Games

"PGA Tour" im Test: Abschlag zum fast perfekten Golfspiel

Nach acht Jahren gibt es endlich wieder eine Golf-Simulation von EA Sports. Ausschließlich für die Next-Gen-Konsolen und den PC entwickelt, soll es das aktuell realistischste Golfspiel der Welt sein. Wir haben getestet, ob es gar ein Hole-in-one ist.

Abschlag zum neuen Golf-Videospiel von EA Sports, während Zuschauerinnen und Zuschauer den Golfplatz säumen und wir hoffen, dass unser Ball nicht in einem der Sandbunker landet. | © EA Sports

Christian Lund
14.04.2023 | 14.04.2023, 18:00

Es gibt kaum etwas Befriedigenderes als das Geräusch, wenn ein Golfball im Loch landet. Also: für Golferinnen und Golfer. Freunde des Bowling-Sports oder des Fußballs oder des Unterwasser-Rugbys haben vermutlich andere befriedigendere Geräusche, aber wer sich auf Golfplätzen tummelt, liebt dieses Geräusch. Bestenfalls in einer Verbindung mit einem Hole-in-one-Schlag (wobei man da in der Regel das Geräusch nicht hört). Der gelingt, wenn man direkt vom Abschlag aus einlocht. Weltweit sind Amateur- und Profispieler auf bekannten und weniger bekannten Plätzen unterwegs, um mit möglichst wenig Schlägen den Ball einzulochen. Und was in der realen Welt so wunderbar funktioniert, hat sich seit Jahrzehnten auch schon in die Videospiel-Welt übertragen.

Im Jahr 2015 hatte das US-amerikanische Entwicklerstudio Electronic Arts sein letztes Golfspiel auf den Markt gebracht ("Rory McIlroy PGA Tour"), das aber bei der Kritik nur durchschnittlich gut ankam. Danach wurde es ruhig um das Thema Golf-Simulation von EA Sports. Für digitale Golf-Spieler war Publisher-Konkurrent 2K Games mit seinen Simulationen ("The Golf Club", "PGA Tour 2K") die einzige Alternative. Bis jetzt. Am 7. April 2023 hat EA Sports ausschließlich für die aktuelle Konsolengeneration und PC seine neuste Version von "PGA Tour" auf den Markt gebracht. Wir haben ausführlich getestet, wie gut dieser neue Abschlag zur Tee-Time ist. Oder ob es ein Schlag in den nächsten Bunker ist.

Worum geht's?

"PGA Tour" nennt sich vollmundig "Road to the Masters" und umfasst damit Herausforderungen, Online-Turniere und Ausrüstung für das Masters. Dazu sind alle vier Majors im Golf der Herren enthalten, die anspruchsvollsten und begehrtesten Golfturniere der Welt: Masters Tournament, PGA-Championship, U.S.-Open-Championship und The Open Championship.

30 Golfplätze sind spielbar, und alle sollen mithilfe modernster Techniken aus allen Richtungen realitätsnah dargestellt werden. Dazu sind die Golfplätze mit Drohnen, Flughelikoptern mit LiDAR-Scannern (Light Detection and Ranging), Fotogrammetrie und spezieller Geländeverarbeitungstools genaustens nachgebildet worden. Ja, sie haben sogar versucht, die unterschiedlichen Gras-Arten darzustellen. EA Sports hat also einen immensen Aufwand betrieben, um das bestmögliche Spielerlebnis zu bieten. Das aber besteht nicht nur daraus, auf den täuschend echt aussehenden Golfplätzen zu spielen. Wollte EA Sports es am Ende zu gut machen?

Was uns gefallen hat

Selbst ein Schlag aus einem Sandbunker fühlt sich extrem realistisch an. - © EA Sports
Selbst ein Schlag aus einem Sandbunker fühlt sich extrem realistisch an. | © EA Sports

Es gibt viel Positives zu sagen über "PGA Tour". Natürlich (!) sehen die Golfplätze fantastisch aus! Man muss dazu sagen: Wir sind keine echten Golfer, aber wir haben "PGA Tour" mit echten Golfern gespielt, die zuvor noch nie einen Abschlag gemacht haben, bei dem sie nur den Daumen am Controller bewegen mussten. Erst zogen wir uns den Spott zu, dass wir bequem vom Sofa aus an unserem Handicap arbeiten, aber nach dem ersten Abschlag war der Spott schlagartig verstummt. Denn die Grafik ist schlichtweg grandios. Da kann auch der Mitbewerber von 2K Games nicht mithalten. Wir haben unter anderem eine Partie auf dem Old Course im schottischen St. Andrews gespielt, wo unser Echt-Golfer tatsächlich auch schon gewesen ist. Und auch wenn man nicht sicher sagen kann, dass jede Unebenheit des Platzes auf dem Bildschirm eine Entsprechung in Schottland findet, so sieht es dennoch sehr detailgetreu aus.

