
"Immer links fahren", schreit Thomas, "immer links!" Der Fahrtwind rauscht in unseren Ohren, wir verstehen den ehemaligen Radweltmeister aus der Schweiz kaum, aber wir wissen, was er meint. Rechts ist plötzlich ein Auto um die Kurve gekommen und hätte fast Dagmar aus unserer Radlergruppe gerammt. Dagmar fuhr auf der rechten Straßenseite – auf Zypern ein schwerer Fehler. "Fahrt links, bitte, bitte!", fleht unser Rad-Guide noch einmal. In höllisch schneller Fahrt rauschen wir aus den zyprischen Bergen von Pachna hinunter zum Meer, 50 bis 60 Stundenkilometer zeigt der Tacho.
INFOS
Fremdenverkehrszentrale Zypern, Zeil 127, 60313 Frankfurt, Tel. (0 69) 251919, www.visitcyprus.com. Milde Temperaturen herrschen schon im Februar, nachts kann es kühl werden, Baden ist möglich ab Anfang April. Auf Zypern gibt es zahlreiche Radverleihfirmen mit gutem Material und versierten Führern, z. B. "Bike Cyprus" des Schweizers Thomas Wegmueller und "Zypernbike" im "Aldiana".Wenig Gegenverkehr, die Straßen im Topzustand, das Klima herrlich mild und trocken: Zypern ist ein ideales Reiseziel, um zwischen Februar und April dem deutschen Winter davonzuradeln. "Aber bitte immer links!", beschwört uns der Vorfahrer aus der Schweiz noch einmal. Machen wir. Und wers nicht kapiert, dem bindet Thomas ein weißes Band an die linke Seite seines Lenkers.
Im deutschen Spätwinter blüht Zypern bereits richtig auf: Mandelblüten, Rosen, Granatäpfel, Zitrusbäume – ein weißer bis rosafarbener Teppich legt sich über die Ausläufer des mächtigen Troodos-Massivs, das zu dieser Jahreszeit noch von einer Schneehaube gekrönt sein kann. In 1.950 Meter Höhe laufen ein paar gemütliche Schlepplifte. Auf Zypern wird der Urlaubertraum "Morgens Skifahren, nachmittags Strand" wahr.
Riesige Weinanbauflächen, schlanke Minarette, traumhafte Landschaften
Auch wir legen uns nach der atemberaubenden Abfahrt in Pissouri in den warmen Sand, unweit der Stelle, an der Aphrodite aus dem Schaum des Mittelmeers geboren wurde. Zur Stärkung wird den Radlern eine Platte zyprischer "Meze" gereicht. Das sind typische Leckereien von gefüllten Weinblättern über gebratene Zucchini bis hin zu gegrilltem Halloumi-Käse. Das gibt Kraft für die nächste Radtour. Mit dem Rad lässt sich die große Insel vor der Küste Asiens auf besondere Art entdecken. Wir strampeln durch riesige Weinanbauflächen, posieren in Granatäpfelhainen, fotografieren schlanke Minarette, die immer wieder aus der frisch grünen Frühlingslandschaft auftauchen.Die Rast in den Dörfern bringt uns mit den Zyprern ins Gespräch. Oben in Lefkara verkaufen sie gehäkelte Sonnenschirme, im Frauenkloster Agios Minos servieren uns uralte Nonnen starken Kaffee und Gebäck. Einfach so, weil es die zyprische Gastfreundschaft so bestimmt. Lange sitzen wir dort im weißgekalkten Innenhof unter blühendem Jasmin. Einfach schön. Die Klöster und Kirchen auf Zypern sind weitaus besser in Schuss als die in Griechenland. Die Insel leidet nicht unter der Staats- und Finanzkrise wie das einstige Mutterland. Im Gegenteil: Investoren aus Russland und arabischen Ländern schätzen Zypern als buchstäblich sicheren Hafen. Limassol ist voller wohlhabender Touristen aus Russland, in Larnaca hängen überall Werbeschilder mit arabischen Schriftzeichen.
Wenn das Problem der Teilung gelöst wäre, dann würde Zypern wohl zur absoluten Boom-Insel werden. So aber kann der Besucher im bekannten Vorzeigedorf Pyla nach wie vor auf der einen Seite der Platia ins Kafenion der Griechen oder auf der anderen Seite ins Kaffeehaus der Türken gehen – immer überwacht von UN-Blauhelmen, die auf einem Balkon über dem Marktplatz stationiert sind. Wir fahren dann doch lieber noch einmal ans Meer. "Potamos tou Liopetriou" heißt die vielleicht romantischste Stelle an der Küste Zyperns östlich von Larnaca. Hier mündet ein Flüsschen ins Meer, unzählige bunte Fischerboote fahren bei Sonnenuntergang hinaus. Sie fangen den Fisch, der frisch gegrillt in zwei urigen Tavernen verspeist wird. Und das zu Preisen, die die Stunden dort am Strand zum wahren Urlaubserlebnis werden lassen.