Bielefeld

Das Ringen ums Essensgeld

Zuzahlungsverbot für Tagesmütter: Behörde wartet auf politische Entscheidung

Während die Braker Tagesmutter Kerstin Grönkowski (r.) fröhlich mit Mieke (v. l.), Emilia und Franziska spielt, umtreiben sie Sorgen. Es bleibt weiterhin offen, ob Tageseltern künftig Essensgeld zusätzlich in Rechnung stellen dürfen oder nicht. | © Archivfoto: Wolfgang Rudolf

14.08.2014 | 14.08.2014, 13:05

Bielefeld. Die Aufregung unter den 200 Bielefelder Tagesmüttern und -vätern, aber auch unter den Eltern ist seit Wochen groß. Das neue Kinderbildungsgesetz (KiBiz) schließt seit dem 1. August private Zuzahlungen der Eltern an die Tageseltern aus. Warum hat der Gesetzgeber diese überhaupt untersagt? Klaus-Heinrich Dreyer vom Landesjugendamt und Jochen Hanke vom Jugendamt antworten.

"Was aus der Sicht vieler Tageseltern Zuzahlungen waren, stellte sich beim genaueren Hinsehen oft als Doppelzahlungen heraus", so Dreyer. Das heißt, dass die zusätzlich eingeforderten Leistungen eigentlich schon über den vom Jugendamt erstatteten Stundensatz, den Tageseltern pro Kind erhalten, bezahlt worden war.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gab schon 2013 eine Empfehlung heraus, nach der eine angemessene Verpflegung mit dem Stundensatz des Jugendamtes bereits bezahlt war. "Private Zuzahlungen sind unter den Tageseltern trotzdem weit verbreitet gewesen", sagt Dreyer. "Weil das auf Landesebene nie explizit geregelt war."

Das hat der Gesetzgeber nun mit der KiBiz-Änderung nachgeholt. Dort heißt es: "Soweit Förderung in der Tagespflege nach dem Sozialgesetzbuch VIII (Paragraf 23) erfolgt, sind weitere Kostenbeiträge der Eltern an die Tagespflegepersonen ausgeschlossen." Übernimmt also das Jugendamt (abgesehen von einem Elternbeitrag) die Kostenerstattung, dürfen die Eltern nicht mehr zusätzlich zur Kasse gebeten werden.

Der Schock unter den Tageseltern war groß. Zahlreiche Tageseltern liefen gegen das neue Gesetz Sturm. Laut Andreas Siebert vom Verein Tagesmütter Bielefeld (Tamubi) drohen ihnen nicht einfach nur Einbußen, sondern auch der Verlust von individuellen Zusatzangeboten wie etwa Sprachförderung, Musikerziehung oder Ausflüge. Sogar Eltern beschwerten sich über die irritierende Gesetzesnovelle.

Siebert zögerte nach der ersten Vorstellung des Gesetzes im März keine Sekunde und besuchte Andrea Asch, landespolitische Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik der Grünen. Offenbar waren er und andere Betroffene dabei überzeugend: Auf einem Antrag von SPD und Grünen ergänzte der Gesetzgeber sehr kurzfristig vor der Beschlussfassung noch einen zweiten Satz: "Das Jugendamt kann die Zahlung eines angemessenen Entgelts für Mahlzeiten an die Tagespflegepersonen zulassen."

Immerhin. Denn Ziel der Gesetzesänderung sei die Gleichstellung von Kita und Tagesmutter gewesen. Das war für viele Tageseltern bisher nicht erkennbar: Denn die Verpflegung der Kita-Kinder in Bielefeld wird von den Eltern zusätzlich bezahlt, bestätigt der stellvertretende Jugendamtsleiter Jochen Hanke: "Wir wurden auch von dem Gesetz überrascht. Jetzt müssen wir sehen, dass wir eine Gleichheit erzeugen."

So werde aktuell geprüft, welche Zusatzleistungen außerhalb des üblichen Tagesgeschäfts liegen und deshalb von dem Zuzahlungsverbot ausgenommen sind. "Ein Beispiel dafür wäre das abendliche Babysitten, weil es außerhalb der öffentlich finanzierten Tagespflege stattfindet", so Hanke.

Hanke vermutet, dass Kommunen, die einen eher geringen Stundensatz bezahlen, eine Zuzahlung eher zulassen werden. Der Stundensatz für Tageseltern in Bielefeld liegt mit 5,50 Euro überdurchschnittlich hoch. Laut Landesjugendamt liege der Schnitt in NRW zwischen 4 und 4,50 Euro. Andreas Siebert sieht darin noch keinen Grund, die Zuzahlungen in Bielefeld abzulehnen: "Der Kita-Stundensatz in der U3-Betreuung liegt umgerechnet bei etwa 9,50 Euro. Von Gleichstellung kann da noch lange nicht die Rede sein."

Nun warten alle auf eine Entscheidung im Rathaus. Doch die Verwaltung sieht hier eine Grundsatzentscheidung, die nur der Jugendhilfeausschuss fällen kann. "Das Gesetz ist mit der Mahlzeiten-Ausnahme ein Stück weit aufgeweicht", erklärt Hanke. Ob und in welcher Höhe Zuzahlungen zugelassen werden, könne rechtlich nur auf politischer Ebene entschieden werden. Bis dahin – vermutlich bis Anfang Oktober –, greife zwangsläufig die gesetzliche Regelung des Zuzahlungsausschlusses, so Hanke.

Inzwischen lassen sich erste Tagesmütter das Essen von den Kindern mitbringen. "Da isst jedes Kind etwas anderes. Das gibt Gezanke", sagt Siebert.