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„Warhammer: Realms of Ruin“ im Test: Nicht noch ein Lizenzspiel!

Das britische Entwicklerstudio Frontier Developments bringt mit „Realms of Ruin“ ein Echtzeitstrategiespiel im „Age of Sigmar“-Universum heraus. Wir haben es getestet.

Im Echtzeitstrategiespiel „Realms of Ruin“ kämpfen wir um die Vorherrschaft im Reich Ghur. | © Frontier Developments

Sebastian Beeg
07.12.2023 | 07.12.2023, 13:14

Als das britische Unternehmen Games Workshop, bekannt für Tabletop-Spiele im Warhammer-Universum, im Jahr 2015 das Spielsystem „Warhammer Fantasy“ einstampfte, war der Aufschrei in der Community groß. Denn damit endete eine mehr als 30-jährige Geschichte mit unzähligen Miniaturen für am Ende 15 unterschiedliche Fraktionen und mit einer Hintergrundgeschichte, die mithilfe von Büchern, Comics oder Videospielen immer weiter vorangetrieben wurde. Auf einen Schlag gab es das alles plötzlich nicht mehr.

Die Fanszene kritisierte diesen Schritt massiv. Games Workshop hat allerdings in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass das Geschäft vor dem Hobby kommt: Das Unternehmen will mit seinen Systemen schlichtweg Geld verdienen – schaut man auf die Preise der einzelnen Sets: möglichst viel davon.

Und „Warhammer Fantasy“ warf nicht genügend ab. Doch das Unternehmen mit Sitz in Nottingham zauberte schnell einen Nachfolger aus dem Hut: „Age of Sigmar“. Dieses System führt zwar in gewisser Weise die alten Fraktionen aus dem Fantasy-Kosmos weiter, ist aber dennoch stark an das weitaus erfolgreichere „Warhammer 40.000“ angelehnt.

Mittlerweile hat das Kapital gesiegt. Spätestens seit der zweiten Edition von „Age of Sigmar“ von 2019 erfreut sich das System einer wachsenden Beliebtheit. Vor Kurzem ist das nunmehr zweite Videospiel dazu erschienen, entwickelt und herausgegeben vom britischen Studio Frontier Developments. Wie sich „Warhammer Age of Sigmar: Realms of Ruin“ spielt und was es kann, haben wir getestet.

Drei Spielmodi zum Preis von einem

Zwischensequenzen in schicker Spielgrafik erzählen die Geschichte der Kampagne zwischen den Missionen. - © Frontier Developments
Zwischensequenzen in schicker Spielgrafik erzählen die Geschichte der Kampagne zwischen den Missionen. | © Frontier Developments

Nicht nur das Ende des „Warhammer Fantasy“-Spielsystems endete mit einem Knall – auch die Hintergrundgeschichte endet mit einem großen Finale. Die Mächte des Chaos zerstören die alte Welt. Aus den Überresten entwickeln sich die Reiche der Sterblichen (Mortal Realms). Das sind acht, scheibenweltähnliche Existenzebenen in einem fernen Kosmos. Verbunden sind diese Ebenen mit Reichstoren, die wiederum vergleichbar sind mit den Sternentoren bei Stargate – die Älteren erinnern sich bestimmt.

„Age of Sigmar: Realms of Ruin“ spielt nun in einem dieser Reiche. Ghur, das Reich der Bestien, ist ein unwirtlicher Ort, wo mehrere Fraktionen um die Vorherrschaft ringen. Die Sturmgeschmiedeten Ewigen sind menschliche Halbgötter, die ihrem Gott Sigmar dienen. Die Orruk-Moorpirscha sind hinterlistige und brutale, orkähnliche Geschöpfe. Die untote Fraktion des Nachtspuks besteht aus Geistern und Phantomen und will alles Leben zerstören. Und die Jünger des Tzeentch dienen dem gleichnamigen Chaosgott und sind vor allem stark in der Zauberei.

