Karibik

Das vergessene Paradies

Die Dominikanische Republik ist weit mehr als All-Inclusive-Urlaub. Die ganze Schönheit der Insel aber offenbart sich erst im Inneren des Landes.

Baden unter Palmen: Weiße Sandstrände, türkisblaues Wasser und pures Lebensgefühl – die Dominikanische Republik ist für viele Reisende ein beliebtes Urlaubsziel. | © Felix Eisele

Felix Eisele
14.01.2017 | 14.01.2017, 06:00

Als Christoph Columbus 1492 auf Hispaniola landete, sprach er von einem Naturwunder. Vom „Schönsten, was ein menschliches Auge je sah". Und tatsächlich hat die Karibikinsel auch mehrere Hundert Jahre später nichts an ihren Reizen verloren. Noch immer lockt „die Spanische", mittlerweile geteilt in Haiti und die Dominikanische Republik, mit einem Eldorado der Gegensätze: zwischen azurblauen Meeren und grünen Wäldern, zwischen traumhaften Stränden und unbezwingbaren Bergmassiven, zwischen Luxus und Landwirtschaft, Kultur und Knappheit, Urlaub und Ureinwohnern. Doch nur, wer ins Innere der Insel blickt, erfährt sie wirklich – die unberührte Schönheit und die urtümliche Seele eines Paradieses, das zwischen touristischen Heerscharen und fremdartigem Prunk fast zu vergessen droht.

Im Nordosten der Insel, hoch über der Bucht von Samaná, könnte man sich in einem karibischen Garten Eden wähnen. Der Blick schweift über die himmelblauen Fluten der Karibik, Palmen wiegen sich in leichten Brisen, weiter draußen schimmert die Cayo Levantado, die ob ihres archetypischen Erscheinungsbildes auch als Bacardi-Insel bekannt ist. Vor ihren Küsten: Segelboote und Katamarane, voll beladen mit Schnorchlern und Tauchern auf der Suche nach exotischem Getier und uralten Korallen. An ihren Stränden: All-Inclusive-Urlauber im ewigen Lauf zwischen Buffet, Cocktailbar und einem Sprung ins warme Wasser des Atlantiks.

Abenteuerlich: Mit dem Jeep geht es auf Safari – über Stock und Stein und natürlich auch durchs Wasser. - © Felix Eisele
Abenteuerlich: Mit dem Jeep geht es auf Safari – über Stock und Stein und natürlich auch durchs Wasser. | © Felix Eisele

Genau dieses Ambiente ist es, das Jahr für Jahr knapp vier Millionen Touristen in die 5-Sterne-Bunker der Republik lockt. Weit entfernt vom Puls dieses Landes, von seinen Bewohnern und seiner Kultur. Ein paar Gläser Rum, eine Handvoll tropischer Früchte, ein Merengue-Tanz und eine halb gerauchte Zigarre bleiben häufig der einzige Kontakt mit der echten, der authentischen Dominikanischen Republik, die sich im Schatten ihres revolutionär-verklärten Bruders Kuba verbirgt.

Die nämlich lebt außerhalb der touristischen Ströme. Teils abseits, teils im Einklang mit der Moderne. Auf der anderen Seite der Bucht etwa, wo sich der Nationalpark Los Haitises erstreckt. Hier zeigt sich die Insel auf mehr als 800 Quadratkilometern Fläche von ihrer schönsten Seite: Dichte Wälder, bewachsen mit Lianen, Mahagonibäumen und Abertausenden Orchideen, wechseln sich mit Mangrovensümpfen ab, an den Küsten brüten Fregattvögel und Pelikane, Delfine tummeln sich vor den Karstinseln, steile Kalkhügel ragen aus dem Areal. In Tropfsteinhöhlen, die auf bis zu drei Kilometer Länge durch die Karstmassive schlängeln, erzählen uralte Malereien und Petroglyphen das Leben der Taínos, der Ureinwohner der Insel.

Es ist ein seltener Moment unberührter Natur, der sich im Nationalpark offenbart. Nur wenige Kilometer weiter südlich nämlich beginnt langsam, aber sicher schon wieder so etwas wie städtische Zivilisation. Kleine Orte wie Sabana de la Mar, in denen sich jeder untereinander zu kennen scheint. Schachbrettartig ziehen sich Straßen und Wege, teils gepflastert, teils unbefestigt, durch den Staub. Bars und Kirchen säumen die Bürgersteige, unter Überdachungen und selbst gezimmerten Carports sitzen Bewohner und spielen Domino. Alles wirkt ein wenig spärlich, im Überfluss scheint es lediglich Lotterieannahmestellen zu geben – und eine schier ungebremste Lebensfreude, sie sich auf den Gesichtern der Einheimischen abzeichnet.

