Serien-Hype "Tiger King": Gibt es einen deutschen Joe Exotic?

Die mehrteilige Netflix-Dokumentation "Tiger King" geht aktuell durch die Decke und erlebt einen regelrechten Hype. In der Serie geht es einen Raubkatzenhalter aus Amerika. Raubkatzen im privaten Besitz? Scheint auf den ersten Blick unvorstellbar, zumindest in Deutschland. Ist es aber nicht. Gibt es also auch in Deutschland Menschen wie Protagonist Joe Exotic? Eigentlich heißt der extrovertierte Mann mit dem gefärbten Vokuhila Joseph Allen Maldonado-Passage, geboren Schreibvogel. Irgendwann bekam er seinen Spitznamen: Joe Exotic. Zu verdanken hat er den zig Raubtieren, darunter Tiger und Löwen, die er im US-Bundesstaat Oklahoma in seinem Privatzoo hielt. In der Doku wird Joe Exotic begleitet. Wie er seinen Zoo führt, wie er seine polygame Beziehung führte, wie er sich Freunde und Feinde machte - bis hin zu seiner Verurteilung. Denn der "Tiger King" soll den Mord an seiner Erzrivalin in Auftrag gegeben haben. Nun lebt Exotic selbst in Gefangenschaft - wie seine vielen Raubtiere. Joe Exotic hielt zig Raubkatzen So viel vorweg: Einen "deutschen Joe Exotic" wird es wohl nicht geben - und das ist auch gut so! Immerhin soll der Amerikaner hunderte Tiger, Löwen oder andere Raubtiere besessen haben. Was es in Deutschland allerdings sehr wohl gibt, sind Tiger oder andere große Raubkatzen in Gefangenschaft - auch von Privatpersonen. Denn - ob man es glaub oder nicht - es ist in Deutschland zumindest nicht verboten, eine solche Raubkatze zu halten. Eine Situation, die vor allem Tierschützer in Sorge versetzt - so auch Yvonne Würz von der Tierschutzorganisation Peta. Doch was gilt eigentlich? Jeder, der sich eine Raubkatze überhaupt anschaffen will, müsse gewisse Auflagen erfüllen. Angefangen bei Mindestgrößen der Gehege oder der Zaunhöhe, bis hin zu gültigen Papieren der Tiere - zumindest wenn diese unter das Washingtoner Artenschutzabkommen fallen. Erlaubt seien demnach nur Tiere aus der Nachzucht. Heißt: Tiere, die gezüchtet und in Gefangenschaft geboren wurden. "Im Grunde kann sich aber jeder eine solche Raubkatze zulegen", bemängelt Würz. Anforderungen an die Gehegegröße und den Auslauf wird in dem Gutachten "Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren" des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft geregelt. Für Löwen, Tiger und Geparde müsse man demnach eine Auslauf von 200 Quadratmetern schaffen, hinzu kommen - je nach Art - 20 Quadratmeter Innengehege. Tierschützer bemängeln Anforderungen Für kleinere Raubkatzen wie Luchse oder Pumas brauche es weniger Platz. "Viel zu klein", heißt es von Peta. Zum Vergleich: Ein Fußballfeld hat immerhin eine Größe von etwa 7.000 Quadratmetern. Zudem zeigen große Raubkatzen in Gefangenschaft laut Würz häufig Verhaltensauffälligkeiten. Martin Rittershofen von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten bemängelt: "Deutschland ist in dieser Sache ein Flickenteppich." Denn laut Experten sei die Privathaltung von gefährlichen Tieren nicht in allen Bundesländern gesetzlich geregelt. Andere Länder haben hier bessere Vorgaben: So dürfen in Österreich Großkatzen und viele andere Wildtiere nur in Zoos gehalten werden und in den Niederlanden gibt es eine Positivliste mit Arten, die sich als Haustiere eignen. Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit muss man die Haltung eines solches Tieres bei den zuständigen Naturschutzbehörden der Bundesländer melden. Eine Sprecherin teilte mit: "Es wird zudem darauf hingewiesen, dass neben den artenschutz- und tierschutzrechtlichen Regelungen ggf. Regelungen zur Haltung gefährlicher Tiere beachtet werden müssen, für die in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Regelungen gelten. Während in manchen Bundesländern umfassende oder teilweise Haltungsverbote und Melde- oder Genehmigungspflichten oder umfangreiche Auflagen gelten, wird in anderen Bundesländern den örtlichen Behörden überlassen, eigene Regelungen zur Gefahrenabwehr zu treffen und Verbote auszusprechen." In NRW haben die Grünen derweil einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der unter anderem die Haltung von Raubkatzen beschränken soll. Dieser befindet sich jedoch noch in der Beratung. Tierschützer: Wohl kein "Joe Exotic"-Pendant in Europa Rittershofen gibt zu Bedenken: "Es gibt zwar in Deutschland ein Verbot für den Handel