Spezialkräne stellen in Bielefeld 70 Meter hohe Anlage auf

Bielefeld. Mit zwei mächtigen Kränen hat die Firma Franz Bracht am Montag eines der höchsten Gebäude der Stadt errichtet. Das inzwischen als Goldbeck-Tower bekannte Telekom-Hochhaus am Kesselbrink ist das höchste Gebäude Bielefelds und misst stattliche 78 Meter. Nur ein wenig kleiner ist die neue Luftzerlegungsanlage des "Sauerstoffwerks Friedrichshafen" in Oldentrup. Die schlanke aber 70 Meter hohe Anlage ist dazu da, künftig Luft mit sehr großer Kälte in seine Bestandteile Sauerstoff, Stickstoff und Argon zu zerlegen. Die Grundkonstellation am Montagmorgen ist so einfach wie beeindruckend: Nachdem ein Schwertransport die sogenannte Coldbox nach Oldentrup gebracht hatte, liegt die 117 Tonnen schwere Anlage noch in voller Länge in der Waagerechten. Nun müssen zwei Kranfahrer und mehrere Fachleute für Anlagenbau das Ganze in die Senkrechte bringen. Dazu steht ein 700-Tonnen-Gittermastkran bereit, der die sogenannten Coldbox aufrichten soll, und ein 500-Tonnen-Telekran, der das untere Ende anhebt, damit die sensible Anlage nicht beim Aufstellen auf den Boden aufsetzt. Zentimeter für Zentimeter heben die mächtigen Spezialkräne die Anlage an, in der künftig Temperaturen zwischen -183 Grad Celsius und -196 Grad Celsius herrschen sollen. Die Anlage nutzt die unterschiedlichen Siedepunkte der Luftbestandteile aus, um aus den Gasen eine möglichst reine Flüssigkeit zu produzieren. Geschäftsführer Ulrich Hämmerle berichtet, dass das Bielefelder Sauerstoffwerk in Kürze auf diese Weise Stickstoff einer Reinheit von 99,999 Prozent herstellen wird - und nicht weniger reinen Sauerstoff. Zeitlupentanz der Kranriesen Inzwischen haben die mächtigen Kräne die Coldbox in die Diagonale gehoben. Es ist der schwierigste Moment für die Beteiligten. Der kleinere der beiden schweren Hebegeräte muss die fertig installierte Luftzerlegungsanlage am unteren Ende so weit in der Luft halten, dass sie nicht aufsetzt, obwohl der größere Kran das andere Ende der Coldbox immer weiter nach oben zieht. Wie bei einem Zeitlupentanz zweier Kranriesen richtet sich die Anlage immer weiter auf. Rund 50 interessierte Betriebsangehörige wohnen dem Spektakel bei. 20 Jahre lang laufen bereits die Vorbereitungen für diesen Tag, bestätigt Hämmerle. 50 Millionen Euro investiert das Unternehmen in die Luftzerlegung. 1999/2000 habe man den Standort Bielefeld mit drei Containern eröffnet: "Bielefeld war eine Vision." Es kam eine Abfüllanlage (2003), ein Labor (2004) und ein Verwaltungsgebäude (2005) hinzu. "Jetzt ist diese Vision fast fertiggestellt. Jetzt ist das Kind erwachsen", sagt der Geschäftsführer. Von Anfang an sei das Werk so geplant gewesen, es hätten sich im Laufe der 20 Jahre lediglich technische Modernisierungen ergeben. Inzwischen hängt die 117-Tonnen-Coldbox senkrecht an dem Gittermastkran. Der Telekran kann sich nun zurückziehen. Ein Hubwagen hebt zwei Mitarbeiter an die schweren Schrauben heran, die den Kran mit der Anlage verbunden haben. Jetzt - in der Senkrechten - muss der Turm noch in den hinteren Teil der Baustelle gehoben und schließlich dort mit dem Fundament verschraubt werden. Erneut Zentimeterarbeit mit tonnenschweren Komponenten. Doch was ist mit der Sicherheit? Einen Tag später kommt noch ein 14 Meter hocher Wärmetauscher hinzu, der ebenfalls noch aufgestellt werden muss. Dann müssen die beiden Gastanks mit einem Volumen von 3,5 Millionen Litern auf Dichtheit geprüft werden und die Coldbox mit einem Gesteinsmehl gedämmt werden, berichtet Werksleiter Ansgar Greve. Und wenn die Anlage im August/September in den Testbetrieb geht, wird sie 30 Kubikmeter Kühlwasser pro Stunde benötigen. Die elektrische Anschlussleistung wird laut Hämmerle bei 8,3 Megawatt liegen. Direkte Anwohner des Sauerstoffwerks melden sich angesichts des neuen hohen Turms und fragen: "Was ist denn mit der Sicherheit bei diesem Betrieb?" Werksleiter Greve erklärt, dass das Sauerstoffwerk zwar gesundheitsschädliche oder brennbare Stoffe wie Chlorgas, Amoniak, Wasserstoff oder Methan lagere, aber diese Stoffe weder produziere noch abfülle: "Wir haben für die Lagerung solcher Stoffe eine Begrenzungsauflage." So dürfen an der Friedrich-Hagemann-Straße maximal 24,5 Tonnen Chlorgas lagern. Das ganze Gelände verfüge über Gas-Sensoren und Brandmeldeanlage, die direkt bei der Feuerwehr Bielefeld auflaufen. Der Boden ist besonders abgedichtet, als Störfallbetrieb stehe das Werk permanent unter der Kontrolle der Bezirksregierung. Allein für die Genehmigung der Luftzerlegungsanlage waren zahlreiche Behörden beteiligt. Neben der Bezirksregierung etwa das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) wie auch das städtische Bauamt, die Feuerwehr, Umweltamt und Stadtentwässerung.

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