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"Total War: Pharaoh" im Test: Lustloser Ausflug nach Ägypten

Im neuen Ableger der beliebten Strategie-Spielreihe schicken wir uns an, als göttlicher Herrscher das Ägypten der Bronzezeit zu regieren. Doch so ganz will der Funke nicht überspringen.

Im neuesten Ableger der „Total War“-Reihe begeben wir uns in das Ägypten der Bronzezeit. | © Creative Assembly

Sebastian Beeg
16.10.2023 | 16.10.2023, 14:11

Creative Assembly sorgt gerade für einige Schlagzeilen in der Gaming-Branche. Allerdings werfen die kein gutes Licht auf die britische Spieleschmiede. Zum einen gab es im August massive Kritik aus der Community, als ein neuer DLC (downloadable content; eine Form der Videospiel-Erweiterung) für „Total War: Warhammer III“ angekündigt wurde. Der beinhaltet drei neue Kommandanten für das erfolgreiche Strategiespiel, schlägt allerdings mit satten 25 Euro zu Buche und ist damit deutlich teurer als vergleichbare Erweiterungen, die eher für um die zehn Euro angeboten werden. Das führte auf Steam zu so genanntem Review-Bombing, also massenhaft schlechten Bewertungen. Die mehr als 2.100 Rezensionen sind größtenteils negativ.

Zum anderen gab der japanische Spielekonzern Sega, zu dem Creative Assembly seit 2006 gehört, Ende September bekannt, Stellen abbauen zu wollen. Wie viele der knapp 900 Beschäftigten betroffen sind, ist bislang nicht bekannt. Die im Konzernsprech angekündigten „strukturellen Reformen“ gehen aber auch einher mit dem Stopp einiger Projekte. Davon ist auch der Online-Shooter „Hyenas“ betroffen, an dem Creative Assembly seit 2018 arbeitet und der für den PC, PlayStation 4, PlayStation 5 und Xbox Series X/S erscheinen sollte. Besonders pikant dabei ist die Tatsache, dass die Entwicklung des Titels schon weit fortgeschritten war. So wurden erste Gameplay-Szenen auf der diesjährigen Gamescom im August vorgestellt – einen Monat bevor der Titel eingestampft wurde.

Da kommt dem Entwicklerstudio eine Ablenkung in Form einer Neuerscheinung gerade recht. Immerhin handelt es sich bei „Total War: Pharaoh“ um den nunmehr 16. Ableger einer der bekanntesten Strategie-Serien, die seit mehr als 23 Jahren für gute bis sehr gute Videospiel-Unterhaltung steht. Dieses von der Community lang ersehnte Spiel dürfte doch das Fiasko rund um einen DLC und den angekündigten Stellenabbau vergessen machen und wenigstens aus Gamersicht für positive Schlagzeilen sorgen. Oder?

Wir schreiben die Geschichte neu

Die Weltkarte ist in diesem Teil recht überschaubar und beinhaltet „nur“ das östliche Mittelmeer. Hier sind das Nil-Delta und die Sinai-Halbinsel zu sehen. - © Creative Assembly
Die Weltkarte ist in diesem Teil recht überschaubar und beinhaltet „nur“ das östliche Mittelmeer. Hier sind das Nil-Delta und die Sinai-Halbinsel zu sehen. | © Creative Assembly

Der Titel der Serie „Total War“ ist etwas irreführend. Kriege spielen durchaus eine wichtige Rolle in den Spielen, die in unterschiedlichen Epochen der Menschheitsgeschichte oder in der fantastischen Welt des Tabletop-Spiels „Warhammer“ angesiedelt sind. Vor allem die in Echtzeit ausgetragenen Taktikschlachten sind ein Kernelement und waren zum Erscheinen der unterschiedlichen Games auch immer hübsch anzusehen – weil hier große Einheiten mit Hunderten von Soldaten aufeinandertrafen.

Eine mindestens ebenso große Rolle spielt aber auch die Reichsverwaltung, in der die Spieler und Spielerinnen ihre Provinzen ausbauen, Gebäude errichten, auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingehen oder diplomatische Beziehungen mit anderen Fraktionen pflegen.

Verantwortlich für den aktuellen Teil zeichnet sich das Entwicklerstudio Creative Assembly Sofia, das einst unter den Namen Black Sea Studios und später Crytek Black Sea firmierte. Unter diesem Namen entwickelte das Studio Titel, die dem einen oder anderem Strategiefan geläufig sein dürften, etwa „Knights of Honor“ (2004). Zudem entwickelte das Studio 2020 „Total War Saga: Troy“.

In „Total War: Pharaoh“ übernehmen wir während der Bronzezeit, also in der Zeit etwa zwischen 2200 bis 800 v. Chr., die Geschicke einer Fraktion im östlichen Mittelmeer, spielen Ägypter, Kaanäer oder Hethiter. Dabei begegnen wir historischen Charakteren wie dem Pharao Merenptah. Wir fördern Ressourcen, bauen unsere Städte aus und unsere Armeen auf und erweitern unseren Machtbereich.