mit Tigern aus der Wildnis, gezüchtete Tiere sind aber zu wenig geschützt." Wer hält überhaupt solche Tiere? Experten sind sich einig: Es gibt zwar kein &bdquo;Joe Exotic"-Pendant in Europa, aber Tiger werden noch in vielen europäischen Ländern in unseriösen Zoos, Zirkussen oder bei niedergelassenen Tiertrainern zu kommerziellen Zwecken gehalten. Dort werden zum Beispiel Tigerbabys zum Streicheln angeboten, so Rittershofen. "Das geht schon in die Richtung von Joe Exotic, der einen solchen Privat-Zoo besaß." Vier Pfoten nennt auch ein Beispiel in Europa: In Frankreich gebe es demnach Einrichtungen, in denen zehn Minuten mit einem Tigerbaby 50 Euro kosten. Und auch in Deutschland habe Vier Pfoten zumindest ähnliche Fälle dokumentiert. 7.000 Tiger in den USA in Gefangenschaft? &bdquo;So harmlos sich das Tigerstreicheln, die Selfies mit Tigern oder Zirkustricks in der Manege auch anhören, es geht oft um ein hartes Geschäft. Mit Tigerbabys lässt sich gut Geld verdienen. Daher sind kommerzielle Zucht, Haltung und Handel mit Tigern ein großes Problem auch in Europa", meint Rittershofen. Erst vor kurzem hat sich Vier Pfoten einmal mehr mit diesem Thema auseinandergesetzt. Das Ergebnis: In der EU werden von den Behörden 913 gefangene Tiger aufgeführt, darunter auch Zootiere. Die Organisation selbst jedoch kommt auf eine Zahl von etwa 1.600 Tigern. Besorgniserregend: Man geht davon aus, dass in den USA etwa 7.000 Tiger in Gefangenschaft leben - knapp doppelt so viele wie in freier Wildbahn. Zudem heißt es: Laut deutschen Behörden würden etwa 160 Tiger in Deutschland gehalten, Vier Pfoten geht von mehr als 200 Tigern aus. Insgesamt haben die meisten Länder laut Vier Pfoten in der EU keinen Überblick, wie viele Tiger tatsächlich in Gefangenschaft leben. &bdquo;Die Behörden wissen nicht, wie viele gezüchtete Tiger sich derzeit in Europa befinden, wohin sie im Laufe ihres Lebens verkauft werden und wo sie sterben. Aufgrund der laschen Gesetze in der EU wird eine streng geschützte und gefährdete Art wie Ware für Zucht, Handel und Ausbeutung innerhalb der EU und weltweit herumgereicht. Wir brauchen ein konsequentes Verbot des kommerziellen Handels mit Tigern in der EU", sagt Rittershofen. In der Tschechischen Republik seien Tiger sogar illegal für die Produktion von traditioneller Medizin verwendet worden, die auf dem Schwarzmarkt verkauft worden seien. Raubkatzen im Internet angeboten Viele dieser Raubkatzen werden laut Würz unter anderem in Osteuropa gezüchtet. Der Kauf der Tiere sei nicht mal strafbar - auch die Einfuhr nach Deutschland nicht. Würz schätzt, dass für ein Jungtier 2.000 Euro aufwärts fällig sind. Angeboten werden die Tiere zum Teil im Darknet - aber auch im Internet. Würz berichtet von einem Fall, bei dem jemand einen Weißkopfbüschelaffen über ebay-Kleinanzeigen verkaufen wollte. Und auch auf anderen freizugänglichen Internetseiten werden Raubkatzen wie Karakals oder andere Exoten zum Kauf angeboten. Würz seien in Deutschland aber ebenfalls nur Einzelfälle bekannt, in denen Privatpersonen große Raubkatzen im Eigenheim hielten. Gepard im Hotel, Gassigehen mit Puma Doch die Fälle haben es zum Teil in sich: Ein Hotel in Baden-Württemberg wirbt auf der Internetseite mit einem Gepard, der auf dem Grundstück lebt. Ein anderer Mann aus Baden-Württemberg habe einen Puma in seiner Wohnung gehalten, aufgefallen sei das erst, als er mit der Raubkatze "Gassi" gegangen sei. Ein Landwirt in Sachsen-Anhalt soll derweil mehrere Löwen gehalten haben. "Ein Problem sind auch sogenannte 'Petfluencer', die sich in sozialen Medien mit exotischen Tieren schmücken", sagt Würz voller Sorge. "Das kann schnell einen Hype auslösen..." Was macht der "Tiger King" mittlerweile? Joe Exotic sitzt im Gefängnis. Er wurde zu 22 Jahren Haft verurteilt. Er ist wohl der große Verlierer der gesamten Dokumentation. Allerdings lässt das Interesse an dem Joe Exotic keineswegs nach: Denn zuletzt geriet der Tigerhalter in die Schlagzeilen. Laut dem US-Promiportal TMZ arbeiten die Anwälte des 57-Jährigen an einer Bitte um Begnadigung. Und das direkt bei US-Präsident Donald Trump. Der hatte sich bereits Wochen zuvor zu dem Fall geäußert. Er kenne den Fall zwar nicht, wolle sich allerdings damit beschäftigen, sagte er Anfang April. Kommt er also wieder frei? Fraglich.

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