Das Lawinenunglück an der Südtiroler Vertainspitze mit fünf getöteten deutschen Bergsteigern hat auf dramatische Weise daran erinnert: In den Bergen unterwegs zu sein, birgt Gefahren, die nicht immer vollständig abzusehen sind.
Jetzt, zwischen Herbst und Winter, ist allgemein eine kritische Zeit für Bergsport, so Stefan Winter vom deutschen Alpenverein (DAV): sich schnell ändernde Bedingungen, große Unterschiede zwischen den Verhältnissen im Tal und auf den Berg, für noch nicht alle Regionen aktuelle Lawinenlageberichte.
Umso wichtiger ist es, bestmöglich vorbereitet zu sein, wenn man sich in die Berge wagt. Die wichtigsten Tipps des Fachmanns, der selbst Bergsteiger ist und das Krisenmanagement beim Alpenverein koordiniert.
Bedingungen checken
Wie viel Schnee liegt vor Ort? Wie ist der Zustand der Wege? Das sind wichtige Fragen. Dafür kann man Webcams im Netz nutzen, der Alpenverein sammelt auf dem Tourenportal alpenvereinaktiv.com unter Aktuelles auch Hinweise auf Sperrungen oder schlechte Bedingungen.
Ansonsten gilt: Vor Ort anrufen, etwa im Tourismusbüro oder bei noch geöffneten Hütten, und nachfragen, ob die gewünschte Tour machbar ist. Wenn es Unsicherheiten gibt, im Zweifel auf bessere Tage warten.
        
                    Weil es nicht mehr so lange hell ist und viele Hütten geschlossenen seien, hat die Tourenplanung dem Experten zufolge einen viel höheren Stellenwert als bei schönem Wetter im Hochsommer. Er rät zu Touren, die südseitig gelegen sind, nicht höher als die Waldgrenze gehen, vielleicht noch eine geöffnete Hütte haben und kein technisch anspruchsvolles Gelände aufweisen. Berücksichtigen müsse man, dass es im Wald schattig und der Weg oftmals nass und mit Laub bedeckt sei. Manchmal könne man morgens noch auf kleine Eisplatten treffen.
Ausrüstung und Wissen mitbringen
Wanderschuhe für den Frühwinter müssen einen Schaft und ein tief eingeschnittenes Profil haben, so Winter. Am besten habe man Gamaschen dabei, für den Fall, dass man auf Schnee trifft. Wer weiter oben unterwegs ist, sollte zur Sicherheit noch Grödel mitnehmen, eine Art Schneeketten zum Überziehen für die Schuhe. Stöcke seien auch kein Fehler.
Pflicht sind warme Bekleidung, Mütze, Handschuhe, eine Rettungsdecke oder ein Biwaksack und eine Stirnlampe, falls es schon dunkel wird, während man noch im Abstieg ist. Dabei sein sollten auch ein geladenes Smartphone und eine Powerbank, falls man unterwegs noch Stromnachschub braucht.
Geht es auf Touren über 2.500 Meter braucht es «alpine Kompetenz», wie der Fachmann in einem Beitrag des Alpenvereins formuliert. «Wie gehe ich am Seil? Wie nutze ich Eispickel, Steigeisen, Eisschrauben, um auch mal eine Vorsteigerin zu sichern oder einen Nachsteiger nachzuholen?» Und noch mehr. Wer dieses Können (und die entsprechende Ausrüstung) nicht habe, sollte in tieferen Regionen bleiben.
Warnsignale beachten
Den getöteten Bergsteigern in Südtirol war eine Lawine zum Verhängnis geworden - an dem Tag herrschte Warnstufe 2 von 5. Die Lawine sei selbst für relativ erfahrene Alpinisten nicht vorhersehbar gewesen, sagte Einsatzleiter Olaf Reinstadler von der Bergrettung Sulden laut «Bild»-Zeitung. «Die Gefahr hätten höchstens ausgesprochene Experten erkennen können. Das Wetter war gut, die getöteten Bergsteiger hatten alle eine gute Ausrüstung dabei.»
Das zeigt: Lawinenwarnberichte können Hinweise geben. Doch erstens liegen sie aktuell laut Alpenverein noch nicht für alle Regionen tagesaktuell vor und zweitens zeigt dieses Unglück beispielhaft, dass es auch bei vermeintlich moderater Gefahr zu fatalen Abgängen kommen kann.
Am Ende muss man immer eigenverantwortlich vor Ort entscheiden, denn ohnehin gelten die Warnberichte laut Stefan Winter für ganze Regionen, aber nie für einen einzelnen Berg.
In einem Gespräch mit dem «Spiegel» nennt er Alarmsignale, die darauf hindeuten, dass Schneeschichten nicht richtig verbunden sind, sodass sich Lawinen lösen könnten:
- Ein dumpfes «Wumm»-Geräusch beim Tritt auf die Schneedecke sei ein klassisches Warnzeichen.
 - Risse im Schnee und kleine abrutschende Schollen ebenso. Dann gilt: lieber anhalten und umkehren.
 
Ein weiterer Check: «Wenn man mit einem Stock in die Schneedecke sticht und plötzlich durchbricht, dann weiß man, dass oben eine gepackte Schneeschicht ist und darunter lockerer Schnee. Das deutet auch darauf hin, dass die Schichten nicht richtig verbunden sind.»
Am Ende zeigt das Unglück an der Vertainspitze laut dem Fachmann vom Alpenverein, dass schon kleinste Schneefelder ausreichen können, um eine große Lawine auszulösen. «Man sollte den Berg immer mit Respekt betrachten, auch wenn es wenig geschneit hat und die Lawinenwarnstufe niedrig ist.»