Beim Kauf eines gebrauchten Diesel oder Benziners stehen vor allem die Laufleistung, ein möglicher Ölverlust oder das Alter des Zahnriemens auf der Checkliste. Auch Motorengeräusche können einen Hinweis darauf geben, in welchem Zustand das Auto ist. Bei einem E-Auto hingegen gibt es keine klappernden Ventile oder eine heruntergefahrene Kupplung - stattdessen steht die Batterie im Mittelpunkt.
Das Problem: Man kann einem gebrauchten E-Auto weder ansehen noch hören, wie fit die Batterie noch ist. Hier kommt der sogenannte State of Health (SoH) ins Spiel. Er ist der Schlüsselwert, um zu beurteilen, wie «gesund» das teuerste Bauteil in einem Elektroauto ist. «Der SoH benennt den Gesundheitszustand der Batterie, meist mithilfe eines Prozentwerts», sagt Matthias Vogt als Elektromobilitätsexperte im ADAC-Technikzentrum.
Je höher der SoH, desto besser
«Vereinfacht gesagt beschreibt der SoH das Verhältnis der aktuellen Batteriekapazität zum Neuzustand», so Vogt. Ein Wert von 100 Prozent bedeutet: Die Batterie kann so viel Energie speichern wie am ersten Tag.
Sinkt der Wert, ist weniger Reichweite verfügbar. Beim SoH spielen Vogt zufolge vor allem zwei Messgrößen eine Rolle: Die Kapazität, also die gespeicherte Energie, und der Innenwiderstand der Batterie, der angibt, wie viel Verlust innerhalb der Batterie entsteht.Allerdings gibt es weder einheitliche Standards noch ein vorgeschriebenes Messverfahren zur Bestimmung des SoH. Entsprechend ist der Wert auch nicht so vergleichbar wie etwa die WLTP-Reichweite. «Jeder Hersteller formuliert das für sich in seinen Garantiebedingungen, was es für den Endkunden schwierig macht», sagt Matthias Vogt.
Wie der SoH ermittelt wird
Aktuell gibt es vor allem drei verschiedene Methoden, mit denen der SoH ermittelt wird: Bei der energetischen Analyse wird gemessen, wie viel Energie sich noch entnehmen lässt. «Hierzu wird die Batterie vollgeladen und anschließend weitgehend leer gefahren. Mithilfe von Algorithmen ermittelt der Anbieter anschließend den SoH-Wert», erklärt ADAC-Experte Vogt.
Eine andere Variante ist die Messung des Innenwiderstands der Batterie, wozu eine kurze Beschleunigung notwendig ist. Ein steigender Innenwiderstand bedeutet einen höheren Spannungsabfall und Wärmeentwicklung und führt zu weniger nutzbarer Kapazität.
Daneben bieten einige Fahrzeughersteller auch die Möglichkeit an, direkt über das Batteriemanagementsystem (BMS) den SoH auszulesen. Eine Variante, die Matthias Vogt für weniger aussagekräftig hält, da hier der Wert durch das BMS quasi geschätzt werde. «Bei allen Messmethoden greifen die Anbieter zur Bestimmung des SoH auf einen Datenpool der Fahrzeugmodelle zurück, um die gemessenen Werte mit Neuwagenwerten abzugleichen», erklärt Vogt.
Unterschiedliche Testvarianten
Angeboten werden SoH-Checks in vielen Autowerkstätten, von Prüforganisationen oder auch Autoclubs. Die Preise liegen zwischen rund 40 und 120 Euro, je nachdem, ob man sich für einen schnellen Test oder eine Premium-Variante entscheidet. Die Schnelltests werden meist in ruhendem Zustand durchgeführt, während bei einem tiefgehenderen SoH-Check die Batterie über ein bis mehrere Tage im laufenden Fahrzeug geprüft wird.
Die Prüforganisation Dekra etwa setzt bei ihrem Test vor allem auf die Messung des Innenwiderstands: «Dies geschieht aktuell durch eine schnelle Belastung der Batterie, wozu auf einer kurzen Beschleunigungsfahrt von circa 100 Metern Daten gesammelt werden», so Michael Tziatzios von Dekra. Daneben entwickelt Dekra derzeit eine zweite Variante, bei der das Fahrzeug kurz geladen wird.
Beide Optionen in Kombination würden die allermeisten Bedarfe abdecken, so Tziatzios. «Die erfassten Messdaten werden dann in der Cloud mit den hinterlegten Parametern zum jeweiligen Fahrzeug- beziehungsweise Batterietyp abgeglichen. Der Algorithmus gibt am Ende den SoH als Prozentwert aus.»
Ergänzend bietet Dekra noch einen reinen Read-Out-Bericht an. Hier wird der SoH-Wert direkt aus dem Batteriemanagementsystem des Fahrzeugs ausgelesen, ohne dass das Fahrzeug bewegt werden muss.
Häufiges Schnellladen ist nicht gut
Die auf Batterie-Diagnostik spezialisierte Firma Aviloo aus Österreich setzt bei ihrem SoH-Test auf eine energetische Analyse. «Dabei ist es notwendig, zusätzlich den Innenwiderstand der Batterie zu bestimmen», sagt Patrick Schabus von Aviloo. Faktoren wie Kälte, Hitze oder Fahrstil wirkten sich nämlich deutlich auf das Ergebnis aus. «Über den Innenwiderstand gleichen wir diese Einflüsse aus. So erreichen wir mit dem energetischen SoH die höchste Genauigkeit, wenn es um die aktuelle Reichweite geht», sagt Schabus.
