Bielefeld/Paderborn

Bielefelderin kämpft auf Youtube gegen Rassismus

Video-Gruppe „Datteltäter“ hat schon 3.000 Abonnenten / Satire-Kanal präsentiert sich auf Digitalkonferenz Republica in Berlin

Kreativer Kopf: Farah Bouamar ist Mitglied der Youtube-Gruppe "Datteltäter". | © Annika Falk-Claußen

04.05.2016 | 04.05.2016, 23:41
Beim Auftritt auf der Republica: Farah Bouamar (v.l.), Fiete Aleksander, Nemi El-Hassan und Marcel Sonneck. - © re:publica/Jan Zappner
Beim Auftritt auf der Republica: Farah Bouamar (v.l.), Fiete Aleksander, Nemi El-Hassan und Marcel Sonneck. | © re:publica/Jan Zappner

Berlin/Paderborn/Bielefeld. Sie nennen sich „Datteltäter" und nehmen in ihren Videos auch mal die IS-Kämpfer aufs Korn. Zu der Gruppe, die sich als „deutsch-muslimisches Empörium" zusammengetan hat, gehört auch Farah Bouamar, eine gebürtige Bielefelderin, die in Paderborn Philosophie und deutschsprachige Literaturen studiert.

Ehrenamtlich betreibt sie das Satire-Format "Datteltäter", mit dem sie medienwirksam Diskussionen zu gesellschaftskritischen Themen wie Rassismus, Sexismus und andere aktuelle Sujets anstoßen möchte. „Wir versuchen, bestimmte Stereotype und Vorurteile zu entlarven", sagt die 24-Jährige, die sich zusammen mit Younes Al-Amayra, Marcel Sonneck, Nemi El-Hassan und Fiete Aleksander die "Datteltäter" nennen – vier Berliner, eine Bielefelderin, vier Muslime, ein Konvertit, ein Christ. Den Namen „Datteltäter" haben sie vor einigen Monaten gewählt, weil die Dattel für sie etwas Positives bedeutet. „Wir verüben Attentate auf die Köpfe der Menschen mit einer positiven Frucht", erklärt Farah Bouamar symbolisch. Damit kommen sie an – ihr Youtube-Kanal hat 3.000 Abonnenten, bei Facebook folgen schon fast 10.000 Fans den „Datteltätern". Ende Mai tritt die Gruppe bei der „Tincon" in Berlin auf, dem ersten „Festival für digitale Jugendkultur".

Information

Republica

  • 8.000 Teilnhemer hörten bei der Republica vom 2. bis 4. Mai in Berlin mehr als 500 Stunden Programm von rund 850 Rednern aus 60 Ländern an

  • Iniitiert 2007 von den Blogs netzpolitik.org und Spreeblick ist sie heute eine der weltweit wichtigsten Konferenzen zu Themen wie digitale Gesellschaft, Web 2.0, soziale Medien und Blogs

  • Die Republica wird gefördert vom Medienboard Berlin-Brandenburg und der Bundeszentrale für politische Bildung

  • Der Name leitet sich von „res publica" (deutsch: öffentliche Sache") ab

Die fünf Mitglieder setzen ihre Gesellschaftskritik satirisch um – in Videokunst und Live-Performances. In einem Video-Beitrag, den die „Datteltäter" bei der Republica, der größten europäischen Konferenz im Digitalbereich, vorgespielt haben, lesen sie die Nutzerkommentare vor, die sie bei Facebook bekommen haben. Dahinter steckt viel rechte Gesinnung. „Aber es geht auch um Alltagsrassismus, der inzwischen salonfähig geworden ist und nicht so einfach zu entlarven ist", sagt Farah Bouamar, die sich selbst als "mehrdimensionale Erscheinung" beschreibt: Sie ist Deutsche, Ostwestfälin, Hijab-Trägerin, ihre Eltern stammen aus Marokko, sie interessiert sich für Mode, schnelles Autofahren, Fußball. Das führt bei ihrem Gegenüber zu unterschiedlichen Reaktionen, auch Diskriminierung.

Vorträge über Feminismus, Islam und kreatives Schreiben

Durch ihre Diskriminierungserfahrungen möchte sie sich aber nicht demotivieren lassen, sondern aktiv werden. Vor allem muslimische Frauen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, möchte sie inspirieren und motivieren. „Sie sollten präsent sein, gehören auf die Bühne." Sie selbst findet man nicht nur bei Youtube, sondern auch auf der Poetry-Slam-Bühne. Immer wieder hält sie zudem Vorträge, zum Beispiel über Feminismus und den Islam oder kreatives Schreiben. Sie setzt sich für die Gleichberechtigung aller Frauen ein, hat sich im Studium unter anderem auf Rassismus und Genderdiskurse spezialisiert. Bei der Republica sprach die 24-Jährige auf einem Podium zum Thema „Terror ernst nehmen, Terroristen auslachen".

Philosophie studiert Farah Bouamar, weil sie die Fragen mag, die gestellt werden, um den Kulturkreis Deutschland/Europa zu verstehen. „Diese Fragen haben meinen Blick geschärft für bestimmte Dinge", das habe ihr auch für ihre satirischen Beiträge geholfen. Privat sieht die Leseratte sich gerne „Die Anstalt" (ZDF) an, schätzt Hagen Rether, Volker Pispers und Serdar Somuncu oder Philosophen aus dem arabischen Raum. Auch die Diskussionen um Jan Böhmermann hat sie natürlich verfolgt. Für Farah Bouamar braucht es für Satire eine gewisse Sensibilität. „Wir dürfen, wenn wir Rassismus thematisieren, selbst nicht rassistisch werden", sagt sie. Ihr Ziel sei es, die Gesellschaft zusammenzubringen und nicht zu spalten. „Humor und Satire kennt keine Grenze, aber wir müssen immer beide Meinungen vereinen."

Gerade ist sie dabei, ihr Bachelor-Studium zu beenden. Danach soll ein Masterstudium folgen, vielleicht eine Doktorarbeit. Ein halbes Jahr hat sie bereits als Dozentin in Tunesien verbracht. Die Lehre macht ihr Spaß. Und natürlich die ehrenamtliche Arbeit mit den „Datteltätern", mit denen sie sich in der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft sieht, die sie für gewisse Themen sensibilisieren möchte. Die fünf haben eine Nische entdeckt, eigene Bilder zu schaffen und gehört zu werden -  fernab von Fremdzuschreibungen und Vorurteilen.

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