Bayerische Tracht

Bielefelder machten das Dirndl erst schick

Die jüdischen Geschäftsleute Moritz und Julius Wallach aus Bielefeld veredelten die zuvor bodenständige Version des Trachtengewands. Sie belieferten von München aus den europäischen Hochadel und machten das Dirndl salonfähig.

Die Brüder aus Bielefeld machten das Dirndl salonfähig. Aus ihren oft vielfarbig bedruckten Stoffen, meist Seide, fertigten fleißige Näherinnen die ersten eleganten Trachtenkleider. | © (c) dpa-Zentralbild

Heidi Hagen-Pekdemir
24.09.2024 | 24.09.2024, 11:24

Bielefeld. Das Dirndl hat in Bielefeld eine ähnliche Tradition wie der Weihnachtsbaum in der islamischen Welt. Dass es ausgerechnet zwei Bielefelder waren, die der Arbeitskleidung für Mägde zum Kultstatus verhalfen, dürfte zu Oktoberfest-Zeiten trotzdem manchen interessieren.

Zu verdanken ist das den Brüdern Moritz und Julius Wallach. Die jüdischen Geschäftsleute haben 1890 das legendäre Münchner Volkskunsthaus gegründet. Aus ihren oft vielfarbig bedruckten Stoffen, meist Seide, fertigten fleißige Näherinnen die ersten eleganten Trachtenkleider. Diese trugen die Damen der Gesellschaft zunächst in der Sommerfrische in den Alpen zur Schau.

Das Dirndl wurde mit der Zeit salonfähig. Mit ihren handgenähten Unikaten waren die Händler schon bald Lieferanten des europäischen Hochadels. Für die Ehefrau des Prinzen Joachim von Preußen entwarfen sie ebenfalls ein Modell. Die Prinzessin soll damit bei einem Ball in Paris Aufsehen erregt haben.

Zum 100-jährigen Jubiläum des Oktoberfests gelang der Durchbruch

Fein rausgeputzt: Moritz (r.) und Julius Wallach (2. v. r.), trugen selbst Lederhose. Das Foto, eine Atelieraufnahme um 1900, zeigt sie mit ihrer Mutter Julie (l.) und den Geschwistern Else und Adolf. - © Archiv
Fein rausgeputzt: Moritz (r.) und Julius Wallach (2. v. r.), trugen selbst Lederhose. Das Foto, eine Atelieraufnahme um 1900, zeigt sie mit ihrer Mutter Julie (l.) und den Geschwistern Else und Adolf. | © Archiv

Auch Trachtenschauen zur Faschingszeit machten die Mode aus dem Hause Wallach populär. Der Durchbruch kam 1910 zum 100-jährigen Jubiläum des Oktoberfests, als die Brüder aus Bielefeld kostenlos den Landestrachtenzug ausstatteten. Für seine Großzügigkeit wurde Julius Wallach mit dem Titel des königlichen Hoflieferanten bedacht.

Richtig in Mode kam die Tracht, meist mit tiefem Dekolleté und niemals ohne Schürze, nachdem die Operette „Zum weißen Rössel“ 1930 das Berliner Publikum von den Stühlen riss. Die Wallach-Brüder hatten die Bühnenkostüme geliefert.

Die Brüder emigrierten in die USA

Auch die Machtergreifung durch die Nazis konnte den Geschäftserfolg zunächst nicht schmälern. Selbst Adolf Hitler und der ihm nahestehende Politiker Hermann Göring sollen an Wallach-Trachten Gefallen gefunden haben.

Als Juden gehörten die Kaufleute irgendwann nicht mehr zur Gesellschaft. Nachdem 1937 die Arisierung begann, sprach im selben Jahr die Reichskammer der bildenden Künste Max Wallach die „Eignung und Zuverlässigkeit“ ab, an der Förderung deutscher Kultur mitzuwirken. Wallach verkaufte sein Geschäft weit unter Preis und emigrierte in die USA, wenig später gefolgt von seinem Bruder Julius.

Auch heute noch Chick: Das Dirndl auf dem Oktoberfest

Das Dirndl als cooles Outfit hat längst internationale Designer wie Dolce & Gabbana inspiriert. Und jedes Jahr im Oktober „dirndlt“ es dann auch in Bielefeld und Umgebung. Denn nicht nur die Wiesn in München lockt in der Herbstzeit in die Festzelte zum Oktoberfest. Auch in Ostwestfalen steigt vielerorts die Party mit Maßkrügen, Haxn, Leberkäs, Dirndl und Lederhosen.

Zum Überblick: Hier wird in OWL das Oktoberfest gefeiert