So sollen Handys im Kampf gegen das Coronavirus helfen

Berlin/Bielefeld. Das Handy soll zum Mitstreiter im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus werden. Immer mehr Länder nutzen Mobilfunkdaten, um Infektionsketten nachvollziehen und unterbrechen zu können. Mitunter kommt sogar Überwachungstechnologie zum Einsatz, die sonst zur Terrorbekämpfung eingesetzt wird. In Deutschland flammt die Debatte über das Tracking nach einem ersten Versuch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wieder auf. Die Bundesregierung will das Thema nach Ostern beraten, als möglichen Weg aus dem Shutdown. Doch wie können Mobilfunkdaten gegen die Ausbreitung des Coronavirus helfen? Der Staat kann bereits jetzt die Standortdaten von Handys nutzen. Die Mobilfunkanbieter dürfen die Daten allerdings nur anonymisiert weitergegeben. Die Telekom-Tochter Motionlogic hat dem Robert-Koch-Institut (RKI) auf dieser Grundlage am 17. März bereits anonymisierte Daten geliefert, woraus die Bundesoberbehörde für Infektionskrankheiten ablesen konnte, dass sich die meisten Menschen in Deutschland an die Einschränkungen halten und sich deutlich weniger bewegen. Die Bewegung von Einzelnen lässt sich nach Angaben der Bundesregierung so allerdings nicht nachvollziehen. Parteiübergreifende Zustimmung für Gesundheitsminister Spahn Nach Willen von Gesundheitsminister Spahn und anderen Politikern wie dem parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), soll sich das aber bald ändern, um die Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu lockern, den Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus aber aufrecht zu erhalten. Auch mehrere Politiker von SPD, Grünen und der Linkspartei haben sich für eine solche Lösung ausgesprochen, solange die Nutzung freiwillig bleibt. Ebenso wie der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber, sehen die Politiker in einer Anti-Corona-App eine Möglichkeit zur Eindämmung der Virus-Pandemie. "Wenn die Nutzer einer App ihre freiwillige Einwilligung zur Datenverarbeitung geben, könnte eine technische Lösung zur Identifikation von Infektionsketten sicher ein sinnvoller Beitrag zur Krisenbewältigung sein", sagte Kelber dem Handelsblatt. Mit dem Tracking von Standortdaten sollen Kontaktpersonen von Infizierten gefunden werden, um laut Spahn Ausbrüche neuer Infektionsketten schnell zu erkennen und zu beenden. Nach Einschätzung des RKI könnte eine App, die auf Standortdaten zugreifen kann, diesen Prozess erheblich beschleunigen. Europaweit arbeiten aktuell Forschungsinstitute daran, mit einer digitalen Lösung einen Beitrag zur Eindämmung des Coronavirus leisten zu können. Die Satelliten-Ortung ist bis auf wenige Meter genau Im Kern gibt es laut Telekom zwei Wege, um an Informationen über die Position eines Mobiltelefons zu gelangen: Über die Funkzelle oder über Satelliten-Systeme zur Positionsbestimmung wie GPS. Die Standortbestimmung über Funkzellen lehnen Spahn und weitere Befürworter des Trackings während der Corona-Krise jedoch ab, weil sie ungenau ist. Auch Bundesdatenschutzbeauftragter Kelber bewertet die Maßnahme als ungeeignet zur Infektionsbekämpfung. In einer Funkzelle kann man laut Telekom nur die ungefähre Position eines Telefons am Abstand zu Sendemasten bestimmen. Die Satelliten-Ortung ist hingegen bis auf wenige Meter genau, bedarf in den Betriebssystemen Ios und Android aber der Zustimmung der Nutzer. Aus diesem Grund plädiert Spahn für die Nutzung einer App, die Bürger freiwillig auf ihrem Handy installieren, um im Fall eines positiven Coronatests automatisch anonymisierte Hinweise an die Menschen versenden, mit denen der Handybesitzer in den vergangenen zwei Wochen Kontakt hatte. Umfrage: 50 Prozent haben kein Problem mit Tracking Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov gibt es für solche Überlegungen viel Rückhalt in Deutschland. 50 Prozent erklären, dass die Ortung von Kontaktpersonen von Infizierten für sinnvoll hielten. 38 Prozent fänden das unangemessen. Apps mit GPS-Zugang werden derzeit auch in anderen Ländern eingesetzt. Das israelische Gesundheitsministerium hat eine App entwickeln lassen, mit deren Hilfe Nutzer über den Kontakt mit Corona-Infizierten informiert werden. Über die App erfahren Nutzer, wenn sie sich in den 14 Tagen vor einem positiven Coronatest in der Nähe eines Infizierten aufgehalten haben. Die App verfolgt die Standorte der Nutzer und gleicht sie mit den Informationen des Gesundheitsministeriums ab. Israel erlaubt dem Geheimdienst zudem den Einsatz von Überwachungstechnologie auf den Handys von Infizierten. Normalerweise wird diese Technologie zur Terrorbekämpfung genutzt. Südkoera dient als Vorbild für Deutschland Südkorea wird von Spahn und anderen Befürwortern des Trackings häufig als Vorbild im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus benannt. Laut Spahn beweist das Vorgehen in Südkorea, dass die Nutzung von Handydaten auch in demokratischen Staaten möglich ist und dadurch das Virus eingedämmt werden kann. Der Gesundheitsminister hält das Tracking für unausweichlich, wenn die Einschränkungen des öffentlichen Lebens gelockert werden sollen. Allerdings übermittelt die App mit GPS-Zugang in Südkorea nicht nur den Standort des Nutzers, sondern auch Informationen über Alter, Geschlecht und Gesundheit. Der Bielefelder Verein Digitalcourage warnt unterdessen vor anlassloser Massenüberwachung, Krisenregelungen, die zum Normalfall werden und dem Ausklammern des Datenschutzes. Maßnahmen müssen nach Angaben des Vereinsvorsitzenden padeluun immer freiwillig sein. Zudem müssen auch in Krisenzeiten Datensicherheit, Löschmöglichkeiten und die Rechte der Betroffenen bedacht werden. Bundesdatenschutzbeauftragter Kelber erklärt zudem, dass in vielen anderen Ländern der Datenschutz bereits vernachlässigt werde. Die Weitergabe anonymisierter Informationen, wie die, die von der Telekom an das RKI übermittelt wurden, stuft Kelber als rechtskonform ein.

Meistgelesen