DEUTSCHLAND

Hoch auf dem gelben Wagen - Schaukelnd durchs Bayernland

Das Schnauben der Pferde, ihr Hufgeklapper, das Ächzen der Kutsche und die Kommandos des Kutschers gehören bei dieser Reise zum guten Ton.

10.07.2010 | 10.07.2010, 00:00
Vor dem Schloss Neuschwanstein posiert Andreas Nemitz mit seiner historischen Postkutsche von 1875. Die Kladruber sind eine tschechische Pferdezucht und haben schon Könige gezogen. - © FOTO: PATRICK SCHLÜTTER
Vor dem Schloss Neuschwanstein posiert Andreas Nemitz mit seiner historischen Postkutsche von 1875. Die Kladruber sind eine tschechische Pferdezucht und haben schon Könige gezogen. | © FOTO: PATRICK SCHLÜTTER

In Windeseile gleiten wir per Bahn durch die Lande, fliegen in Höchstgeschwindigkeit über der Erde oder rasen mit Tempo 150 auf glühendem Teer zum nächsten Termin. Wie schön hatten es da unsere Vorfahren. Sie mussten ohne Zug, Flugzeug oder Auto auskommen. Sie reisten per Pferdekutsche – zwar langsamer, aber viel intensiver.

In Bayern – dem Land von König Ludwig und der Urlaubsresidenz von Kaiserin Sisi – scheint die Zeit zumindest bei Andreas Nemitz stehengeblieben zu sein. Er ist Kutscher aus Leidenschaft und lädt seit 30 Jahren Urlauber aus der ganzen Welt zu einer Reise mit der Entdeckung der Langsamkeit ein. "Coaching in Bavaria" nennt der einstige Weltenbummler sein ungewöhnliches Reiseunternehmen. Fünf kräftige Kladruber (eine tschechische Pferdezucht) ziehen unter anderem eine historische Postkutsche aus dem Jahre 1875.

Schon der erste Eindruck ist ein bleibender: Nemitz begrüßt die Gäste in originaler Kutscherkluft, samt Lederzylinder und Postwappen. Die Kutsche selbst strahlt in gelber Farbe, die Pferde könnten imposanter nicht sein. Doch wo soll eine achtköpfige Gruppe nun sitzen? Innen ist eigentlich nur Platz für zwei – früher saßen dort mindestens vier Reisende. Aber der Mensch misst heute leider keine 1,50 Meter mehr. Also geht’s aufs Dach.

Pferde sind wie Motoren, sie müssen erst warmlaufen

Per Leiter erklimmen die Fahrgäste ihre Sitzreihen. Ganz vorne ist der Platz für Kutscher Nemitz reserviert – klar, einer muss ja das Sagen haben. Einmal kräftig ins Posthorn geblasen, und schon geht’s los. Allerdings im Schritttempo. "Pferde sind wie ein Motor. Die müssen erst warmlaufen", ruft Nemitz den Gästen zu.

Schon nach den ersten Metern erweist sich die Kutsche als äußerst bequemes Reisegefährt. Die Polster federn die Unebenheiten des Weges ab, die Pferde kämpfen gegenseitig um den Rang des Kräftigsten, und die Reisenden entdecken die Schönheit Bayerns. Nemitz führt uns auf den Spuren König Ludwigs. Die Tour beginnt am Starnberger See und endet am berühmten Schloss Neuschwanstein.

"Wir haben immer Routen im Programm, die möglichst abseits der normalen Straßen verlaufen und zum Teil historischen Wegen folgen", so Andreas Nemitz. So geht es vorbei an malerischen Bauernhäusern, zwischen Feldern und Koppeln. Eine besondere Aufmerksamkeit erhalten dabei die Pferde.

