Spanien

Unterschätztes Almería

Die Provinz Almería haben nicht viele Spanien-Touristen auf dem Schirm. Zu Unrecht! Die Region zählt zu den unbekannteren Schönheiten Andalusiens.

Maurische Spuren in Almería: Auf der Festung Alcazaba, die aus dem zehnten Jahrhundert stammt, blicken Besucher über die gesamte Stadt. | © Susanne Reuter

10.01.2023 | 10.01.2023, 06:00

Almería. Frage ich Maria Ángeles Cuena Ramos, warum sie vor knapp 30 Jahren vom Norden Spaniens nach Almería gezogen ist, antwortet sie: „Wir haben hier die Sonne, das Meer, die Berge, sehr gutes Essen, rund 65 Kilometer unverbaute Küste, Naturschutzgebiete und genießen ganz viel Freiheit. Ich fühle mich hier frei.“ Über die nahen Hänge hinter der Stadt dehnt sich die Sierra Nevada aus. Im Winter ist die Wassertemperatur sogar höher als die Lufttemperatur. Almería – oder übersetzt „Spiegel des Meeres‘“ ist vielen unter uns auch als „Plastikmeer“ bekannt. Und in der Tat, verlässt man den Ort, und richtet den Blick in der Höhe in Richtung Meer, glänzen die Foliendächer der Gewächshäuser und verbinden sich optisch mit der Wasseroberfläche. Auf ca. 34.000 Hektar wird hier Gemüse angebaut. Tomaten, Gurken, Auberginen, und später im Jahr dann Melonen. Schön schauen die Anlagen nicht aus, die Landwirtschaft jedoch stellt seit Jahrzehnten eine wichtige Einnahmequelle der Region dar und sind daher unweigerlich mit der Region Almería verbunden.

Maria, die unsere kleine Gruppe in den nächsten Tagen begleitet, nimmt uns mit zu den spannenden Plätzen der Region. Nur ca. 30 Kilometer im Landesinneren beginnt die Wüste Tabernas, Europas einzige Wüste. Durchschnittliche Niederschlagsmengen unter 250 Millimeter – es hat in 2022 seit Juni nicht mehr geregnet – und nonstop Sonnenschein pur machen das Gebiet zur heißesten und trockensten Region in Europa. Ich kann mir dabei nur schwer vorstellen, dass ich auf einem ehemaligen Meeresgrund stehe. Wir treffen Christine Serena von Malcaminos, die uns im Allrad-Fahrzeug durch das wilde Gelände fährt. Sie erklärt uns: „Vor Millionen Jahren bedeckte das Mittelmeer diese Zone. Mit sinkendem Meeresspiegel lagerten sich Sand, Ton und Schlamm in einem Sedimentbecken ab.“ Die einzelnen Sedimentschichten wirken wuchtig. Ich streiche vorsichtig über die Oberfläche und fühle den Sand.

„Tabernas hat die perfekte Kulisse, sehr ähnlich wie die nordamerikanischen Wüsten oder Landschaften in Nordafrika“, erklärt Cristina. Die Provinz gilt immer noch als „europäisches Hollywood“. Schätzungsweise über 500 Western wurden bisher in den staubigen und trockenen Tälern rund um Almería und besonders hier im Tabernas-Gebiet gedreht, wie zum Beispiel Blockbuster, dazu zählen Sergio Leones Dollar-Trilogie „Spiel mir das Lied vom Tod“, „Lawrence von Arabien“, „Cleopatra“, „Conan der Barbar“, und natürlich Bully Herbigs witziger Film „Der Schuh des Manitu“. In „Mini-Hollywood“ erleben Besucher den Wilden Westen im Salon mit Stunts- und Tanzshows.

Weiter westlich, in dem von Tälern und Schluchten durchzogenen Südhang der Sierra Nevada treffen wir auf all die hübschen Dörfer, die verstreut die Alpujarra ausmachen. Mit jeder Kurve, die wir hinauffahren, wird es langsam grüner, der Terrassenanbau sichtbar. Auf 1.250 Metern liegt der Ort Bayárcal, der höchst gelegene Ort der Provinz Almería. Die verschachtelte Bauweise der Dörfer mit zahlreichen Brunnen erinnert an die Berberdörfer im Atlasgebirge.

