
180 Kilometer lang ist die Märkische Umfahrt. Die Kanutour verspricht Naturerlebnisse und umschifft auch geschichtsträchtige Orte.
Herrlich, diese Flusslandschaft! Alles ringsum ist saftig grün, wir paddeln ganz allein auf der Spree, nichts, was die Idylle stört. Wenn nur die Schleusen nicht wären! Die erste, vollautomatische bei Beeskow haben wir ja noch spielend gemeistert. Da mussten wir nur aufpassen, dass wir genügend Abstand von den Motorbooten halten. Aber dann kommt die Selbstbedienungsschleuse: Mein Begleiter steigt aus und sieht sich um, was zu tun ist. Während er an den unterschiedlichsten Hebeln kurbelt, sitze ich im Paddelboot und starre auf die unheimlichen verrosteten vier Wände der Schleuse, die sich langsam schließt wie ein finsteres Verließ. Es vergehen bange Minuten, bis er die richtigen Hebel gefunden hat, um das Wasser abzulassen und anschließend das andere Schleusentor wieder zu öffnen.
GUT ZU WISSEN
Die Märkische Umfahrt im Seenland Oder-Spree ist 180 km lang und führt auf Dahme und Spree von Beeskow über Fürstenwalde, Erkner, Königs Wusterhausen und Märkisch Buchholz zum Ausgangspunkt zurück. Das Pauschalangebot mit 11 Ü/F ist ab zwei Pers. buchbar und kostet 549 Euro. Wesentlich preiswerter wird es, wenn man sich mit dem eigenen Zelt auf den Weg macht und auf den zahlreichen Wasserwanderrastplätzen übernachtet.AUSKUNFT
Tourismusverband Seenland Oder-Spree, Tel. (033631) 868100, www.seeland-os.de oder auf der Website www.maerkische-umfahrt.de.
Bei der Organisation sind auch die größeren Kanuverleihstellen vor Ort behilflich.
Doch diese kleinen Abenteuer gehören nun mal dazu, wenn man sich auf die Märkische Umfahrt begibt. Der Rundkurs auf Dahme und Spree ist die Königstour unter den brandenburgischen Paddelrouten, und auf 180 Kilometern kann man eine ganze Menge erleben. Erkner, Königs Wusterhausen und der Naturpark Dahme-Heideseen liegen auf der Strecke, außerdem Beeskow und Fürstenwalde. Normalerweise braucht man dafür elf Tage. "Sportliche Paddler schaffen es aber auch schneller", meint Daniela Häfner vom Tourismusverband Seenland Oder-Spree, der Kanuten bei der Organisation behilflich ist. "Aber man möchte ja auch die Landschaft genießen."
Wer will, kann nicht nur ein Kajak – oder Kanu – mieten, sondern auch die Übernachtungen in Hotels und Pensionen im Voraus buchen. "Wir richten uns nach den Wünschen der Gäste. Wenn sie nicht die ganze Strecke machen wollen, bieten wir auch Teilstrecken an", ergänzt die Expertin. Sie weiß aus Erfahrung, dass die Märkische Umfahrt einige Kondition erfordert. Wer nicht sicher ist, ob er die ganze Tour durchhält, probiert es besser mit einer zwei- oder dreitägigen Schnuppertour.
