
Bielefeld. Den Morgen vergisst Holger Bekel-Kastrup nie. Beim Öffnen des Fensters stutzte er: Neben bekannten Vogelstimmen hörte der Biologe, der mit seiner Familie in Theesen wohnt, noch etwas anderes. "Es erinnerte mich an den Kontaktruf eines Nymphensittichs", erzählt der 48-Jährige. Später machte er einen Spaziergang mit Sohn Michel. Plötzlich ertönte lauter Gesang. Bekel-Kastrup war klar: "Das muss etwas ganz Besonderes sein." Er informierte Ornithologen aus der Region. Am frühen Abend waren sich alle einig, dass es sich um einen Buschrohrsänger handelt.
15 Experten lauschen dem beeindruckenden Gesang gemeinsam
"Hier war sehr viel los. Es sind auch Ornithologen aus Osnabrück und Herford gekommen", berichtet Bekel-Kastrup. Rund 15 Experten hätten sich schließlich auf dem Gelände befunden und dem beeindruckenden Gesang gelauscht. "Je länger ich zuhörte, desto sicherer konnte ich alle mir bekannten Arten ausschließen", sagt der Pädagoge. Das Ereignis sei zwar schon über ein Jahr her. Wenn er an den Tag im Juni denkt, leuchten seine Augen aber immer noch. Gemeinsam mit Eckhard Möller, Dirk Wegener und Meinolf Ottensmann sei das Rätsel um die Frage, um welchen Vogel es sich handelt, dann gelöst worden. Am nächsten Tag hatte sich der weit gereiste Gast wieder auf den Weg gemacht.
Erst vor einigen Wochen hat die Deutsche Avifaunistische Kommission (DAK) die Sichtung anerkannt. Vorher hatte bereits die entsprechende Kommission in Nordrhein-Westfalen grünes Licht gegeben - und den kleinen Sänger zum Vogel des Monats November erklärt.
Das vorhandene Tondokument wurde wissenschaftlich untersucht. "Zwar waren viele Leute mit guten Kameras vor Ort. Der Vogel hat sich aber leider immer wieder versteckt, so dass keine Bilder gelungen sind", berichtet der Lehrende am Oberstufenkolleg. Er habe zumindest eine Tonaufnahme mit dem Handy machen können: "Ich hatte Glück, dass die Verkehrsgeräusche an der Theesener Kreuzung eine Pause einlegten. Daher gelang mir eine halbwegs geeignete Audioaufnahme, die später der entscheidende Beleg für den Vogel werden sollte."
Der dreifache Vater erkennt Hunderte Vogelstimmen
Der Ornithologe und Verhaltensforscher Hans-Heiner Bergmann verfasste einige Standardwerke und gilt als Experte für Vogelstimmen. Seine Einschätzung: "Für einen Buschrohrsänger spricht das maßvolle Tempo, auch der Wechsel zwischen phrasierten Kurzelementen und tonalen Elementen - und einigen Imitationen." Der Wissenschaftler tippte auf ein unverpaartes Buschrohrsänger-Männchen.
Holger Bekel-Kastrup, der auch Mitglied im Nabu und im Verein Ravensberger Lichtlandschaften ist, hat sich schon als Jugendlicher für Tiere und Pflanzen interessiert. Hunderte von Vogelstimmen kann der dreifache Vater unterscheiden. "Ich war schon immer auf dem Weg zum Tierforscher", sagt er und lacht. Auch sein Vater habe sich mit Vögeln beschäftigt. Im naturnahen Garten der Familie gibt es Nistkästen für Mauersegler, ein großes Insektenhotel und bienenfreundliche Pflanzen.
Der aufmerksame Familienvater hat beobachtet, dass seit einigen Jahren immer mehr Tierarten aus dem Norden zu uns gekommen sind.
INFORMATION
Einmaligkeit bestätigt
- Die Deutsche Avifaunistische Kommission (DAK) hat im September 2018 bestätigt, dass es sich um den ersten Buschrohrsänger handelt, der jemals in Nordrhein-Westfalen festgestellt und dokumentiert wurde. In der Kommission sind landesweit alle ornithologischen Verbände zusammengeschlossen. Sie vertritt etwa 11.000 Ornithologen und Vogelbeobachter.
- Auf der Internetseite: www.sturmmöwe.de werden Vogelbeobachtungen in Ostwestfalen-Lippe gemeldet.
- Der Buschrohrsänger ist 11 bis 17 Zentimeter groß und 9 bis 15 Gramm schwer. Er kommt in Finnland, Russland und dem Baltikum vor.