Was kaum jemand weiß: In Bielefeld wurde einst Gips abgebaut

Bielefeld. "Ein richtiges Bergwerk in Bielefeld, so was gibt's hier nicht!" Gibt es nicht mehr, muss es richtig heißen. Denn bis Ende 1981 waren Bergleute unter Tage damit beschäftigt Gips abzubauen. Dann wurde das Bergwerk wegen Unwirtschaftlichkeit für immer geschlossen. Nachdem über Jahre der Gips, der für die Herstellung von Zement benötigt wird, noch relativ leicht über Tage abgebaut werden konnte, ging es 1967 in die Unterwelt. Die Gipsbergwerk Stieghorst GmbH aus Paderborn hatte eine Fläche von etwa 50 Hektar zwischen Osningstraße und Lipper Hellweg gepachtet. Fünf Grundeigentümer freuten sich über die Bodenschätze. Denn nach dem Bundesberggesetz ist das Mineral Gips, sofern es unter Tage gefördert wird, Eigentum der Grundbesitzer. Zu ihnen gehörten unter anderem auch die Stadt Bielefeld und der Landwirt Brüntrup. Insgesamt 30 Kilometer weit verzweigte Stollen wurden innerhalb 15 Jahren Förderzeit in den Fuß des Teutoburger Walds hineingetrieben. Die Sohlen liefen teilweise übereinander und waren vier Meter hoch und acht Meter breit. Zu besten Zeiten wurden jährlich 100.000 Tonnen des wertvollen Minerals gefördert. Die gesamte Arbeit unter Tage wurde von nur acht Kumpeln verrichtet. "Sauber ausgefräste Wände, wie ein riesiger U-Bahn-Tunnel. Fast alle 20 Meter kreuzen sich die Stollen, die rechts und links in einem unergründlichen Dunkel enden. Im weißen Licht der Grubenbeleuchtung können wir eine riesige Maschine im Staub erkennen. Wir sind von diesem überdimensionalen Jahnplatztunnel fasziniert", beschreibt ein Zeitungsredakteur die damalige Bergwerksbesichtigung. Schon 1976 steuerte ein Laserstrahl die 63 Tonnen schwere Schneidemaschine, die pro Stunde einen Meter Stollen schnitt und dabei 70 Tonnen Gips abbaute. Der zwölf Meter lange Koloss fraß sich mit zwei Schneidköpfen durch das Gebirge. Damals kostete so eine Maschine eine Million D-Mark. Durch gute lüftungstechnische Einrichtungen konnten im Bergwerk auch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren in einer Tiefe von bis zu 122 Metern betrieben werden. Soweit reichte der Gips in die Erde. Zwei Traktoren mit Hänger und zwei große Radlader schafften den abgebauten Gips auf das Förderband. Ein Rüttler zerkleinerte ihn in handliche Stücke, über Tage wurde er in zwei Silos gelagert. 1982 machte das Gipsbergwerk dann dicht. Es lohnte sich nicht mehr. Zehn Meter hohe Pfeiler, die die Bergleute zur Stabilität in den Stollen stehenließen, sollten für immer verhindern, dass es zu Einbrüchen unter Tage und damit auch zu Bewegungen an der Erdoberfläche kommt. Hohlräume füllen sich mit Wasser, die Stolleneingänge werden zugemauert. Nur zwölf Jahre später stellen die Bewohner in Stieghorst Risse in Straßen und Bodenabsenkungen fest. Doch ein Gutachten des Bergamtes Hamm beruhigte. Es bescheinigt "Standsicherheit der Tagesoberfläche im Bereich des aufgegebenen Gipsbergwerkes". Schon kurze Zeit später taten sich neue Risse und Löcher auf. Auf einem Acker südöstlich des Jagdweges sackte der Boden ab, kleine Krater bildeten sich. Nach einem aufwendigen Bohrverfahren bescheinigte das Bergamt erneut absolute Sicherheit für alle Bewohner. Doch die Erde in Sieghorst kommt nicht zur Ruhe. Vor zehn Tagen senkte sich die Straße Am Schiffberge massiv auf einer Länge von rund 20 Metern. Der Asphalt riss auf, die Straße ist seitdem unpassierbar. Das Bergamt der Bezirksregierung Arnsberg war inzwischen vor Ort und hat den Schaden begutachtet. Die Ursachen sind noch nicht bekannt. Die Anwohner sorgen sich und befürchten, dass irgendwann auch ihr Haus betroffen ist.

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