Moscheen unter Verdacht: Bielefelds muslimische Gemeinden ringen um Vertrauen

Bielefeld. Mehr als ein Dutzend Moscheen gibt es in Bielefeld, dazu moscheeähnliche muslimische Vereinigungen. Einer dieser islamischen Orte ist in der Nachbarschaft fast eines jeden Bielefelders. Wer sind die Menschen dort? Was wird dort gepredigt? Darüber gab und gibt es Diskussionen wegen radikalislamischer Vorbeter und zuletzt zunehmendem Einfluss der türkischen Erdogan-Regierung auf die Landsleute und deren Nachkommen. Vertrauen ging so verloren, Distanz entstand. In Bielefeld kämpfen damit beide Seiten - Moscheen wie Gesellschaft. Jetzt, im muslimischen Fastenmonat Ramadan, laden einige Gemeinden gerne Vertreter von Politik oder Stadtverwaltung ein. Ungewöhnliches ereignete sich bei so einem Termin kürzlich in der Vatan-Moschee in Brackwede. Die Gemeinde hatte Oberbürgermeister Pit Clausen zu Besuch. Der Vorstand nutzte die Begegnung für eine Distanzierung von seiner eigenen Verbandsspitze, der von der türkischen Religionsbehörde geführten "Ditib". Die war zuletzt als integrationshemmend wahrgenommen worden. Der Vorgang in der Vatan-Moschee dokumentiert die Vertrauensstörung. "Wir sprechen nicht mehr die Verbandsspitze an" Die Integrationsbeauftragte des Landes NRW hat ihre Konsequenzen gezogen. "Wir sind dazu übergegangen, nicht mehr mit der Ditib-Verbandsspitze den Kontakt zu suchen, sondern mit einzelnen Gemeinden, bei denen wir noch den Eindruck von Offenheit und politischer Neutralität haben", sagt Serap Güler, Staatssekräterin für Integration in NRW. Laut Güler sind die türkisch geprägten Moschee-Gemeinden jenseits der türkisch-staatlich angebundenen Ditib-Gemeinden - zum Beispiel vom Milli-Görus-Verband - in der Regel noch stärker auf sich gerichtet und kaum interessiert an Kontakten zur nichtmuslimischen Bevölkerung. Deren Islamverständnis ist in der Tendenz erzkonservativ bis fundamentalistisch. "Ich sage, was ich denke, dann können alle damit umgehen" In Bielefeld sucht die Milli-Görus-Gemeinde Hicret an der Windelsbleicher Straße Kontakt nach außen über das Gremium Stadtteilkonferenz Brackwede. Bielefelds Integrationsratsvorsitzende Mehmet Ali Ölmez schätzt das, will es aber nicht überbewerten. Ölmez gilt als kritischer, aber geachteter Ansprechpartner in den Moscheen. "Ich sage, was ich denke, dann können alle damit umgehen." So spricht er finanzielle Ungereimtheiten in Moscheen, von denen er hört, ebenso an wie fundamentalistische Tendenzen oder politische Auslegungen. Deutliche Worte gibt es von ihm zu hören, wenn islamische Verhaltensregeln, wonach Frauen fremden Männern die Hand nicht geben dürften oder zum Kopftuch gezwungen werden vertreten werden; ebenso, wenn Bücher verkauft werden, die Maßregelungen für Frauen im Namen des Islam beinhalten. Auch das gab es schon. "Bei der Mehrheit sehen wir eine politische Distanzierung" "Der Einfluss Erdogans auf die Moscheen ist da", sagt Ölmez. Manche Vorstände hätten schwer damit zu kämpfen, diese konfliktträchtige Einmischung fern zu halten. Er sieht den "langen Arm der AKP" allein dadurch, dass die türkische Regierung den Ditib-Gemeinden die Vorbeter schicken und finanzieren. Selvet Kocabey, Vorstandsmitglied des Bündnisses der Islamischen Gemeinden und selbst im Vorstand der Milli-Görus-Gemeinde Hicret, bewertet die Lage milder. "Sicherlich gibt es Vereine, die politisch instrumentalisiert werden", sagt er. "Aber in der Mehrheit dieser Ortsvereine, die immer von örtlichen Vorständen geführt werden, sehen wir eine zunehmende politische Distanzierung." Politik habe in einer Moschee nichts zu suchen. Moscheen seien Orte, die von Menschen unterschiedlicher politischer Einstellungen besucht würden. "Daher darf es nicht sein, dass bestimmte politische Richtungen vertreten werden. Keine Moschee kann sich leisten, Spielball einer politischen Agenda zu werden." "Kontakte laufen fast immer über Einzelpersonen" Die Evangelische Kirche Bielefeld vertraut vor allem auf persönliche Kontakte. Zusammen mit Muslimen wird unter anderem das Abrahamsfest gefeiert. "Die Kontakte laufen fast immer über Einzelpersonen", sagt Uwe Moggert-Seils, Sprecher des Kirchenkreises. Amin Alich vom Islamischen Zentrum an der August-Bebel-Straße etwa sei sehr interessiert an Zusammenarbeit. Er sucht Verbindungen. Allerdings kam die Moschee in die Kritik, als sie 2018 einen Gastredner aus dem Umkreis der radikalen Muslimbruderschaft zu sich einlud. Mangel an Vertrauen macht den Umgang für beide Seiten schwierig. Die Stadtspitze sucht nach Verbindungen. Oberbürgermeister Clausen nimmt Einladungen von Moscheen an, wenn es der Terminkalender zulasse, wie sein Büro mitteilt. Aber er lässt prüfen, um wen es sich handelt. "Es wird schon hingeguckt", sagt Referentin Britta Klausing. Ein wichtiges Kriterium sei gesellschaftliches Engagement der Gemeinden. Für den Integrationsratsvorsitzenden Ölmez sind die Gespräche mit den Moscheen richtig und wichtig, er hält nur wenig von reinen Höflichkeitsbekundungen. "Alles muss offen angesprochen werden", sagt er. Nur so könne Vertrauen entstehen.

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