„Age of Sigmar: Realms of Ruin“ ist ein Echtzeit-Strategiespiel (abgekürzt als RTS nach dem englischen Ausdruck real-time strategy). Das heißt also, wir bauen genretypisch eine Armee auf, sammeln Ressourcen, indem wir wichtige Punkte auf der Karte einnehmen und bekämpfen den Gegner. Wichtig dabei sind vor allem die zwei Ressourcen, Führung und Reichsstein. Mit beiden heuern wir neue Truppen an oder führen Verbesserungen durch. Eine große Rolle spielen dabei arkane Leitungen. Das sind wichtige Punkte auf der Karte, die wir einnehmen und mit einem Gebäude bebauen können. Je stärker unser Einfluss an diesen Leitungen ist, desto mehr Ressourcen produzieren sie.

Unser Können beweisen wir dabei in drei unterschiedlichen Modi. In der Kampagne starten wir zunächst mit den Sturmgeschmiedeten, führen unsere Streitmacht rund um Heldin Sigrun von Mission zu Mission und gehen dabei dem Mysterium eines geheimnisvollen Artefakts nach. Im Eroberungsmodus bestreiten wir auf prozedural generierten Karten eine Reihe von Gefechten und spielen dabei die Eroberung Ghurs nach. Oder wir messen uns in Skirmish- oder Mehrspielerpartien mit Bots oder menschlichen Gegenspielern.

Stein-Schere-Papier führt zum Sieg

Auf einer Karte planen wir unsere nächsten Schritte im Eroberungsmodus. - © Frontier Developments
Auf einer Karte planen wir unsere nächsten Schritte im Eroberungsmodus. | © Frontier Developments

Zunächst ist da die Spielgrafik. Wir haben uns öfter die Einheiten oder Kämpfe aus der Nähe angeschaut, weil das Game gut ausschaut und wuchtig inszeniert ist. Wirklich gut hat uns zudem das verschlankte Gameplay gefallen. Anders als bei anderen Vertretern des Genres ist der Basenbau bei „Age of Sigmar: Realms of Ruin“ im Prinzip komplett eingedampft. Es gibt ein Gebäude, das bereits zu Beginn eines Spiels steht. Was wir in „Warcraft III“, „Age of Empires“ oder den „Command & Conquer“-Teilen jeweils mit einer Handvoll von Gebäuden regeln, läuft hier über einen zentralen Bau.

Das sorgt auch dafür, dass sich keiner der Kontrahenten in seiner Basis verschanzen kann. Beide kämpfen mit offenem Visier und müssen sich nicht erst langwierig durch kilometerlange und tief gestaffelte Verteidigungslinien kämpfen. Das gibt dem Spiel ein hohes Tempo, zumal dadurch immer irgendetwas auf der Karte los ist und wir schnell agieren oder reagieren müssen.

Das Kampfsystem ist dabei recht simpel und dennoch eine gute Lösung für das Spiel. Einheiten werden nach drei Schadensarten eingeteilt. In der Schlacht gibt es ein einfaches Stein-Schere-Papier-Verfahren. Fernkämpfer schlagen dabei Nahkampfeinheiten. Diese wiederum sind besonders gut gegen gepanzerte Einheiten. Während Letztere mit den Fernkämpfern leichtes Spiel haben. Wir sind also gezwungen eine immer ausgewogene Armee ins Feld zu führen und weiter zu tüfteln, wenn der Feind seine Truppen anders aufstellt.

Gut gefallen hat uns außerdem der Eroberungsmodus. Fernab der Kampagne können wir so weitere Abenteuer in der Spielwelt von „Age of Sigmar“ und damit unsere eigene Geschichte erleben. Das sorgt noch einmal für eine Portion Extra-Motivation.

Nerviges Mirco-Management

Auf die richtige Mischung kommt es an: Während unsere gepanzerten Einheiten (Schildsymbol) sich schwer mit den Nahkampfeinheiten (Schwertsymbol) tun, entscheiden die Fernkampfeinheiten links den Kampf für uns. - © Frontier Developments
Auf die richtige Mischung kommt es an: Während unsere gepanzerten Einheiten (Schildsymbol) sich schwer mit den Nahkampfeinheiten (Schwertsymbol) tun, entscheiden die Fernkampfeinheiten links den Kampf für uns. | © Frontier Developments

Die ist auch nötig, denn die Story der Kampagne hat uns nicht überzeugt. Das mag an der wenig innovativen Geschichte über ein altes Artefakt liegen oder an den Charakteren, die ziemlich blass bleiben. Ohnehin verschenkt „Age of Sigmar: Realms of Ruin“ hier viel Potenzial. Insgesamt wartet das analoge Spielsystem mit 24 unterschiedlichen Fraktionen und Armeen auf. Davon können wir im Spiel gerade einmal vier kommandieren – eine dürftige Ausbeute.