Auch um die einzelnen Spielbahnen herum ist einiges los. Die Zuschauer sehen glücklicherweise nicht so eindimensional aus wie das in früheren Spielen gerne der Fall war, sondern bilden eine heterogene Masse ab. Manche jubeln, andere stehen herum, manch einer schaut sogar auf sein Handy. Und was wir auch entdeckt haben: Selbst im Hintergrund der Zuschauer bewegen sich auf den Wegen noch einzelne Menschen. Das macht die Umgebung natürlich wundervoll lebendig.

In der Regel aber hat man bei einem Match natürlich nicht so viel Gelegenheit, auch noch auf solche Feinheiten zu achten. Da geht's dann ums Spiel an sich. Das ist sowohl für echte Golfspieler als auch für Anfänger gut gemacht. Gerade Spielerinnen und Spieler, die sich mit Golf auskennen, finden vielfältige Einstellungsmöglichkeiten, um die Simulation noch mehr auf ihre eigene Person und Spielfertigkeiten auszurichten. Wer gerade erst anfängt, hat aber auch keine Schwierigkeiten, schnell ein paar Bälle zu schlagen.

Nicht die beste Ausgangssituation, aber die blaue Kurve zeigt die prognostizierte Flugkurve unseres Balls an. Unten rechts sehen wir die Schlagart und den gewählten Schläger. Bis zum Loch sind es noch 139 Yards. - © EA Sports
Nicht die beste Ausgangssituation, aber die blaue Kurve zeigt die prognostizierte Flugkurve unseres Balls an. Unten rechts sehen wir die Schlagart und den gewählten Schläger. Bis zum Loch sind es noch 139 Yards. | © EA Sports

Das Spiel wählt automatisch den besten Schläger aus, der nach eigenen Wünschen auch wieder geändert werden kann. Auch die Schlagtechnik (es gibt 20 verschiedene) wird vorausgewählt, auch die kann man dann natürlich ändern, ebenso wie die Frage des Effets oder wie man die Flugbahn möglicherweise ausrichten sollte, weil da ein bisschen Wind von See kommt. Wie oben schon beschrieben, schlagen wir auf der PS5 derzeit noch mit dem Daumen am Analogstick ab, EA Sports hat aber bereits angekündigt, auch den beliebten Drei-Klick-Swing in den nächsten Wochen zurückzubringen. Perfekte Abschläge werden übrigens besonders mit sogenannten "Big Hit Moments" in Zeitlupe inszeniert – erlebt haben wir das in unseren Spielen noch nicht. Wir feilen noch an der Perfektion.

Das Gefühl beim Abschlag, bei den Ballgeschwindigkeiten, bei den Auswirkungen des Windes, bei der Schlagstreuung und auch das Spielen aus dem Rough und den Sandbunkern ist sehr realistisch. Der Ball verhält sich in den meisten Fällen so, wie man es aufgrund der Begebenheiten erwarten darf. Dass der Ball sich anders bewegt als geplant, ist vielmehr persönliche Unfähigkeit. Beim Putten dauert es ein bisschen, bis man Übung darin hat, das Green zu lesen, wie der gemeine Golfer so sagt. Erfolgserlebnisse fühlen sich dann ähnlich gut an wie im echten Golfer-Leben.

Das bringt uns zum Karriere-Modus: Hier können wir uns eine eigene Spielerin oder einen eigenen Spieler erschaffen, mit der oder dem wir versuchen können, die Weltranglisten emporzuklettern. Bei den deutschen Spielern sieht das derzeit nicht so richtig gut aus, deshalb gibt's bei "PGA Tour" derzeit auch keinen der Profis. Vielleicht muss deshalb mal ein Amateur von unten kommen. Leider fehlt es auf dem Platz aber an echten Rivalen, die uns das Leben schwer machen. Auch sonstige Interaktionsmöglichkeiten, wie wir sie aus anderen Sport-Simulationen kennen, zum Beispiel TV-Interviews oder sonstige Formen der Interaktion außerhalb des Spielgeschehens, finden nicht statt. Stattdessen verdienen wir nach und nach Erfahrungs- und Skillpunkte. Mit Letzteren können wir unsere Fähigkeiten verbessern und mehr Schlagarten freischalten.