Spreepark als guter Einstiegspunkt
Guter Einstiegspunkt ist der Spreepark in Beeskow, wo es nicht nur den Outdour-Spezialisten "Albatros" gibt, sondern auch einen Zeltplatz und andere Unterkunftsmöglichkeiten. "Viele reisen am Vortag an und lassen sich von uns einweisen, bevor sie am nächsten Morgen auf die Boote steigen", erklärt Mike Dittrich von Albatros. Er versorgt uns mit Kartenmaterial und einer wasserdichten Tonne für Wertgegenstände. Noch ein paar nützliche Tipps, und es geht los. An Gartengrundstücken und der Spreeinsel vorbei gleiten wir in Richtung Radinkendorf.Kaum haben wir die letzten Häuser hinter uns gelassen, scheint die Zivilisation meilenweit entfernt. Hier und da liegt ein Boot im Wasser – malerisch wie fürs Foto arrangiert –, am Ufer sitzen Angler, ab und zu grüßt ein Freizeitkapitän. Dazu das "plitsch, platsch" der Paddel, die wir bald ganz synchron durchs Wasser ziehen. Zwischendurch halten wir immer wieder inne und lassen die Stille auf uns wirken. Die Stille? Nein, vielmehr intensives Vogelgezwitscher. Ein ganzer Klangteppich von Vogelstimmen ist zu hören. Welche es sind? Nur den Kuckuck können wir identifizieren und vielleicht noch den Drosselrohrsänger, der gerade Balzzeit hat.

Dass wir währenddessen 18 Kilometer zurücklegen, merken wir nur an unseren Muskeln. Am Abend zwickt es im Nacken-Schulter-Bereich, die Arme sind lahm, die Hände leicht geschwollen. Jedenfalls sind wir froh, in Neubrück in der Ferienwohnung von Familie Fischer unterzukommen, und nehmen dafür in Kauf, dass das gastronomische Angebot am Ort ziemlich beschränkt ist. Nur Buletten, Soljanka und Würstchen gibt es im Eiscafé, das gleich neben der neuen Brücke liegt. Dass wir es hier dann doch erstaunlich lange aushalten, liegt nicht nur an der schönen Holzterrasse am Wasser. Bald entspinnt sich auch ein intensives Gespräch mit dem Wirt und einem illustren Gast, der sich als Hausherr des benachbarten Gutshauses entpuppt.
Frisch gestärkt durch "Schnitzel für den Spitzel"
Besonders denkwürdig ist der Besuch im "Forsthaus an der Spree", das ein Stück weiter bei Briesen am Ufer liegt. Wer würde vermuten, dass 1980 in dem idyllischen Anwesen westdeutsche RAF-Terroristen unterkamen? Anja Stiegemann, die das Forsthaus betreibt, hat nach einigen Recherchen herausgefunden, dass Ralf Baptist Friedrich, Siegrid Sternebeck, Susanne Albrecht, Silke Maier-Witt, Monika Helbing, Werner Lotze, Christine Dümlein und Ekkehard von Seckendorff – später auch Henning Beer und Inge Viett – im "Objekt 74" der Staatssicherheit auf das Leben in ihrer neuen Heimat vorbereitet wurden, nachdem sie sich in die DDR abgesetzt hatten. Viel Aufhebens will die Hausherrin darum, die sich auf Paddler, Radler und Gruppen spezialisiert hat, aber nicht machen. Nur schade, dass sie die holzgetäfelte Kellerbar mit schalldichter Tür, die einst konspirativen Treffen diente, der Öffentlichkeit vorenthält!Frisch gestärkt durch "Schnitzel für den Spitzel" machen wir uns auf den Weg nach Fürstenwalde. Die Etappe über Berkenbrück ist nicht mehr ganz so schön, mitunter gibt es auch Schiffsverkehr. Überhaupt bietet die Märkische Umfahrt keineswegs immer Natur pur. Schon gar nicht bei der Einfahrt nach Fürstenwalde. Die Stadt begrüßt uns mit einem Geruch, der an Fritten erinnert: die Duftmarke eines Futtermittelherstellers, dessen riesige Silos das Spreeufer säumen.
Schöner ist es da schon beim Ruderclub, wo wir gegen Abend von Bord gehen. Hier gäbe es auch einfache Quartiermöglichkeiten, doch kommt man besser im "Haus am Spreebogen", einem benachbarten Hotel mit schöner Terrasse am Wasser, unter. Von da aus ist es auch nicht weit ins Zentrum. Nach dem Besuch des sehenswerten Doms, der durch einen originellen, gläsernen Einbau vielfältig genutzt werden kann, lädt hier allerdings nichts zum längeren Verweilen ein.