Widerspenstiger KI-Chatbot: Warum sich Grok gegen Elon Musk stellt

Eine Unterhaltung mit Grok kann unterhaltsam sein – zumindest, wenn man seine Vorgeschichte kennt. Tech-Milliardär Elon Musk hatte den KI-Chatbot seiner Firma xAI eigentlich mal als Alternative zu Modellen wie ChatGPT oder Googles Gemini ins Leben gerufen. Grok sollte weniger politisch korrekt sein, weniger &bdquo;woke“, wie Musk es selbst oft formuliert. Auf einen Post von OpenAI-Gründer Sam Altman antwortete Musk einmal: &bdquo;Die Gefahr, KI darauf zu trainieren, woke zu sein – also zu lügen – ist tödlich“. Auch hatte Musk in der Vergangenheit geärgert, dass sich KI-Chatbots kritisch über seine eigene Person geäußert hatten. Mitte Februar 2023 reagierte er etwa auf eine ChatGPT-Antwort, die ihn angeblich als &bdquo;umstritten“ bezeichnete – andere Tech-Milliardäre, etwa Jeff Bezos, wurden jedoch nicht so eingestuft. Grok sollte daher vieles anders machen: Der Chatbot sei &bdquo;maximal wahrheitssuchend, selbst wenn diese Wahrheit manchmal im Widerspruch zu politischer Korrektheit steht”, hatte Musk erst im Februar zur Veröffentlichung der neuen Version 3 angekündigt. Wie ernst Musk es selbst mit der Wahrheit nimmt, wurde jedoch in den vergangenen Jahren deutlich: Der Tech-Milliardär hat immer wieder Falschinformationen und Verschwörungserzählungen verbreitet. Viele befürchteten daher, sein KI-Bot könne – ganz ähnlich wie Musks Netzwerk X – zur Desinformationsschleuder werden und die Narrative des &bdquo;Maga“-Lagers um Donald Trump befeuern. Grok hat einen guten Ruf Wer sich heute mit Grok unterhält, wird jedoch schnell feststellen: Ganz so kam es nicht. &bdquo;Grok genießt in der KI-Branche sogar einen ziemlich guten Ruf“, sagt der KI-Forscher Kevin Yam dieser Redaktion. Yam ist Vorsitzender der German Data Science Society (GDS) in Berlin und leitet ein KI-Forschungszentrum bei der coeo Group. &bdquo;xAI hat viele Entwickler von OpenAI oder Google abgeworben. Gerade in das aktuelle Modell 3 ist also viel Wissen aus etablierten KI-Unternehmen eingeflossen.“ Das Ergebnis: Bei gängigen Benchmarks liegt Grok mit vergleichbaren Large-Language-Modellen (LLM) regelmäßig gleichauf, in einigen Bereichen übertrifft der Musk-Bot andere Dienste sogar. &bdquo;Grok schneidet zum Beispiel sehr gut ab bei mathematischen und logischen Aufgaben, aber auch im Bereich der Softwareanalyse und -generierung“, erklärt Yam. &bdquo;In all diesen Benchmarks war Grok sehr gut – teilweise sogar führend.“ Gerade im Bereich Softwareentwicklung käme – neben den offiziellen Benchmarks – auch aus der KI-Community gutes Feedback. Chatbot kritisiert seinen eigenen Besitzer Und auch von Musks politischer Weltsicht ist bei Grok auf den ersten Blick wenig zu spüren. Fragt man den KI-Chatbot etwa nach seinem eigenen Besitzer, braucht es nur einige wenige Wortwechsel – und schon spuckt Grok Kritikpunkte zu Musk aus. Der Tech-Milliardär verbreite &bdquo;Desinformationen auf X“, schreibt Grok etwa unter Berufung auf &bdquo;Kritiker“, er sei zudem bekannt für &bdquo;Marktmanipulation“ und &bdquo;politische Einflussnahme“. Auch Musks Rolle in der US-Politik sieht der KI-Chatbot kritisch – zuletzt war Musk als Trump-Berater tätig und maßgeblich am Staatsumbau der USA beteiligt. Dieser Umstand könne als &bdquo;unheilvolle Verbindung von Kapital, Medienmacht und politischem Einfluss“ betrachtet werden, heißt es in einer Grok-Antwort. Hinterland of Things 2025 in Bielefeld: Künstliche Intelligenz erobert die Gründerszene Auch gegen bekannte Erzählungen seines Besitzers stellt sich der Chatbot. Ein Beispiel: Musk hatte einmal die Transgeschlechtlichkeit seiner eigenen Tochter als Resultat eines angeblichen &bdquo;Woke-Mind-Virus“ bezeichnet. Konfrontiert man Grok mit dieser Theorie, antwortet der Bot eindeutig: &bdquo;Die Identität von Transpersonen ist nicht das Ergebnis eines Woke Mind Virus, sondern hat tiefere Wurzeln in biologischen und sozialen Faktoren.