Messer sind beliebte Begleiter von Bielefelder Jugendlichen

Das Thema Messergebrauch unter Jugendlichen ist zurzeit sehr präsent. Es vergeht kaum eine Woche ohne eine Meldung, dass bei einem Streit ein Messer gezogen wurde. Immer häufiger enden die Konflikte tödlich oder mit schweren Verletzungen. Die Gründe, warum ein Messer gezogen wird, werden scheinbar immer banaler. In einem Fall hat vor kurzem in Dortmund eine 16-Jährige eine 15-Jährige erstochen, weil sie ihre Jacke mit Ketchup befleckt hatte, in Lünen stach ein 15-Jähriger auf einen 14-Jährigen, weil dieser seine Mutter falsch angeschaut hatte. Und erst am Dienstag stach ein 25-Jähriger in Harsewinkel mit einem Messer auf einen 24-Jährigen ein – die Hintergründe der Tat sind noch nicht bekannt. Die Polizei spricht von einer erhöhten Selbstbewaffnung unter Jugendlichen. Die Polizeigewerkschaften fordern eine bundesweite Erfassung – denn die fehlt bislang. Gespräche mit Jugendlichen aus Bielefeld zeigen, dass das Thema auch hier angekommen ist. Kampfmesser um die Wade geschnallt Es ist Schulschluss, Freitagnachmittag 14 Uhr. Die Innenstadt in Bielefeld ist gut gefüllt, einige Jugendliche haben unverkennbar ihre Schultaschen dabei. Doch nicht nur die. Auf die Frage, ob sie ein Messer bei sich tragen, zögern einige, schauen verunsichert zu Seite. Ein Jugendlicher, 15 Jahre alt, grinst und nickt ohne zu zögern. &bdquo;Klar, willst du es sehen?" Ich will, und so zieht er seine Jeanshose hoch. Um seine Wade ist ein Messer geschnallt. Aber es ist nicht irgendein Messer. Feststehende Klinge, bestimmt 15 Zentimeter lang. Kategorie: Kampfmesser. Wofür braucht ein 15-Jähriger so etwas? &bdquo;Man muss vorbereitet sein. Wenn jemand ein Messer zieht, kann ich reagieren", sagt der Bielefelder. Er klingt abgeklärt, macht aber auch den Eindruck, dass er gern mit seinem Begleiter an der Wade angibt. Er erzählt von Konflikten, fast immer wären dabei Messer zu sehen – meist im privaten Umfeld, manchmal auch auf dem Schulhof. Der Gefahr, dass er mit seinem Messer nicht nur verletzen, sondern sehr wahrscheinlich sogar auch töten kann, ist er sich nicht bewusst oder es ist ihm egal: &bdquo;Hauptsache ich werd nicht abgestochen." Messer sind legitimer Begleiter geworden Genau diese Einstellung ist laut Polizei aber so gefährlich. Sie deutet zudem die geringe Hemmschwelle an, das Messer tatsächlich einzusetzen. Zudem gibt es klare Gesetze, welche Messer in Deutschland verboten oder erlaubt sind, auch wenn manche Grenzen etwas schwammig sind. Messer mit feststehender Klinge, die länger als 12 Zentimeter ist, sind in Deutschland verboten. Nur mit berechtigtem Interesse, zum Beispiel als Angler oder Jäger, darf man ein solches Messer bei sich tragen. Nicht erlaubt ist es jedoch, ein solches Messer zur Verteidigung mit sich zu führen. Ebenso verboten sind messer, bei denen sich die Klinge mit einer Hand feststellen lässt, zum Beispiel Springmesser.Einige Meter weiter steht eine Gruppe Mädchen zusammen. Von ihnen hat keine ein Messer dabei, schlimm fänden sie es aber auch nicht. &bdquo;Ich kann das schon verstehen. Haben Sie sich mal die Menschen angeschaut, die abends in der Stadtbahn sitzen? Also da würde ich mich mit einem Messer auch sicherer fühlen", sagt die 14-Jährige, und ihre Freundin erzählt, dass sie sogar schon darüber nachgedacht habe, eins zu besorgen. "Wenn es ernst wird, habe ich keinen Bock, den Kürzeren zu ziehen" Schwierig ist das wohl nicht. Auch die Polizeibeamten wissen, dass Messer ohne Probleme zu erwerben sind. In jedem Supermarkt gibt es sie. Ein kleines Taschenmesser zu kaufen, ist unkomplizierter als Pfefferspray. Und die meisten Jugendlichen sind mit ebensolchen kleinen Taschenmessern unterwegs, bei denen sich die Klinge ausklappen lässt. Auch die 17-jährige Abiturientin hat so eins dabei. Benutzt hat sie es noch nie, aber sie fühlt sich sicher, wenn sie weiß, dass es im Notfall da wäre. Vor dem Einkaufscenter treffe ich auf einem 23-Jährigen mit einem Springmesser. &bdquo;Naja, wenn es ernst wird, wird es ernst. Ich habe keinen Bock, dabei den Kürzeren zu ziehen", sagt er und lacht. Auf die Frage, ob er sich dem Risiko eines Einsatzes bewusst sei, antwortet er ernst: &bdquo;Klar bin ich das. Es kann immer jemand sterben. Es stirbt fast täglich jemand. Und ich möchte nicht der Nächste sein. Ein Messer schafft Respekt – und Abstand." Erfassung ist längst überfällig Das Gefühl, dass die Straftaten mit Messern mehr werden, wird noch länger ein Gefühl bleiben. Dennoch hat nicht nur der Jugendliche mit dem Springmesser dieses Gefühl. Auch die Bielefelder Beamten und ihre Vertreter von der Polizeigewerkschaft. Doch bislang werden Messer in der Polizeistatistik gar nicht aufgelistet. Das möchten Polizisten und Zivilisten ändern. Die Erfassung löst zwar das Problem nicht, würde aber helfen es zumindest sicht- und belegbar zu machen, sodass dann weitere Schritte folgen können. Ein generelles Waffenverbot an bestimmten Orten wird jetzt bereits diskutiert. Übrigens auch unter den Jugendlichen. Denn obwohl zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene ein Messer bei sich trugen, gab es auch immer noch solche, die es nicht in Ordnung finden. &bdquo;Ich hatte früher immer ein Taschenmesser zum Schnitzen dabei, habe aber nie daran gedacht, mich damit zu verteidigen", sagt ein 23-Jähriger. Er findet es furchtbar, dass viele Jugendliche hemmungslos mit diesem Thema umgehen: &bdquo;Vielleicht würde ein bisschen mehr Präventionsarbeit helfen."

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