Allerdings eine gängige Praxis bei Spielen mit Warhammer-Lizenz. „Dawn of War“ startete dereinst ebenfalls mit vier Fraktionen. Weitere Völker wurden später nachgeliefert – in kostenpflichtigen Add-ons. Und tatsächlich sind bereits die ersten DLCs mit neuen Einheiten angekündigt. Der Preis soll zwischen fünf und neun Euro liegen. Positiv ist jedoch anzumerken, dass wir während der Kampagne zumindest öfter die Seite wechseln und somit drei der vier Fraktionen wenigstens kennenlernen.

Das verschlankte Gameplay wirkt sich auch auf unsere Einheiten aus. So gibt es etwa keine Formations- oder Stellungsbefehle. Wir können unsere Truppen in Marsch setzen, sie andere Einheiten angreifen lassen, zurückziehen oder einige Spezialattacken ausführen lassen. Mehr nicht. Das mag sich ins Konzept einfügen, führt während des Spiels aber zu kuriosen Situationen. So führen die Sturmgeschmiedeten Armbrustschützen in die Schlacht. Diese Einheit kann nur feuern, wenn sie kniet und damit in einer stationären Position ist. Aber auch dann feuert der Trupp nur nach vorne. Wird er von hinten attackiert, gehen die Lichter aus.

Zudem haben wir es nun schon einige Male erlebt, dass Einheiten nicht in Kämpfe eingegriffen haben, obwohl sie nur wenige Schritte danebenstanden. Das artet bisweilen in sehr nerviges Micromanagement aus.

Komplett deutsche Sprachausgabe, aber ...

Nervig ist zudem die Vertonung. Im Prinzip ist es Frontier Developments hoch anzurechnen, dass das Spiel eine komplette deutsche Sprachausgabe erhalten hat. Mittlerweile ist es Usus, dass zu der englischen Originalausgabe lediglich ein deutscher Untertitel mitgeliefert wird. „Age of Sigmar: Realms of Ruin“ ist da eine Ausnahme. Die einzelnen Rollen sind sogar mit namhaften Sprecherinnen und Sprechern besetzt.

Allerdings haben wir den Ton irgendwann abgeschaltet. Wir haben uns daran gewöhnt, dass bis an die Zähne bewaffnete Ritter, die aussehen wie Space Marines und einem Gottkönig dienen, voller Pathos strotzen. Nach der x-ten Wiederholung von „Wir sind der Hammer“ hat es uns dann aber auch gereicht. Das ständige gutturale Gegrunze der Dämonen und die nach einer Gespenster-Persiflage klingenden Untoten haben das leider nicht besser gemacht.

Fazit

Trotz der Stärken hat uns „Warhammer Age of Sigmar: Realms of Ruin“ nicht so wirklich abgeholt. Zugegeben: wir können dem „Age of Sigmar“-Spielsystem nicht viel abgewinnen. Zu sehr trauern wir dem alten Fantasy-System nach, was übrigens in den Warhammer-Teilen der „Total War“-Reihe grandios umgesetzt wurde.

Aber lassen wir das einmal außen vor, hat auch das Spiel an sich aus unserer Sicht zu viele Schwächen. Das liegt an den zu grob gezeichneten Charakteren und vor allem an der Tatsache, dass sich vor allem die Kämpfe sehr schwerfällig spielen – auch wenn die ohne Frage sehr gut aussehen. Eine Lizenz allein macht noch kein gutes Spiel. Fans von „Age of Sigmar“ werden vielleicht ihren Spaß haben. Alle anderen sollten sich vielleicht an den alten „Dawn of War“-Teilen versuchen.

„Warhammer Age of Sigmar: Realms of Ruin“ ist erhältlich für PC, Playstation 5, sowie Xbox Series X|S und kostet ca. 60 Euro. Wir haben die PC-Version auf Steam getestet.