Skurril und provokant: Pinkel-Workshop für Frauen steigt an der Uni Bielefeld

Bielefeld. Nach dem vermeintlichen Masturbations-Workshop an der Universität Bielefeld, der im Frühjahr sogar internationale Wellen schlug, veranstaltete eine Studentengruppe jetzt mit "Toilet Talks & Practice: Pissen gegen das Patriarchat" erneut einen provokanten Kursus. Orgien wurden im April befürchtet, die Rolle der Universität als Bildungsinstitut infrage gestellt. Diskussionen um eine angebliche Verschwendung von studentischen Geldern inklusive. Wollüstige Ausschweifungen oder kollektives Gestöhne gab es im Frühling nicht. Und jetzt? "Das Motto lautete: alles kann ausprobiert werden, nichts muss", erklärt Mitorganisatorin Anna (Name geändert). Master-Arbeit zum Thema Urinieren Geforscht wird zu allen möglichen menschlichen Bedürfnissen. Zum Schlaf, zum Essen, zur Sexualität. Marka Pi (Pseudonym), Referentin des Workshops, beschäftigt sich in ihrer Masterarbeit mit dem Urinieren. "Im Laufe meines Lebens fiel auf, dass es als Mensch mit Vulva nicht so einfach ist, dem Bedürfnis nachzugehen", erklärt sie. Sei es auf Festivals, bei Demonstrationen oder im Stadtpark, der Toilettengang gestaltet sich gerade für Frauen häufig als schwierig. Pi weiß auch, wieso: "Die Stadt ist von Männern für Männer geplant." Dass öffentliche Urinale häufig kostenlos seien, für die Benutzung von Sitztoiletten aber oft 50 Cent Gebühr fällig würden, ist für sie ein weiteres Indiz für diese These. Erst Erfahrungsaustausch, dann Praxis "Die Art und Weise, wie wir urinieren, ist antrainiert", glaubt die Referentin. "Ich stelle mich nicht wie selbstverständlich an einen Baum und pinkele los", sagt sie und identifiziert das Wildurinieren als offensichtliche "Zelebration der Männlichkeit". Viele Herren gäben viel auf ihren Penis - "das will ich brechen". Denn Pinkeln im Stehen, das könnten Frauen auch, wie Pi versichert. Und viele täten das bereits, wenn sie gezwungen seien, dreckige, öffentliche Toiletten zu benutzen. Pi selbst geht noch weiter: "Ich kann genau so gut Urinale nutzen und mache das auch." Auf Hintergründe und Erfahrungsaustausch folgte deshalb im Workshop ein Praxisteil, in dem unter anderem Fingertechniken vorgestellt wurden und die weibliche Anatomie betrachtet wurde. "Wo ist meine Harnröhre und inwiefern muss ich meine Genitalien anfassen, um den Strahl zu lenken", erläutert Pi. Außerdem bastelten die Teilnehmerinnen Urinellas, trichterartige Urinierhilfen für die Frau, aus alten Tetrapaks. Diese sollen für Erleichterung sorgen, wenn kein WC zu finden ist. Facebook-Nutzer: "Das ist doch Satire" Der Titel der dreistündigen Veranstaltung, die mit Geldern des Asta (Allgemeiner Studierendenausschuss) finanziert wurde, macht zweifelsohne neugierig. "Ich kann verstehen, dass Leute nachfragen", sagt Marka Pi. Online gab es weitgehend Kritik. Einige männliche Facebook-Nutzer (beim Veranstaltungshinweis für die Aktionstage "Gesellschaft-Macht-Geschlecht" an der Uni Bielefeld) schätzten die Veranstaltung im Vorfeld als Satire ein, andere hielten mit ihrer abschätzigen Meinung kaum hinterm Berg. In einem Kommentar wird den Teilnehmerinnen beispielsweise geraten, die Aktion zu filmen und an eine perverse Website zu verkaufen. Ein anderer User meint, die Studierenden gehörten "in die Geschlossene". Ort und Zeit des Workshops geheim "Es ist interessant, was das für Kommentare sind", findet die Referentin. Drohungen seien dabei und wirklich eklige Beiträge. "Die meisten haben einfach keine Substanz", urteilt Pi und mutmaßt, dass es sich wohl um Männer handele, die sich "in ihrer Männlichkeit bedroht" fühlten. Ort und Zeit des Workshops wurden geheimgehalten. Wohl aber nicht, weil die Organisatorinnen Störungen befürchteten. "Das Thema Urinieren ist ein sensibles Thema", erklärt Studentin Anna, deshalb sollte den Teilnehmerinnen ein Schutzraum geboten werden.

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