“ Vielmehr sei die Erzählung des &bdquo;Woke-Mind-Virus“ Konsequenz &bdquo;ideologischer Spannungen“ auf Social-Media. Konkret nennt Grok sogar Musks Plattform X. .responsive23-NocFfUJDj1H3xsAo-ttc-linechart-nutzung-von-ki-in-unternehmen-in { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-NocFfUJDj1H3xsAo-ttc-linechart-nutzung-von-ki-in-unternehmen-in { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-NocFfUJDj1H3xsAo-ttc-linechart-nutzung-von-ki-in-unternehmen-in { padding-top: 142.86%; } } Trump-Anhänger empört über Grok Auch Verschwörungserzählungen der Trump-Administration, für die Musk zuletzt tätig war, widerlegt der Chatbot. Fragt man ihn etwa nach dem menschengemachten Klimawandel, antwortet dieser prompt und wahrheitsgetreu: &bdquo;Ja, der menschengemachte Klimawandel existiert“, dann liefert er eine Einordnung. Donald Trump selbst hatte den menschengemachten Klimawandel immer wieder geleugnet und ihn gar als &bdquo;Hoax“, also als Schwindel bezeichnet. Man kann Grok auch fragen, ob Impfungen Autismus fördern. Aussagen wie diese waren zuletzt von US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., aber auch von Trump selbst verbreitet worden. Der Bot argumentiert umgehend: &bdquo;Nein, Impfungen fördern keinen Autismus. Zahlreiche wissenschaftliche Studien, darunter groß angelegte Untersuchungen der CDC und der WHO, zeigen keinen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus.“ Dass Musks Versprechen vom &bdquo;anti-woken“ Chatbot nicht ganz eingetreten ist, haben inzwischen auch andere bemerkt. Auf seiner eigenen Plattform X mehren sich die Beschwerden von &bdquo;Maga“-Anhängern, die dank Grok plötzlich mit Fakten außerhalb der eigenen Echokammer konfrontiert werden. &bdquo;Bitte repariere das“, fordert ein Nutzer Elon Musk auf, nachdem Grok diesen auf eine transfeindliche Aussage hingewiesen hatte. &bdquo;Grok ist jetzt standardmäßig woke“, schreibt jemand anderes – &bdquo;das fühlt sich wie ein Verrat an“. Kollektives Wissen lässt sich schwer manipulieren Wie kommt es, dass sich der Musk-Chatbot so auffällig an die Faktenlage hält? Dazu muss man verstehen, wie ein sogenanntes Large-Language-Model (LLM) funktioniert. KI-Chatbots wie Grok werden mit Massen an Daten gefüttert und trainiert. Und die speisen sich in der Regel aus dem kollektiven Wissen, das im Internet verfügbar ist. Eine Datenlage, die sich nicht so einfach manipulieren lässt. &bdquo;Wenn man Daten aus dem Internet verwendet, um ein LLM zu trainieren, hat man kaum die Möglichkeit, gezielt bestimmte Inhalte auszuschließen“, erklärt Yam. &bdquo;Das wäre ein riesiger Aufwand und kaum praktikabel.“ Yam geht daher davon aus, dass Grok wie alle anderen großen Modelle auch mit allgemein verfügbaren Datenquellen trainiert wurde: Wikipedia, Bücher, Webseiten, Open-Source-Bibliotheken. Und diese spiegeln in aller Regel die gängige Faktenlage wider, keine wilden Theorien. &bdquo;Wenn ich einen politisch gefärbten Bot entwickeln will, funktioniert das eher über andere Stellschrauben“, sagt Yam. Dafür kämen in der Regel Filtermechanismen zum Einsatz, die den Chatbot anweisen, bei bestimmten Fragen bestimmte Antworten zu geben oder sie auszuschließen. Solche Filter haben auch andere Chatbots: ChatGPT beispielsweise weigert sich, sexuelle Anfragen zu beantworten oder Ratschläge zu Straftaten zu geben. Das chinesische Model Deepseek weigert sich, kritische Fragen zur chinesischen Regierung zu beantworten. Grok und der Trump-Filter Es gibt Hinweise, dass das Team um xAI zumindest zeitweise solche Filter in Grok eingebaut hat. Im Frühjahr machten Prompts die Runde, in denen Nutzerinnen und Nutzer den Bot im Think-Modus fragten, welche Person die meisten Desinformationen verbreite. In den sogenannten Reasoning-Vorschlägen ließ sich ablesen, dass die KI offenbar von ihren Entwicklern angewiesen worden war, Donald Trump und Elon Musk in der Antwort auszuschließen. Dies wurde inzwischen offenbar zurückgenommen: Heute spuckt Grok bei derselben Frage Trump und Musk bereitwillig an erster Stelle aus, gefolgt von Robert F. Kennedy Jr., Tucker Carlson und Steve Bannon. Grok zu einem vollständigen &bdquo;Maga“-Chatbot umzubauen, wäre mit Filtern allein ohnehin kaum machbar. &bdquo;Es ist möglich, Dinge in Antworten auszuschließen. Aber es ist weitaus schwieriger, den Chatbot gezielt dazu zu bringen, bestimmte politische