Polizei wirbt mit Fitnesskurs in Bielefeld um sportlichen Nachwuchs

Bielefeld. Unternehmen kämpfen in Zeiten von demografischem Wandel und Wirtschaftsboom immer heftiger um junge Fachkräfte. Mit der privaten Konkurrenz messen muss sich die Bundespolizei. 7.000 neue Stellen bis 2020 hat die Regierung 2016 angekündigt. Um Anwärter zu rekrutieren, wirbt die Behörde neuerdings da, wo sie den ehrgeizigen, begeisterungsfähigen Nachwuchs in der Freizeit vermutet: im Fitness-Studio. Dort bieten Beamte Sportkurse. Premiere der Aktion war jetzt im Studio "All inclusive" an der Werner-Bock-Straße. Offensichtlich wird der außergewöhnliche Besuch dort allen Mitgliedern schon am Eingang: Drei Einstellungsberater der Polizei bilden das Empfangskomitee am Vorabend. In voller Montur, gut aufgelegt, jovial. Die Spezialisten tingeln auch über Jobmessen. Akquise wie bei Großkonzernen. Annabell und Mert heißen die beiden "Vorturner" im Kursraum. Sie sind die Gesichter der deutschlandweiten Kampagne "Fit wie ein Bundespolizist". Sie Kommissaranwärterin, er Meisteranwärter, beide Anfang 20, athletisch und energiegeladen, strahlendes Lächeln wie beim Popstars-Casting. Bekannte "Vorturner" aus Internetvideos Stationiert sind sie in Bayern und Hessen, in Bielefeld schieben sie quasi Sonderdienst. Sie laufen im Sportdress auf, denn so kennen sie auch zigtausende Internetnutzer der Videoplattform Youtube: Annabell und Mert führen im Polizeikanal durch ein Fitness-Programm, das sich an den Einstellungstest-Anforderungen orientiert. "Wer das Training durchzieht, bestünde den Test", sagt Polizeisprecher Günter Grutter, der seine Schützlinge nach Ostwestfalen begleitet hat. Zufrieden blickt Grutter vor dem Startschuss in den Kursraum, denn dort versammelt sich die angepeilte Zielgruppe: Jugendliche und junge Erwachsene. Älter als 33 Jahre dürfen Bewerber - mit Ausnahmen - zu Ausbildungsbeginn im gehobenen Vollzugsdienst nämlich nicht sein. "Für den mittleren Dienst ist die Grenze generell bei 27 Jahren." Prompt Interessenten zu angeln, das sei der Idealfall, aber nicht nötig. Wahrgenommen zu werden als Berufsalternative habe Priorität. "Wir sammeln hier ja nicht Bewerbungsunterlagen." Es geht ums Kontakteknüpfen, die Polizei will gedanklich andocken. Die Tür geht zu, dann legen Annabell und Mert los. Sie haben eine komprimierte Version ihrer Youtube-Übungen mitgebracht. Rund 60 Teilnehmer sind dabei, und es kommen immer mehr hinzu. "Beachtliche Resonanz", findet "All inclusive"-Studioleiter Henning Zetsche. Imagepflege kommt offenbar an Auf Isomatten wird zu Elektro-Musik gehopst, gelaufen und gedehnt, es gibt Liegestützen, Kniebeugen und Strecksprung, später ein Kräftemessen. Die beiden Asse fungieren als Animateure, es wird geduzt. Drill? Fehlanzeige. Konzentriert sind die neugierigen Teilnehmer sowieso. Das blaue Shirt mit Polizeiemblem, das Annabell und Mert tragen, wirkt modisch und ähnelt mutmaßlich bewusst Bundesligatrikots. Textile Image- und Markenpflege. Würde Polizeisprecher Günter Grutter nicht in Uniform am Seitenrand wachen, man würde die Polizeipräsenz wohl vergessen. Rund eine Stunde dauert Übungseinheit Nummer eins. Zumindest der Dress hat offenbar schon den erhofften Effekt: "Hat mehr Style als gedacht", sagt Timo Meier, 19-jähriger Abiturient aus Heepen. Auch die Übungen hätten Spaß gemacht. Ob er zur Polizei wolle? "Mal schauen." Ein Info-Blättchen nehme er jedenfalls mit. Meier wirkt ausgepumpt. Nadine Waschke (33) sagt indes verschmitzt, dass sie sich das Training härter vorgestellt habe. "Schließlich ist es die Polizei." Weil jeder Kursteilnehmer auf dem Weg zu Übungseinheit Nummer zwei in den Raum nebenan muss, kommt auch jeder wieder an den Einstellungsberatern im Flur vorbei. Etliche bleiben hängen. Günter Grutter freut's. Als "niedrigschwelliges" Angebot sei der Kurs angelegt, also unaufdringlich und locker. Das Konzept ist jung, die Stippvisite in Bielefeld ein - bislang - einmaliger Testballon. Der Auftakt dürfte im Potsdamer Behörden-Hauptquartier als Erfolg verbucht werden.

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