Schadstoffbelastungen gesenkt werden. &bdquo;Attraktive Ticketpreise sind beim ÖPNV-Ausbau ein Faktor neben anderen." Der notwendige ÖPNV-Ausbau kann nicht von den Städten allein getragen werden. Für dieses unverzichtbare Infrastrukturangebot müssen Land und Bund eine verlässliche Zuschuss-Struktur entwickeln. Diskutiert wird hierbei zum Beispiel auch eine &bdquo;ÖPNV-Pauschale" für die Kommunen basierend auf der Zahl der Einwohner. CDUDie CDU-Fraktion findet, dass die Preiserhöhung der Tickets legitim sei, da MoBiel ausschließlich Kostenerhöhungen vor allem im Personalbereich an den Kunden weitergegeben habe. Grundsätzlich müsste berücksichtigt werden, unter welchen betriebswirtschaftlichen Bedingungen das Nahverkehrsunternehmen arbeite, sagt Fraktionschef Ralf Nettelstroth, der im MoBiel-Aufsichtsrat sitzt. Auch er spricht die 22 Millionen Euro Subventionen an, die die Stadt jährlich zahlt. Generell gehe es beim Thema darum, wohin man strukturell steuern möchte. Nettelstroth bezweifelt, dass ein kostenloser ÖPNV die gewünschten Effekte erzielen würde. Er bezieht sich auf Gutachten der Stadt, nach der die Fahrgastzahlen lediglich um vier Prozent gesteigert werden könnten. &bdquo;Diese Kosten-Nutzen-Rechnung geht nicht auf." Die Vergünstigung des Schulwegtickets von 56 Euro auf 20 Euro hingegen hält die CDU für machbar und setzt sich mit der FDP dafür ein. &bdquo;Das ist ein guter Weg, Schüler an den Nahverkehr heranzuführen." GRÜNEAuch die Grünen im Rat haben einen Vertreter im Aufsichtsrat von MoBiel: ihren Fraktionsvorsitzenden Jens Julkowski-Keppler. Er sagt, die Preiserhöhungen seien gut ein Jahr lang im Verbund diskutiert worden. Ein Konsens sei dort nicht immer leicht zu erreichen: &bdquo;Einerseits sind wir sehr froh, dass wir den Westfalentarif für die Region haben. Andererseits ist mit dem derzeitigen System eine Grenze in der Preisspirale erreicht." In den vergangenen Jahren seien die ÖPNV- Preise in manchen Jahren stärker gestiegen als die Lebenshaltungskosten oder der Unterhalt von Kraftfahrzeugen. &bdquo;Das ist nicht zumutbar." Mit den mittlerweile &bdquo;fast normalen" jährlichen Preiserhöhungen sei man auf dem falschen Weg. &bdquo;Wir brauchen einen Bruch mit dem alten komplexen System und ein einfaches neues Ticketsystem." &bdquo;Wir brauchen einen Bruch mit dem alten komplexen System und ein einfaches neues Ticketsystem." Hier sei das sogenannte Check-in/Be-out-System (CiBo) vielversprechend: Dabei registriert eine Smartphone-App, wenn ein Fahrgast ein Verkehrsmittel betritt (Check-in) oder verlässt (Be-out). Der Fahrpreis wird auf dieser Grundlage kilometergenau abgerechnet. &bdquo;So könnte es für die einzelne Fahrt wieder günstiger werden." Ein solches System sei attraktiv, um neue Fahrgastgruppen zu erreichen. LINKEVon den Preiserhöhungen überrascht wurden die Linken. Das Thema sei in den politischen Gremien nicht im Vorfeld diskutiert worden, auch eine Vorab-Mitteilung des Verbunds gab es nicht, sagt Fraktionsvorsitzende Barbara Schmidt. &bdquo;Kommunikation findet hier praktisch nicht statt." Das beschneide die Möglichkeiten zur Einflussnahme. Dass die Erhöhungen immer in der Sommerferienpause mitgeteilt würden, sei eine Frechheit, so die Ratsfrau. &bdquo;Das ist eine Strategie, um Widerstand sofort zu ersticken." Stetig steigende ÖPNV-Preise seien genau kontraproduktiv zu jeglicher Verkehrswende, ist Schmidt überzeugt. Zwar habe MoBiel im Verbund wenig Handlungsspielraum. Aufseiten der Politik gebe es jedoch statt einer vernünftigen Planung nur &bdquo;Gewurschtel". Günstiges Schulwegticket &bdquo;Die Attraktivität des Nahverkehrs setzt sich doch aus zwei Teilen zusammen: der Erreichbarkeit überhaupt und dem Preis." Schmidt spricht sich auch für ein Schulwegticket aus. &bdquo;Man muss früh damit anfangen, den Jugendlichen eine entsprechende Verkehrsalternative zum Auto schmackhaft zu machen." FDPAn der Erhöhung der Ticketpreise zeige sich die Überschriftenpolitik der Paprika-Koalition. Für Fraktionschef Jan Maik Schlifter ist der Beschluss des Klima-Notstandes in der Stadt nichts anderes als Symbol-Politik. Gemeinsam mit CDU und Bielefelder Mitte habe sie konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz beantragt, unter anderem die sofortige Einführung eines Schultickets. Schlifter ist der Meinung, das es nun Aufgabe des Oberbürgermeisters und der Politik sei, aufzuzeigen, wie der ÖPNV gestärkt werden könne. Die FDP sammelt aktuell Unterschriften für ein günstigeres Schulwegticket. &bdquo;Aktuell bringen Eltern ihre Kinder lieber mit dem Auto zur Schule als ein Monatsticket zu kaufen, weil das vielen zu teuer ist." Das müsse sich schnell ändern.

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