Was uns nicht gefallen hat

Ein bisschen Jammern auf hohem Niveau ist es vielleicht, dass die Darstellung der Golfspieler nicht so brillant gelungen ist wie die Plätze, auf denen sie spielen. Ihre Gesichtszüge sehen auch bei freudigen Anlässen eher schmerzhaft aus, als ziehe ihnen jemand im Nacken die Gesichtshaut in die richtige Position. Aber den Anblick kann man vermutlich im wahrsten Sinne des Wortes verschmerzen, denn es geht ja ums Golfen und nicht darum, wie schlecht die teure Faltencreme aus dem Golf-Shop wirkt.

Es fehlt außerdem eine deutsche Sprachausgabe, die wir sehr begrüßt hätten. Auch alle Menüs und Erklärungen sind auf Englisch, was es gerade Anfängern im Golfsport nicht gerade erleichtert, den richtigen Zugang zu finden. Noch mehr ins Gewicht fällt in diesem Zusammenhang aber, dass es keine echte Einführung ins Golfspiel gibt, kein Tutorial, keinen Trainer, keinen Ghost, der uns hilft. Zwar bietet das Spiel die sogenannte Coaching Academy, aber es fehlt der leibhaftige Coach. Alles, was man angeblich wissen muss, wird in Texten erklärt. Auf dem Platz steht man dann alleine, und vor allem die Fehler, die man macht, muss man sich selbst erklären und dann vermuten, was man ändern kann, um es besser zu machen. Der Trainingseffekt ist gleich null. Vielleicht erkennt EA Sports aber selbst, dass man das besser machen kann.

Ansonsten hätten wir uns bei unseren schnellen Spielen, die wir entweder alleine oder gegen Freunde auf dem Sofa spielen, Zuschauer gewünscht. Vielleicht ist das auch eine Einstellungssache, dann haben wir sie einfach noch nicht gefunden. Was auch nicht besser ist. Dazu passt, dass die Menüs und Benutzeroberflächen viel zu sperrig sind. Man wird einfach nicht so richtig schlau aus ihnen. Da hätte mal einer vor dem Release ordentlich durchwischen sollen.

Und eine absolut nervtötende Sache noch zum Schluss: Wir wissen, dass "PGA Tour" vollgepfropft ist mit Lizenzen. Darauf kann man auch stolz sein. Aber muss man wirklich bei den Turnierserien, die man spielt, ständig und wiederholt die Serien einblenden? Nach dem Abschlag. Nach dem Jubeln der Spielerin. Nach dem Zwischenstand. Spätestens am dritten Loch sollte selbst der dümmste Golfspieler wissen, in welcher Turnierserie er gerade unterwegs ist. Ach nee, besser noch mal einblenden.

Fazit

"PGA Tour" ist ein tolles Golfspiel, vor allem grafisch. Es ist immer noch Luft nach oben, es gibt noch ein paar Fehler zu korrigieren, aber EA Sports hat schon angekündigt, dass sie sich sehr mit dem Feedback der Spielerinnen und Spieler auseinandersetzen. Auf der EA-Webseite gibt es eine (englischsprachige) Liste, welche Themen sie sich vornehmen wollen. Für das Spiel spricht außerdem die sehr niedrigschwellige Chance für Neueinsteiger, schnell ein paar Bälle schlagen zu können und nicht gleich frustriert den Driver über den Platz pfeffern zu müssen.

Für Profis gibt es so viele Einstellungsmöglichkeiten, dass sie vielleicht etwas Muße brauchen, um den perfekten Stil zu finden, aber auch sie sollten dann für die Schlechtwetterphasen in "PGA Tour" einen guten Ausgleich zum heimischen Green finden. "PGA Tour" ist noch nicht perfekt, kein Hole-in-one, aber es ist ein hervorragendes Golf-Videospiel, das mit Liebe zum Detail und manchen der schönsten Golfplätze der Welt punkten kann.

"PGA Tour" ist seit dem 7. April 2023 erhältlich für PlayStation 5, Xbox Series X|S und PC. Das Spiel kostet rund 70 Euro.