Die Kladruber müssen täglich gefordert werden – die Pausen genießen sie natürlich auch. - © FOTO: PATRICK SCHLÜTTER
Die Kladruber müssen täglich gefordert werden – die Pausen genießen sie natürlich auch. | © FOTO: PATRICK SCHLÜTTER

Trotz schwerer Last galoppieren die Pferde stolz an ihren Kollegen auf den Wiesen vorbei

Trotz der zwei Tonnen schweren Last (jedes Pferd kann bis zu 600 Kilogramm ziehen) galoppieren sie stolz an ihren Kollegen auf den Wiesen vorbei. Warmblüter, Kühe, Kälber und Esel sind völlig aus dem Häuschen, jagen der Kutsche hinterher und scheinen ihre Artgenossen um ihren Ausflug zu beneiden.
Regenschirme für die Gäste und ein Eimer Schotter als Notbremse sind immer dabei. - © FOTO: PATRICK SCHLÜTTER
Regenschirme für die Gäste und ein Eimer Schotter als Notbremse sind immer dabei. | © FOTO: PATRICK SCHLÜTTER

Im Wald bekommen nun auch die Fahrgäste die Natur hautnah zu spüren. Dank der hohen Sitzposition kommt der eine oder andere Ast den Reisenden auf Augenhöhe entgegen. Deshalb lautet die wichtigste Aufgabe der vorderen Bankreihe: "Zweigerl kommt!" rufen, dann geht auch nix ins Auge. Bei einer Steigung von 15 Prozent – echte Schwerstarbeit für die Pferde – lässt Nemitz schließlich absitzen. Umgekehrt sieht es bei einer Talfahrt aus.

Während Nemitz die Bremse bis zum Äußersten festzieht, muss sein Begleiter Armin zusätzlich nebenhergehen und mit einem Holzbrett und Schotter die Kutsche abbremsen. Eine alte Kutscherweisheit: Bergauf schwitzen die Pferde, bergab der Kutscher.

Der erste Halt der Tour ist der "Gasthof zur Post"

Erster Halt unserer Tour ist – passenderweise – der "Gasthof zur Post" in Eberfing. Für die Pferde gibt es frisches Wasser und Stroh, wir genießen bayerische Schmankerl. Über das Hügelland um Huglfing und die Hochmoore erreicht die Postkutsche am Abend das Parkhotel in Bad Bayersoien.

Ausgeschlafen machen sich Mensch und Tier am nächsten Tag wieder auf die Reise. Auf der alten Römerstraße Via Claudia Augusta führt die Route bis Saulgrub, weiter durch das Holzfällerdorf Altenau und auf dem Königssträßle durch Unternogg. Diese Strecke ist legendär. Schließlich liebte es König Ludwig II., nachts im Schlitten mit Fackelreitern von Neuschwanstein nach Linderhof zu eilen.

Andreas Nemitz ist da ruhiger. Nach dem Zwischenhalt an der Wieskirche, der wohl schönsten Rokokokirche Bayerns, geht es auf über 1.000 Meter hoch, bis schließlich die Königsschlösser am Horizont auftauchen. Per Posthorn kündigt Nemitz die Ankunft der Reisegruppe in Schwangau an. Japaner zücken ihre Kameras, und Nemitz’ Lächeln wird immer breiter. "Ein gutes Gefühl", sagt er und fährt wieder davon – ohne uns, aber mit fünf gutgelaunten Kladrubern – durchs Land von König Ludwig.

GUT ZU WISSEN

ANREISE Anfahrt in eigener Regie per Bahn, Auto oder Flugzeug nach München. Auf Wunsch Übernachtung am Tag vor der Abreise im Hotel "Kaiserin Elisabeth" in Feldafing. AKTIVITÄTEN Postkutschenrundreise durch Bayern auf den Spuren König Ludwigs. Die sechstägige Tour führt mit einer originalen Postkutsche aus dem 19. Jahrhundert vom Starnberger See über Bad Bayersoien zu den Königsschlössern Neuschwanstein und Hohenschwangau. Die Gesamtstrecke beträgt 196 Kilometer. Im Paket inbegriffen sind fünf Übernachtungen in 3- und 4-Ster-ne-Hotels sowie die Verpflegung. ANGEBOT Die sechstägige Postkutschenreise wird exklusiv von ADAC-Reisen zum Preis ab 969 Euro pro Person angeboten. Buchbar ist das Angebot 2010 bis Saisonschluss zum 26. Oktober. Wetterfeste Kleidung. AUSKUNFT www.adacreisen.de www.coaching-in-bavaria.de