Einige schicke Neuerungen...

Zunächst sieht "Total War: Pharaoh" sehr schick aus. Die Präsentation ist schlüssig und an das Thema Bronzezeit angepasst. Zudem werden das Nil-Delta und die Levante stimmungsvoll in Szene gesetzt. Überdies spielt es durchaus eine Rolle, welchen Charakter wir am Anfang wählen. Denn jeder Anführer bringt seine eigenen Vorteile mit, etwa effektiverer Ressourcenabbau oder Vorteile beim Plündern gegnerischer Siedlungen. Diese Boni bestimmen unsere Spielweise mit und sorgen dafür, dass sich die einzelnen Charaktere auch unterschiedlich spielen.

Überhaupt wartet das Spiel mit einigen Rollenspielelementen auf. Im Laufe der Kampagne sammeln unsere Feldherren Erfahrungspunkte, die wir in unterschiedliche Attribute investieren können, um damit etwa die Versorgungskosten unserer Armee zu senken oder einen größeren Bewegungsradius auf der Weltkarte zu erhalten. Außerdem sammeln wir im Laufe der Zeit Gegenstände, mit denen wir unseren Charakter ausrüsten können – ein System, das wir bereits aus „Total War: Three Kingdoms“ kennen.

Ähnlich wie in diesem Vorgängertitel aus dem Jahr 2020 gibt es nun einen Hof mit verschiedenen Ämtern, an dem wir Intrigen spinnen und unseren Einfluss ausbauen können. Hier sammeln wir auch Legitimationspunkte. Sobald der alte Pharaoh Merenptah stirbt, bricht ein Bürgerkrieg aus. An dem können wir uns beteiligen, wenn wir genügend Legitimation zusammen haben. Nach 15 bis 20 Runden wird der Charakter mit der meisten Legitimation dann Pharao.

Damit erhalten wir Zugriff auf besonders starke Einheiten, weitere Boni und Herrschaftsfähigkeiten, die mit steigender Legitimation an Macht gewinnen.

Beim Kampf um Städte stehen uns lediglich Belagerungsgeräte wie Rammböcke, Sturmleitern oder Belagerungstürme zur Verfügung. Auf Artillerie müssen wir verzichten. - © Creative Assembly
Beim Kampf um Städte stehen uns lediglich Belagerungsgeräte wie Rammböcke, Sturmleitern oder Belagerungstürme zur Verfügung. Auf Artillerie müssen wir verzichten. | © Creative Assembly

Die sind auch bitternötig. Denn zumindest die ägyptischen Fraktionen werden früh im Spiel von den sogenannten Seevölkern heimgesucht. Bis heute hat die Geschichtswissenschaft noch nicht geklärt, wer diese Seevölker eigentlich waren oder woher sie kamen. Fakt ist nur, dass diese Gruppen um das 12. vorchristliche Jahrhundert in Wellen über einen längeren Zeitraum hinweg in die bestehenden kulturellen und politischen Ordnungen im östlichen Mittelmeerraum eindrangen und letztlich mitverantwortlich für den Zusammenbruch der Bronzezeit waren. Bei „Total War: Pharaoh“ landen diese Seevölker mit großen und starken Armeen an der Mittelmeerküste an und verheeren das Land. Wir müssen dabei alles aufbringen, um diese Angriffe abzuwehren. Eine echte Herausforderung.

Gelingt es den Angreifern, Städte zu erobern, dann werden diese kurzerhand dem Erdboden gleich gemacht. Erwischen die Seevölker dabei eine Provinzhauptstadt, dann sinkt auch der Zivilisationswert der Welt. Sinkt dieser Wert unter ein bestimmtes Level, dann droht die nächste Krise. Die Folge: Unsere Ressourcenproduktion sinkt und unsere Einheiten kämpfen schlechter. Das wird auch auf der Weltkarte visualisiert, in dem es insgesamt immer etwas dunkler wird.

Apropos Ressourcen: Die spielen bei „Total War: Pharaoh“ eine wichtige Rolle. Nahrung, Bronze, Holz, Stein und Gold werden benötigt, um die Bevölkerung und unsere Armeen zu versorgen, Städte aus- und Gebäude aufzubauen. Das neue Wirtschaftssystem gefällt uns richtig gut, zumal das auch Auswirkungen auf die Diplomatie hat. Haben wir in Vorgängerteilen stumpf Handelsabkommen abgeschlossen, die uns ein regelmäßiges finanzielles Einkommen gesichert haben, tauschen wir nun regelmäßig konkrete Waren. 100 Gold gegen 1.000 Nahrung, um eine Hungersnot zu verhindern oder 200 Bronze gegen 200 Stein um ein wichtiges Gebäude zu errichten liegen da an der Tagesordnung. Ein System, das sich aus unserer Sicht sehr gut in die gewählte Epoche einfügt.

