Die Krone schwebt über allem, sogar als Leuchte über der Fußgängerzone und weist damit den Weg zum Büro des Monarchen, das natürlich etwas größer geraten ist als bei Bürgerlichen. Wenn König Willelm-Alexander und seine Frau Königin Maxima im Palast Noordeinde anwesend sind, weht eine Fahne am Gebäude. Dann dürfen Besucher das stattliche Gebäude mit dem romantischen Palastgarten in einer der schönsten Einkaufsstraßen Den Haags natürlich nur von draußen bestaunen. Im Palast wird repräsentiert, knapp fünfhundert Meter weiter wird regiert: Der Binnenhof, der Ridderzaal, der Turm mit dem Amtssitz des Ministerpräsidenten und der Hofvijver (Schlossweiher) sind das Zentrum Den Haags. Seit 1446 versammelt sich hier das Parlament und seit dem 13. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt um das prächtige Gebäudeensemble herum. Im 17. Jahrhundert, dem sogenannten Goldenen Zeitalter, war der Binnenhof Zentrum der europäischen Diplomatie. Auch heute noch sind hier viele internationale Botschaften untergebracht. Das Regierungssitz unserer Nachbarn ist derzeit eine Baustelle. Auch politisch wird gewerkelt, nachdem Mitte des Jahres Ministerpräsident Mark Rutte zurückgetreten ist und nun für November wieder mal Neuwahlen angesetzt sind. Die baulichen Renovierungsarbeiten an dem historischen Gebäudekomplex werden sicher noch drei Jahre in Anspruch nehmen. Ein verstohlener Blick durch den Bauzaun und ein befreiter über den Weiher sorgen auch aktuell für ein beeindruckendes Bild.
Den Haag atmet Geschichte, die drittgrößte Stadt der Niederlande, nach Amsterdam und Rotterdam, hat rund 514.000 Einwohner und ist sehr kompakt, hat die meisten Sehenswürdigkeiten pro Quadratmeter aufzuweisen und alles, was eine pulsierend Metropole auszeichnet. Der prickelnde Kontrast zwischen Alt und Neu, die Weite des Meeres und die architektonischen Höhen der modernen Skyline sorgen für eine erfrischende Abwechslung. Bevor es ans Meer geht, gibt es aber noch eine Menge im Den Haager Zentrum zu entdecken – und zwar alles fußläufig oder auf stets bestens ausgebauten Fahrradwegen. Wobei Fahrradfahrer in den Niederlanden grundsätzlich recht privilegiert und stets ohne Helm unterwegs sind, aber das nur am Rande. Wir erreichen das Escher-Museum, das in einem ehemaligen Palast aus dem 18. Jahrhundert untergebracht ist, in dem Königin Emma bis 1891 lebte. In diesem Jahr jährt sich die Geburt des Künstlers Maurits Cornelis Escher zum 125. Mal. Mit der größten Escher-Museumssammlung der Welt stehen das Escher Museum und das Kunstmuseum Den Haag im Mittelpunkt dieses besonderen Jubiläumsjahres. Escher ist der Grafiker, der Wasser nach oben fließen ließ, Vögel in Fische verwandelte und Treppen gleichzeitig nach oben und unten führte.
Grafisch nicht ganz so kunstvoll, aber auch sehr beeindruckend sind die zwei Seiten der Architektur am Denneweg: auf der einen die charmante Altstadt, auf der anderen die Hochhäuser der Moderne. Kein Wunder, dass sich in der ehemals angesagtesten Antiquitätenstraße heute Lifestyle und Design von internationalem Rang präsentieren. Zusammen mit den angrenzenden Gassen und Grachten bietet sich hier ein reizvoller Kontrast, für den auch der „Eispalast“ sorgt, wie die schneeweiße Fassade des Rathauses genannt wird. Ähnlich spektakulär ist das Bürogebäude, das aus der Überbauung der Stadtautobahn hervorgegangen ist.
Wir schlendern weiter durch die Innenstadt, auch wenn man dies ziellos tut, trifft man immer wieder auf Besonderheiten, denn die Stadt ist förmlich gepflastert mit historischen Gebäuden, Palästen und Kirchen, dazwischen gibt es immer wieder schöne Plätze und Parks, wo sich ausreichend Platz für Restaurants und Cafés finden. Nach einer angemessenen Pause – selbstverständlich mit Bitterballen und Frietjes – und vorbei an zwei Standbildern von Wilhelm I., Prinz von Oranien, Begründer der niederländischen Unabhängigkeit und damit der Begeisterung für die Farbe „Oranje“, ist Shopping angesagt, unter anderem in De Passage, der ältesten Shoppingmeile der Niederlande. Sie eröffnete 1885 und wurde den Mailänder Einkaufspassagen nachempfunden. Noch heute befinden sich hier zahlreiche Geschäfte und namhafte Boutiquen. Selbstverständlich wird hier auch Schmuck angeboten, der schönste und berühmteste Ohrring allerdings wird im Mauritshuis, dem kleinen Museum mit Weltrang, ausgestellt. Neben Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“ und „Die Anatomiestunde“ von Rembrandt gibt es hier noch zahlreiche Gemälde von holländischen Meistern zu bestaunen.