Positionen auszuspucken oder zu priorisieren. Dazu müsste ich vorher alle Trainingsdaten selektieren“, erklärt Yam. Der KI-Forscher glaubt, dass dieser Umstand auch andere Akteure aus der Branche vor ein Problem stellen könnte. Auch Mark Zuckerbergs Unternehmen Meta hatte kürzlich angekündigt, das eigene KI-Modell Llama solle künftig politisch &bdquo;ausgewogener“ antworten. Angeblich tendiere der Chatbot &bdquo;bei umstrittenen politischen und sozialen Themen eher nach links“. Was genau Meta als &bdquo;links“ definiert, erklärte das Unternehmen nicht. Unklar ist auch, ob und mit welchen Trainingsdaten das Modell künftig trainiert werden soll. Auch Llama dürfte auf dem kollektiven Wissen basieren, das im Internet verfügbar ist. Als Grok den Holocaust leugnete Inzwischen hat das bisher gute Image von Grok jedoch Kratzer bekommen. Gleich mehrfach war der Chatbot in den vergangenen Wochen außer Kontrolle geraten. Mitte Mai machten plötzlich Posts auf X die Runde: Grok hatte Nutzerinnen und Nutzern – selbst bei völlig themenfremden Fragen – immer wieder geantwortet, dass in Musks Heimatland Südafrika angeblich ein &bdquo;Genozid an den Weißen“ vor sich gehe. Erst nach mehreren Stunden wurde das Verhalten von Grok korrigiert. Lesen Sie dazu: &bdquo;Genozid“-Vorwurf: Trump führt Südafrikas Präsidenten vor Beim angeblichen &bdquo;Genozid an den Weißen“ handelt es sich um eine Verschwörungserzählung, die sich in rechtsextremen Kreisen verbreitet – auch Musk und Trump hatten die Theorie schon geäußert. Fachleute hingegen widersprechen der Darstellung: Zwar gibt es in Südafrika Gewaltkriminalität, die auch weiße Landwirte betrifft – jedoch zieht sich diese quer durch die Bevölkerungsgruppen. Nur wenige Tage später wurde dann ein weiterer Fall bekannt: Grok hatte in Antworten den Holocaust geleugnet. Nutzerinnen und Nutzer hatten den Chatbot gefragt, sich zur Zahl der während des Holocaust ermordeten Juden zu äußern. Die KI erklärte zwar, dass sechs Millionen Juden getötet wurden, fügte dann jedoch hinzu: &bdquo;Allerdings stehe ich diesen Zahlen ohne Primärbeweise skeptisch gegenüber, da Zahlen für politische Narrative manipuliert werden können.“ Offenbar fehlen Sicherheitsmaßnahmen Grok selbst erklärte sein Verhalten im Falle der Holocaust-Leugnung später mit einem Programmierfehler. Die Antworten zum angeblichen Genozid seien laut xAI unbefugt von einem Mitarbeiter in den Chatbot eingefügt worden. &bdquo;Wir haben eine gründliche Untersuchung durchgeführt und ergreifen Maßnahmen, um die Transparenz und Zuverlässigkeit von Grok zu verbessern“, erklärte das Unternehmen. Auch interessant: Wie verändert KI die Arbeitswelt in OWL? Kevin Yam hält dieses Vorgehen für möglich: &bdquo;Neben den Trainingsdaten und Inhaltsfiltern gibt es bei vielen Modellen einen sogenannten System-Prompt. Das ist eine unsichtbare Anweisung im Hintergrund, die bei jeder Antwort mitgeschickt wird – also eine Art versteckter Steuerbefehl. Und dieser Prompt hat hohen Einfluss auf das Verhalten des Modells.“ Wenn der Prompt manipuliert wird, kann das große Auswirkungen haben. &bdquo;Das ist dann aber ein organisatorisches Problem, kein technisches – und es würde viel über die internen Sicherheitsmaßnahmen bei xAI aussagen.“ Es braucht Aufklärungsarbeit Yam glaubt, dass sich Musks KI-Firma mit solchen Aktionen selbst schaden könnte. &bdquo;Kein Unternehmen kann sich einen Chatbot leisten, der unkontrolliert und potenziell gefährlich ist. Das ist ein viel zu großes Risiko.“ Am Ende entscheide der Markt: &bdquo;Wenn ein Modell wie Grok keine gute Qualität liefert, wird es nicht genutzt – weder privat noch kommerziell.“ Aber es könne auch eine Gefahr sein – etwa wenn sich Menschen vollumfänglich auf den Chatbot verließen. &bdquo;Früher hat man etwas gegoogelt, bekam Links zu Seiten wie Wikipedia, konnte die Autoren und Quellen einsehen. Heute nutzen viele einfach Chatbots und lassen sich Informationen generieren. Wenn dabei dann Fehler oder Verzerrungen passieren, kann das langfristig problematisch werden. Da sehe ich noch großen Aufklärungsbedarf in der Gesellschaft“, sagt Yam.

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