Häufiges Schnellladen etwa beschleunige den Alterungsprozess ebenso wie starkes Beschleunigen, speziell, wenn die Batterie nicht auf Betriebstemperatur sei. Ein SoH-Test zeigt Schabus zufolge frühzeitig an, wie gut die Batterie noch ist und helfe damit auch, teurere Reparaturen zu vermeiden. Auch Aviloo bietet zwei Testvarianten an: einen Flash Test, der innerhalb von drei Minuten ein Ergebnis liefert, oder den Premium Test für eine zellgenaue Analyse.
Den SoH zu Hause ermitteln
Während Dekra ihren SoH-Check ausschließlich über Partnerwerkstätten oder eigene Stützpunkte anbietet, kann der Aviloo-Test sowohl über Partner wie dem ADAC oder der GTÜ als auch über die Website gebucht und selbst durchgeführt werden. Nach Eingabe der Fahrzeugdaten erhält der Kunde eine Box zugeschickt, in der sich das Testmodul befindet, das mit dem OBD-Stecker des Fahrzeugs verbunden werden muss. OBD steht für On-Board-Diagnose.
Über diese Schnittstelle, die es in allen Fahrzeugen gibt, können viele Fahrzeugdaten abgerufen werden. Der OBD-Stecker befindet sich meist im Fußraum oder im Bereich der Mittelkonsole hinter einer Abdeckung und ist frei zugänglich. Ist das Prüfmodul verbunden, wird der Kunde via Smartphone-App durch den Test geleitet.
Im Fall von Aviloo ist der automatisch beendet, wenn die volle Batterie innerhalb von maximal sieben Tagen auf 10 Prozent oder niedriger heruntergefahren wurde. Das Testmodul kann dann entfernt und zurückgeschickt werden. Das Testergebnis besteht aus dem ermittelten SoH-Wert und einer Einschätzung, inwiefern das Ergebnis dem erwarteten Zustand der Batterie entspricht.
Warum der SoH den Preis mitbestimmt
Ein hoher SoH-Wert zeigt, dass die Batterie in einem guten Zustand ist, was sich unmittelbar auch in der Reichweite bemerkbar macht. Ein Faktor, der für den Wert eines E-Autos ganz wesentlich ist. Entsprechend wächst auch die Bedeutung der Tests für den Gebrauchtwagenmarkt.
«Speziell bei älteren Fahrzeugen, die sieben bis acht Jahre alt sind, ist ein SoH-Test sinnvoll, denn das ist auch der Zeitpunkt, an dem bei vielen Herstellern die Garantie für die Batterie ausläuft», sagt Matthias Vogt. Ein Check ist also sowohl sinnvoll für den Käufer, um eine eventuell defekte oder angeschlagene Batterie zu erkennen, oder eben auch für Verkäufer, um einen besseren Preis beim Verkauf des E-Autos zu erzielen.
Was ist ein besserer Preis?
Wie hoch der Einfluss eines SoH-Zertifikats auf den Preis ist, lässt sich nicht genau sagen. «Fahrzeuge mit einem guten SoH-Wert und Zertifikat können im Einzelfall um mehrere tausend Euro höher verkauft werden als vergleichbare Fahrzeuge», so Michael Tziatzios.
Aviloo zufolge kann ein Batterie-Zertifikat für einen bis zu 30 Prozent höheren Verkaufspreis sorgen. «Je nach Modell und Alter sprechen wir von drei bis 500 Euro pro Prozentpunkt SoH. Das heißt, ein guter SoH kann schnell mal ein paar Hundert bis Tausend Euro im Preis ausmachen», sagt Marcus Berger von Aviloo.
Ein guter SoH-Wert liegt dem Dekra-Experten Tziatzios zufolge zwischen 80 und 100 Prozent. Aber selbst wenn der Akku nur noch auf 75 Prozent komme, sei das kein Grund zur Sorge. «Die Reichweite ist dann zwar nicht mehr ganz so hoch, im Stadtverkehr aber kann das Auto immer noch gut zum Einsatz kommen.»
Auch eine Batterie kann repariert werden
Ein SoH-Check kann auch dann sinnvoll sein, wenn man seinen Stromer selbst länger fahren möchte. «Speziell, wenn plötzlich die Reichweite rapide sinkt, ist ein SoH-Test, der bis auf die Zell-Ebene analysiert, sinnvoll», sagt Patrick Schabus von Aviloo. Ein SoH-Test könne dann aufzeigen, was mit der Batterie nicht stimme. «Bereits wenn nur eine Zelle in der Batterie schwächelt, wirkt sich das auf das gesamte System aus», so Schabus. Je nach Defekt muss dann auch nicht zwingend gleich die ganze Batterie ausgetauscht werden, wenn sich der Fehler etwa durch ein Batterie-Balancing beheben lässt.
Kein Standard – aber bald Pflicht im Bordcomputer
Noch sind SoH-Tests ein freiwilliges Angebot. Das aber soll sich ändern: «Ab 2027 müssen neu zugelassene E-Autos in der EU laut EURO 7 den SoH-Wert anzeigen», sagt Matthias Vogt vom ADAC. Generell haben Batterien übrigens eine lange Lebensdauer, 200.000 bis 300.000 Kilometer sind Vogt zufolge in der Regel normal.