Bielefeld. Jedes Jahr rund um den Jahreswechsel jagen Böller und Raketen manchem Haustier einen solchen Schrecken ein, dass es in Panik das Weite sucht. In den vergangenen Tagen sind auch im Bielefelder Tierheim wieder verängstigte Tiere abgegeben worden.
Und die haben Glück gehabt - nicht selten enden die Ausflüge der Tiere tödlich, meist im Straßenverkehr. Es ist eine traurige Statistik, die die "Arbeitsgemeinschaft Silvesterhunde" auf Facebook (AG Silvesterhunde) seit inzwischen vier Jahren veröffentlicht. 965 Hunde waren demnach um den Jahreswechsel 2017/2018 entlaufen, 65 starben. Der jüngste war ein Welpe von gerade mal 12 Monaten. 533 fanden gottlob den Weg nach Hause, 367 Hunde blieben länger verschwunden.
Zwischenstand für den 1. Januar 19, 20 Uhr: 605 Hunde, davon 20 tot, mehrere schwerverletzt - und es ist nicht sicher, ob sie überleben werden. In der zweiten Januarwoche werden die endgültigen Zahlen bekannt gegeben.
Vermisstenmeldungen dokumentiert
Die AG sammelt und dokumentiert Vermisstenmeldungen von Tasso, Ebay und Facebookseiten. In den letzten Dezembertagen, über den Jahreswechsel und den ersten Januartagen recherchieren die rund 50 ehrenamtlichen Mitglieder der AG. Dass die Dunkelziffer höher ist als die recherchierten Zahlen, ist den Mitgliedern klar. Sie berücksichtigen ausschließlich gemeldete Tiere.
In Bielefeld war die Zahl der Ausreißer in diesem Jahr erfreulich niedrig. Drei Silvesterhunde, berichtet das Tierheim, seien dieser Tage gebracht worden, zwei davon schon recht alt. Viele Hundebesitzer überschätzten ihre alten, meist eher ruhigen Tiere. "Doch auch die können sich auf ihre alten Tage noch erschrecken", heißt es beim Tierheim.
Auch der Jahreswechsel 2017/2018 sei in Bielefeld ruhig gewesen, berichtet Christina Schmidt, die in Bielefeld das sogenannte Tiertaxi betreut. Sie fährt nicht mehr mobile Herrchen und Frauchen mit ihren Tieren zum Tierarzt und übernimmt für das Bielefelder Tierheim die nächtlichen Bereitschaftsschichten.
Den Jahreswechsel 2016/2017 hat sie noch gut in Erinnerung. Gleich fünf Mal rief man sie, weil ausgebüxte Tiere gesichtet worden waren.
Eine Erklärung für den glimpflichen Ausgang in den letzten zwei Jahren könnte das immer größere Bewusstsein der Menschen für den Stress und den Gefahren sein, denen die Tiere rund um den Jahreswechsel ausgesetzt sind - und die Sicherungsmaßnahmen, die damit einhergehen.
100.000 Vierbeiner als vermisst gemeldet
Ein großes Problem ist: Viele aufgefundene Tiere sind nicht gekennzeichnet. "Die Kennzeichnung eines Tieres mit einem Transponder und die anschließende Registrierung sind unerlässlich", sagt Laura Simon, Sprecherin bei Tasso. Die Tierschutzorganisation Tasso, die Europas größtes Haustierregister betreibt, verzeichnete mehr als 100.000 vermisste Vierbeiner zwischen Januar und Dezember 2018. "Sie haben sich verlaufen, wurden versehentlich eingesperrt, sind aus Schreck panisch weggerannt oder haben eine unverschlossene Tür genutzt, um dem vermeintlich verlockenden Ruf der Freiheit zu folgen."