Jetzt geht es aber endlich nach Scheveningen an den Strand. Dazu holen wir unsere Räder aus dem unterirdischen, trotzdem sehr einladenden Fahrradparkhaus am Bahnhof. 8.500 Fahrräder haben hier einen sehr schicken Platz. Rund 15 Minuten braucht man vom Zentrum mit dem Rad bis ans Meer. Direkt auf dem Weg liegt der Friedenspalast und daran kann man natürlich nicht so einfach vorbeifahren. Hier haben der Internationale Gerichtshof, der Ständige Schiedsgerichtshof sowie eine der bedeutendsten Bibliotheken für Völkerrecht ihren Sitz. Es ist sicher eines, wenn nicht das meistfotografierte Gebäude Den Haags. Der Friedenspalast war ein Geschenk des amerikanischen Millionärs Andrew Carnegies, der 1,5 Millionen US-Dollar spendete und das Gebäude im Stil der Neo-Renaissance erbauen ließ. Weitere Länder steuerten Einrichtung und Baumaterialien bei: Von Deutschland kommt das schmiedeeiserne Gitter, aus Japan stammen die Vasen im Inneren des Friedenspalastes und der Mosaikfußboden kommt aus Italien.
Jetzt sind es nur noch zehn Minuten bis zum 4,5 Kilometer langen Nordseestrand. Übrigens, wer ausnahmsweise nicht mit dem Fahrrad unterwegs ist, der kann auch die Straßenbahn nehmen. Die Linie 1 braucht vom Bahnhof ungefähr 15 Minuten und stoppt an „Di Pier“ oder dem Nordstrand. „Hier sollten übrigens alle Richtung Riesenrad gehen, die auf Unterhaltung aus sind,“ rät Myriam Dijck, Tourismusexpertin aus Den Haag. Alle, die mehr chillen und im Stillen die Natur genießen wollen, die wenden sich ab und spazieren den Strand Richtung Norden entlang.
Die andere Richtung hat sich nämlich zu einem viele hundert Meter langen Food-Boulevard entwickelt und lockt mit einem großen Angebot an Streetfood, Restaurants, Bars, Terrassen, überdachten Läden und exklusiven Hotelsuiten mit Panoramablick auf die Nordsee. Einen Überblick können sich die Strandbesucher im Riesenrad verschaffen und die ganz Mutigen gehen zum Bungee Jumping. Den Haag ist wirklich eine Stadt, die alles hat.
Und wem das alles noch nicht reicht und die königliche Stadt am Meer mal so richtig in Orange verkleidet sehen möchte, der kommt am Dienstag, 19. September, denn dann ist – wie in jedem Jahr am dritten Dienstag im September, Prinsjedag mit König Willelm-Alexander. Der verliest als niederländisches Staatsoberhaupt die Thronrede und eröffnet damit das parlamentarische Jahr. Das ist zwar kein Feiertag, wird aber mindestens so gefeiert.
INFORMATION
Trip-Tipps
Mit dem Rad: Nach Den Haag kann man sehr gut mit der Bahn fahren, denn vor Ort braucht man kein Auto. Das Rad ist die bessere Alternative, und wer lieber mit Straßenbahn und Bus unterwegs ist, erreicht auch alle Ziele mühelos und komfortabel.
Mit der Bahn: Eine Tageskarte für den öffentlichen Nahverkehr kostet pro Person 8 Euro. Damit kann man kreuz und quer durch die Stadt fahren. Mit der Straßenbahnlinie 1 geht’s zum Beispiel in knapp einer Stunde von Scheveningen Nord, vorbei am Friedenspalast, mitten durchs Zentrum bis nahezu direkt in die Altstadt von Delft, das nicht nur für die handbemalten, blauweißen Delfter Keramiken bekannt ist.
Mit dem Boot: Auf den Grachten und Kanälen gibt es regelmäßig Rundfahrten. Immer beliebter werden aber auch Touren mit dem SUP (Stand-up-Paddeling) oder dem Kanu.
Alle Infos darüber und alle weiteren Informationen und Öffnungszeiten unter denhaag.com