Toronto. Gleichmäßig gleiten unsere Paddel durchs Wasser, schieben das Kanu sanft voran. Ganz hinten sitzt Aaron. Der ist ein erfahrener Guide und begleitet uns auf einer Halbtagestour. Vom Standort der Algonquin Outfitters beim Örtchen Dwight paddeln wir über einen Teil des Oxtongue Sees bis zu den Ragged Falls. Vorbei an Romance Island, einer bewaldeten kleinen Insel, an Biberbauten und versteckt gelegenen Hütten.
Wasservögel kreuzen unseren Weg, nur die Biber schnarchen wohl an diesem herrlichen Sonnentag noch in ihren unübersehbaren Bauen. Aus der Ferne ertönt der Ruf eines Loons. Der auffällig schwarz-weiß gefiederte Seetaucher mit dem signifikanten Schrei ziert die kanadische Ein-Dollar-Münze, auch Loonie genannt.
Natur pur im Algonquin Park
Im und am Algonquin Park in der kanadischen Provinz Ontario geht es gemächlich zu. Nur wenige Kanuten haben heute den Weg zu den Wasserfällen genommen. Nach dem Anlegen kraxeln wir auf einem kurzen Pfad zum Kopf des Falls. Von dort sehen wir die gesamte Kaskade und den sich darunter ausbreitenden See. Einige Kanuten kühlen ihre Füße im rauschenden Fall. Wir finden ein Picknick-Plätzchen im Schatten großer Bäume.Zwar sind wir weder erfahrene Kanuten noch Kajaker. Gleichwohl fühlen wir uns bei Aaron sicher aufgehoben. Dazu trägt auch die obligatorische Schwimmweste bei, die jeder Gast neben dem Paddel angepasst bekommt: „Die Länge ist okay, wenn es bis zwischen Kinn und Nase reicht“.
7.600 Quadratkilometer – mehr als doppelt so viel wie Mallorca – umfasst der Algonquin Provincial Park, zehn Prozent der Fläche sind von Wasser bedeckt. Es gibt ein ausgedehntes Netz von Kanu-Routen, Campingplätzen und Wanderwegen. Erschlossen wird der Algonquin Park vom Highway 60, der ihn von Ost nach West durchquert, erbaut während der großen Depression in den 1930er Jahren. Gegründet wurde der nach dem indigenen Volk der Algonquin benannte Park bereits 1893 als Ontarios erster Provincial Park.
Holzfäller und wilde Tiere
Seit etwa 200 Jahren und bis heute spielt die Forstwirtschaft eine bedeutsame Rolle. Das erhalten Besucher im Logging Museum unweit des östlichen Parkeingangs eindrucksvoll vor Augen geführt. Von den miserablen Arbeits- und Lebensbedingungen der Holzfäller während der 1830er Jahre bis zu ebenso ausgeklügelten wie lebensgefährlichen Methoden des Holztransports im eisigen Winter und auf dem Wasser reicht die Spanne der Informationen.
Ein weiterer lohnender Stopp ist das Park-Besucherzentrum mit seiner Ausstellung von ausgestopften Wildtieren. Einen ausgewachsenen Elch möchte man als Autofahrer nicht plötzlich vor der Haube sehen. Entlang der gesamten Strecke durch den Park warnen Schilder vor dem Wildwechsel der Großhirsche. Bären und Wölfe gibt es ebenfalls, die gehen aber Wanderern fast immer aus dem Weg. Begegnungen sind höchst selten. Für den unwahrscheinlichen Fall der Fälle ist es hilfreich, sich vor der Wanderung über richtige Verhaltensweisen zu informieren. Also zum Beispiel bei Bärenbegegnungen nicht in Panik zu geraten und wegzulaufen.
Wandern, wandern, wandern
Vom Highway 60 aus sind gut ein Dutzend ausgeschilderte Wanderwege zu erreichen. Länge und Schwierigkeitsgrade variieren zwischen 1,5 und elf Kilometern, von einfach über moderat bis schwierig. So ist der Two-Rivers-Pfad mit weiten Ausblicken von einer Klippe über den unendlich erscheinenden Wald in einer Stunde bequem auch mit Kindern zu schaffen. Für die anspruchsvolle, elf Kilometer lange Mizzy-Lake-Schleife sollte man hingegen mindestens sechs Stunden ansetzen. Gute Wanderschuhe sind auf den meist unebenen Wegen zwingend, ebenso wie ein Rucksack mit Wasser und Verpflegung. Es wird empfohlen, stets in der Unterkunft zu hinterlassen, was man vorhat und eine Trillerpfeife mitzunehmen, mit der man notfalls auf sich aufmerksam machen kann.Artikel: Reise: Kanada
Übernachten im Park
Die Unterkünfte im Park reichen von einfachen Campingplätzen bis zu All-Inclusive-Hotels. Beispielhaft für viele ist das Arowhon Pines Resort. Eine Ansammlung komfortabler Hütten, acht Kilometer Schotterstraße vom Highway 60 entfernt an einem See mit Trinkwasserqualität. Die Küche dort (drei Mahlzeiten täglich) hat zu Recht einen ausgezeichneten Ruf. Gästen stehen Kanus, Kajaks, kleine Segelboote, eine Sauna und ein Tennisplatz ohne zusätzliche Kosten zur Verfügung. Vor der Terrasse schwirren Kolibris an mit Zuckerwasser gefüllten Futterdosen, vom Steg mit Sonnenliegen aus lässt es sich im warmen Wasser des Sees gut schwimmen.Arowhon Pines hat wie auch andere Resorts weder WLAN noch gibt es ein Mobilfunknetz. Ideal, um einmal völlig abzuschalten. Wer zum Essen gerne ein Bier oder eine Flasche Wein trinkt, muss diese vorher in einem von den in Kanada staatlich lizensierten Liquor Stores kaufen. Den nächsten gibt es in 40 Kilometern Entfernung. Derart gut vorbereitet steht einem an Naturerlebnissen reichen Aufenthalt auf dem Wasser und zu Lande im Algonquin Park – etwa im Zuge einer Reise von der kanadischen Hauptstadt Ottawa in Richtung Westen – nichts mehr im Wege.
INFORMATION
Anreise: Zum Beispiel mit Lufthansa oder Air Canada von Hannover über München nach Toronto. Ein Mietwagen ist erforderlich. Empfehlenswert ist ein Aufenthalt im Algonquin Park, kombiniert mit einer Rundreise durch Ontario von Toronto aus.Einreise: Für die Einreise nach Kanada ist ein mindestens noch sechs Monate gültiger Reisepass erforderlich sowie eine Einreiseerlaubnis, die sogenannte ETA. Die kann über das Internet beantragt werden, kostet umgerechnet ca. 5 Euro (per Kreditkarte) und ist fünf Jahre gültig. Außerdem bedarf es einer elektronischen Anmeldung über die ArriveCAN-App. Die Bescheinigung von mindestens zwei Impfungen ist zwingend. Nach der Ankunft am Flughafen sind nach vorübergehender Aussetzung auch wieder Tests auf Covid nach dem Zufallsprinzip möglich.Infos:www.destinationontario.com, www.ontarioparks.com,www.arowhonpines.ca,www.algonquinoutfitters.com