... die leider nicht zu Ende gedacht sind

In den Schlachten ist es nicht immer ganz einfach, Freund von Feind zu unterscheiden. Hier kämpfen tatsächlich zwei gegnerische Einheiten gegeneinander. - © Creative Assembly
In den Schlachten ist es nicht immer ganz einfach, Freund von Feind zu unterscheiden. Hier kämpfen tatsächlich zwei gegnerische Einheiten gegeneinander. | © Creative Assembly

Es ist allerdings eine Epoche, die sich darüber hinaus nur bedingt für ein „Total War“ eignet. Vor allem wenn es zu den Schlachten kommt, werden die Nachteile der Bronzezeit deutlich. Keine Kavallerie, keine Artillerie, keine fliegenden oder magiebegabten Einheiten, wie in den Warhammer-Ablegern der Serie – die Liste jener Einheiten, die bei „Pharaoh“ zu Felde ziehen, ist sehr kurz und beschränkt sich größtenteils auf Infanterie. Das macht die Schlachten ungewöhnlich eintönig.

Der geringe Umfang ist ein generelles Merkmal des Spiels. Der spielbare Kartenausschnitt beschränkt sich auf das östliche Mittelmeer und ist im Vergleich zu anderen Teilen der Serie relativ klein geraten.

Zugegeben: Die Aufgaben auf der Ebene der Charakter- oder Reichsverwaltung hätten das Potenzial, diese Lücke zu füllen. Einige der neuen Funktionen erscheinen uns aber nicht zu Ende gedacht. Der Hof etwa ist zwar eine nette Angelegenheit. Die damit verbundenen Intrigen scheinen uns aber im Endeffekt nutzlos, weil es letztlich andere Wege zur Spitze des Reiches gibt. Oder die Bürgerkriege: Selbst wenn wir uns als stärkere Fraktion durchsetzen und Pharaoh werden, sind wir nicht automatisch Alleinherrscher über Ägypten. Ein schaler Sieg.

Und so sehr wir das neue Handelssystem begrüßen, haben wir über die Diplomatie bisweilen geflucht. Zumindest in unseren Testpartien war es bockschwer, Verbündete zu finden. Weil sich die computergesteuerten Fraktionen offensichtlich auf stur stellen, sobald es zu entsprechenden Verhandlungen kommt.

Die KI ist es auch, die uns während des restlichen Spiels das eine oder andere Mal den Kopf schütteln lässt. So landete in unserer Kampagne mit einer ägyptischen Fraktion eine mit uns verfeindete Streitmacht in unserem Herrschaftsgebiet. Dieser Bereich war von uns schändlich vernachlässigt worden und unbewacht. Die feindliche Armee hingegen stark und hochgerüstet, begnügte sich jedoch damit, einige Außenposten im Hinterland zu zerstören, statt auf die vor ihr liegende Provinzhauptstadt zu marschieren.

In einem anderen Fall standen wir mit unserer hethitischen Armee in einer gegnerischen Provinz. Die dortige Hauptstadt wurde von zwei Armeen bewacht, hinzu kamen Garnisonstruppen. Die KI verlegte in ihrem Zug eine der beiden Armeen und ermöglichte es uns damit erst, die Stadt anzugreifen. Hier müssen die Entwickler, wie so oft bei Titeln der „Total War“-Serie, dringend nachbessern.

Zu guter Letzt ist da der Preis. „Total War: Pharaoh“ klingt wie ein regulärer Titel der Serie. Es kostet mit 60 (Standardversion) bis etwa 92 Euro (Spiel mit drei DLCs, einem Kampagnenpaket und dem Soundtrack) so viel wie ein regulärer Titel. Es wird beworben wie ein regulärer Titel. Aber im Endeffekt ist „Pharaoh“ ein Saga-Titel, also ein Spiel, das zwar die Mechaniken von „Total War“ aufweist, aber in seinem Umfang deutlich abgespeckt ist. Preis und Leistung stehen hier eindeutig in einem großen Missverhältnis.

Fazit

Gut gemeint ist nicht zwangsläufig gut gemacht. „Total War: Pharaoh“ gehört für uns zu den schwächeren Serienteilen, weil er den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird. Zum einen, weil die gewählte Epoche zwar einen interessanten historischen Hintergrund liefert, der sich aber negativ auf die Möglichkeiten im Spiel auswirkt. Zum anderen, weil Creative Assembly und Sega mit ihrer Preispolitik zeigen, dass sie so gar nichts aus der Kritik der jüngeren Vergangenheit gelernt haben. Manchmal ist weniger nicht immer mehr. Creative Assembly muss zusehen, dass es nicht noch mehr von dem Weniger produziert.

"Total War: Pharaoh" ist erhältlich für PC und kostet zwischen ca. 60 und 92 Euro. Wir haben die PC-Version auf Steam getestet.