Zu ihnen zählt auch Tony de Leon, der das Leben zwischen Umwelt und Urbanisierung als Geldquelle nutzt und das wohl ungewöhnlichste Hotel der Karibik eröffnet hat. Etwas außerhalb erhebt es sich direkt am Hang, ein Gebilde aus Kalkstein und knorrigen Tropenhölzern, an dem so gar nichts nach Industrieware aussieht: Lampen und Brunnen sind aus alten Flaschen gefertigt, die Waschbecken aus Muscheln und Gestein. Heimische Pflanzen und Blätter dienen nicht nur zur Deko, sondern wurden kunstvoll in das Erscheinungsbild des „Paraiso Cano Hondo" verwoben. Selbst der Swimming-Pool speist sich aus einem kleinen Fluss, der sich durch den Wald schlängelt. „Ich wollte den Urlaubern die Natur zeigen, einen Eindruck von der echten Dominikanischen Republik bieten", sagt Tony. Einheimische, so sagt Tony, kommen nur selten hierher. „Die kennen mittlerweile ein anderes Leben."

Was in den Worten des Hotelbetreibers nach trauriger Melancholie klingt, ist in weiten Teilen des Landes längst Realität. Insbesondere im östlichen Teil der Insel, wo Bergmassive und weite Täler die Landschaft prägen, hat sich der Zeitgeist längst den Weg über die Hügel gebahnt. In den Bergdörfern zwischen Santo Domingo und Punta Cana tobt das Leben zu jeder Stunde auf den Straßen, in öffentlichen Badelöchern wird gefeiert, an der Straße Bier getrunken, geraucht und geklönt, während Mopeds über die staubigen Straßen knattern. Mittendrin einige Landwirte, die in kleinen Gärten Kakao, Kaffee oder Mangos anbauen. So wie Manolo, der hauptsächlich für die Dorfgemeinschaft erntet. „Was übrig bleibt, bringe ich zum Markt", sagt er. Ansonsten hofft er auf Geld von Weggezogenen, die mittlerweile in der Tourismusbranche tätig sind. „Damit ernähren sie hier oben ganze Dörfer. Und ermöglichen uns ein ruhiges Leben."

Dass es im Hochland auch anders aussehen kann, zeigt derweil der Ort Jaracaboa. Hier locken ganze Einkaufsstraßen auch Menschen aus umliegenden Dörfern an, in Friseursalons Plattenläden und Werkstätten herrscht ausgelassene Heiterkeit. Selbst auf den Straßen türmen sich Bananen, handgefertigte Töpferwaren und allerlei weitere Verkaufsgegenstände auf Autos, Handkarren und Theken. Alles scheint hier etwas exquisiter zu sein als in den Bergen. Das liegt auch an der reicheren Gesellschaft des Landes, die in diesem Landstrich gerne ihre Wochenenden verbringt. In den höheren Lagen haben sie ihre Ferienhäuser, oft Villen oder größere Anwesen. Schwer erreichbar, aber äußerst feudal. Und das auch noch auf Tuchfühlung mit echten Naturschauspielen. Wie zum Beispiel die Jimenoa-Wasserfälle, die schon so manchem Hollywood-Streifen als Kulisse dienten – und schon allein deshalb so etwas wie eine touristische Attraktion darstellen.

„Abenteuer-Tourismus", nennt es Omar Rodriguez, der seine „Rancho Baiguate" vor mehr als 30 Jahren mitten in den Urwald baute. Hier nächtigen Besucher in einfachen Behausungen ohne großen technischen Schnickschnack, dafür aber mit echter Dschungel-Akustik und selbst angebautem Gemüse. Von hier aus geht es zum Rafting, zum Klettern, Trekking oder Biking. Auch Safaris oder Exkursionen in Fauna und Flora werden angeboten. „Je nach Wunsch", wie der Guide Wilson sagt. Hauptsache sei, dass alles mit der natürlichen Umgebung kombiniert werden kann, ohne ihr zu schaden. „Eine Idylle zum genießen", bringt es Wilson auf den Punkt. Und fast könnte man meinen, er spricht von der gesamten Republik, die so viel mehr zu bieten hat als nur All-inclusive-Bändchen.

Information

Gut zu wissen

Anreise
Zum Beispiel mit Condor ab/bis Frankfurt nach Santo Domingo ab 549,98 Euro in der Economy Class.

Pauschal
Dertour bietet die Rundreisen „Hispanola Insider" und „Kiskeya entdecken" sowie die Privatreise „Naturerlebnis Barahona" an, die allesamt durch das Landesinnere der Insel führen. Preisbeispiel: 4-tägige Busrundreise „Hispanola Insider", z.B. ab/bis Punta Cana inkl. 3 Übernachtungen, Verpflegung, deutsch sprechende Reiseleitung, ab 620 Euro pro Person. Garantierte Durchführung ab 2 Personen. ww.dertour.de

Übernachten
Santo Domingo: MGallery Nicolas de Ovando (5 Sterne) 1 Nacht/DZ/Frühstück, ab 105 EUR pro Person. Samaná: Grand Bahia Principe El Portillo (4 Sterne), 1 Nacht/DZ/AI, ab 64 EUR pro Person. Samaná: Grand Bahia Principe Cayacoa (5 Sterne), 1 Nacht/DZ/AI, ab 59 EUR pro Person. Punta Cana: Paradisus Palma Real Golf & Spa Resort (5*), 1 Nacht/Juniorsuite/AI, ab 188 EUR pro Person.