
Bielefeld (aut). Erst seit 1968 ist der Missbrauch von Suchtmitteln als Krankheit anerkannt. Die Caritas richtete aber schon 1964 in Bielefeld eine Suchberatungsstelle ein. Anfangs ging es nur um Alkohol, mittlerweile hilft sie auch Abhängigen von Medikamenten, Drogen oder Nikotin. Gestern feierte die Stelle ihr 50-jähriges Bestehen. Für Leiter Norbert Beine war das auch Anlass, auf die finanziellen Sorgen hinzuweisen. Sein Appell an die Geldgeber: Unterstützen Sie die notwendige Arbeit weiter.
"Kostendruck von Seiten der Städte, Länder und Rentenversicherungen wird dazu führen, dass Einrichtungen schließen müssen, wie die Hellwegklinik in Oerlinghausen", sagte Beinke vor gut 50 Gästen. Und das Johanneswerk stelle weitere Einrichtungen auf den Prüfstand. Gerade in Bielefeld seien Suchtberatungsstellen schlecht finanziert.
Trotz der Sorgen blickte Beinke aber auch nach vorn: "Wir werden weitermachen, sicherlich auch mit viel Kreativität." Denn das, was die Bielefelder Beratungsstelle geleistet hat, kann sich durchaus sehen lassen. Rund 850 Klienten betreut sie im Jahr, Tendenz steigend. Neben Information und Beratung für Betroffene und Angehörige gehören Schulungskurse für alkoholauffällige Kraftfahrer, Raucherentwöhnungskurse, Ausbildung von ehrenamtlichen Suchtkrankenhelfern, Multiplikatorenschulungen für Betriebe, die Fachbereiche Frauen und Sucht sowie Migration und Sucht, Selbsthilfegruppen und Onlineberatung zum Angebot.
13 Mitarbeiter aus den Fachdisziplinen Ergotherapie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Pädagogik, Psychologie, Medizin und Verwaltung gehören zum Team in den Räumen des Caritasverbandes an der Turnerstraße 4. 1987 wurde der Alkoholfreie Treffpunkt für Gruppenarbeit der Beratungsstelle und der Selbsthilfegruppe an der Oldentruper Straße eröffnet.
Beinke erinnerte an die Anfänge der ambulanten Suchthilfe, deren Aufgaben sich nach und nach deutlich erweitert habe: "Aber die Grundsätze wie Nächstenliebe, Toleranz, Solidarität, gegenseitige Wertschätzung und Förderung der Individualität sind geblieben." Der Gebrauch von Suchmitteln sei so alt wie die Menschheit selbst. Und die Einstellung gegenüber dem Alkohol sei stets ambivalent gewesen: "Er wurde gelobt und besungen, aber auch verteufelt und verdammt."
Mit Anerkennung der Alkoholsucht als Krankheit wurde die Finanzierung geregelt: Therapien und Rehabilitation zahlen die Rentenversicherungen, ambulante medizinische und Krankenhausbehandlungen die Krankenkassen. Beinke: "Unser Bestreben ist, ganz frühzeitig Hilfen anzubieten."
Die Folgen von Sucht spüren auch Partner und Kinder, sagte Referentin Wibke Voigt, Chefärztin der Fachklinik in Visbeck (Sauerland). 2,5 bis 3 Millionen Alkoholabhängige gebe es bundesweit, zwei- bis dreimal soviel seien als Angehörige mit betroffen.
Die Sucht früh zu erkennen sei besonders wichtig, so Voigt, da seien auch die Hausärzte gefragt. Der richtige Weg führe dann in die Suchtberatung. Die Ärztin betonte, dass schon Gewohnheitstrinker suchtgefährdet seien: "Das Suchtgedächtnis setzt früh ein." Wer dann Alkohol rieche, Ärger oder Stress habe, greife schnell zu.