Hübsch am Hang gelegen: die Dörfer der Region Alpujarra. - © Susanne Reuter
Hübsch am Hang gelegen: die Dörfer der Region Alpujarra. | © Susanne Reuter

Auch an den Traumstränden, Klippen und Buchten des Naturparks Cabo de Gata, die unweit östlich von Almería liegen, finden häufig Dreharbeiten statt. Der Ort San José wirkt wie eine Oase inmitten der kargen Vulkanlandschaft. Der in den Sommermonaten auch bei Spaniern beliebte Ort erscheint lieblich mit seinen grünen Gärten, Palmen und weiß getünchte Häuserreihen. Ein idealer Ausgangsort für Wanderungen in der Region. Für eine Erfrischung im Meer wählen wir den paradiesisch gelegenen Strand Monsul und genießen auch im November noch Badetemperaturen. Dieser außergewöhnliche geologische Naturraum bildet einen der landschaftlich wertvollsten Küstenstreifen am spanischen Mittelmeer. 1997 von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt, unterliegt die Region zudem einem besonderen Vogelschutz (ZEPA) und wurde als bedeutendes Internationales Feuchtgebiet in das Ramsar-Abkommen aufgenommen.

Playa del Playazo heißt der Strand von Rodalquilar und ist von beeindruckender Schönheit. Im Hinterland liegt der lieblich anmutende Ort mit einer verlassenen Goldmine. In guten Jahren wurden so insgesamt 700 Kilogram Gold gewonnen. In den 1960er Jahren reduzierte sich der Ertrag sukzessive, bis man im Jahr 1990 die Minen endgültig schloss.

Zurück in Almería-Stadt. Neben der Kathedrale aus dem Jahr 1524 mit ihren gotischen, barocken, klassizistischen und Renaissance-Elementen beeindruckt die mächtige maurische Festung Alcazaba. Die Festung stammt aus dem 10. Jahrhundert. Sie steht auf einem etwa 85 Meter hohen Hügel und wurde in der Herrscherzeit des Kalifen Abd ar-Rahman III. errichtet. Bis ins 15. Jahrhundert diente sie als Residenz der muslimischen Stadtherren. Nach der christlichen Eroberung wurde sie von den katholischen Königen und Carlos I reformiert.

Während des spanischen Bürgerkriegs wurden 1936 in Almería Schutzräume erbaut, sogenannte Refugios. Nach 52 Luft- und Seebombardierungen war dies die einzige Lösung, weiteren Angriffen standzuhalten. Auf über vier Kilometer Länge wurden diese Schutzräume auf bis zu 16 Meter unter der Erde gebaut und konnten rund 40.000 Einwohner aufnehmen. Insgesamt gab es über 100 Eingänge, verstreut über die ganze Stadt. Um den Eingang zu verstecken, wurden kleine Kioske gebaut, die heute immer noch vorhanden sind. Unter dem Franco-Regime wurden die Refugios geschlossen und gerieten in Vergessenheit. Bei Bauarbeiten im Jahr 2001 stieß man zufällig auf diese Schutzräume und entschloss sich zur Renovierung.

Die Provinz Almería ist übrigens stolz auf eine eigene Marke. Der „Indalo“ wurde erstmals in einer Höhle entdeckt und als Mensch interpretiert, der einen Regenbogen in den Händen hält. Wie eine Art Herkunftsnachweis wird er von Firmen und Behörden auf Briefpapier, Verpackungen und LKW-Planen gedruckt.

INFORMATION


Essen: Taberna Las Botas, Casa Sevilla oder Casa Puga in Almería, Restaurant Montesión in Lucainena de las Torres, 4 Nudos in San José Club Nautico, Gastrotaberna Matizes in Laujar de Andarax.

Wandern: In der Wüste Tabernas: Über die Route Nummer PR 268 ist es Wanderern erlaubt, auf ca. acht Kilometern in Eigenregie die Wüste zu erkunden. Oder man folgt zu Fuß dem ausgetrockneten Flussbett, den Rambla. Diese Trockenflussrouten sind öffentliche Wege. Biketouren oder ein Ausflug auf dem Pferd sind ebenso möglich.

Richtig Spannend: Almería: Unterirdische Schutzräume, Eingang Plaza Manuel Peréz García. Tickets vorbuchen (andalucia.org/de)

Abenteuer & Entschleunigung sind kein Gegensatz: Seilrutsche im BNatural Sports Park, Alpujarra. Wer mag: Meditationszeremonie mit Klangschalen und Waldbad (Bnaturalsport.com). Größtes Gipskarstgebiet in Europa: Besuch in den Cuevas de Sobras möglich, Tourenbuchung unter cuevasdesorbas.com

Guide: Maria Ángeles Cueana Ramos, spricht deutsch, englisch, französisch (guialmeria.com).