Sieh an!

Einfach mal abtauchen – mit zwei faszinierenden Dokus auf Netflix

In der Kolumne "Sieh an!" blicken wechselnde Autoren auf die Streaming-Welt – und liefern Anregungen für den nächsten Abend ohne Plan, was man einschalten soll.

Die Freitaucherin Alessia Zecchini hat schon viele Rekorde gebrochen. | © 2023 Netflix, Inc.

Anke Groenewold
30.09.2023 | 30.09.2023, 12:00

Alessia Zecchini weiß schon mit 13 Jahren, was sie werden will: "eine berühmte Freitaucherin". Freitaucher, auch Apnoetaucher genannt, tauchen ohne Sauerstoffzufuhr. Ein Atemzug muss reichen für mehrminütige Tauchgänge. Alessia bricht Rekorde. Sie ist die erste Frau, die ohne technische Hilfsmittel eine Tiefe von 100 Metern erreicht.

Die Dokumentation "Der tiefste Atemzug" (Netflix) ist eine buchstäblich atemberaubende Reise in die Welt des Freitauchens – und die Geschichte zweier Menschen, die sich dem Extremsport verschrieben haben: Rekordjägerin Alessia und der unstete Globetrotter Stephen Keenan, der als Tauchlehrer seine Bestimmung findet. Er ist als Sicherheitstaucher an Alessias Seite, als sie sich in das berühmt-berüchtigte Blue Hole in Ägypten wagt.

Die tödlichen Gefahren des Freitauchens sind von Beginn dieser Doku an Thema. Was reizt die Freitaucher? Der Rausch der Tiefe, das mühelose Hinabgleiten in den Abgrund ab einer Tiefe von 30 Metern, das Alessia mit dem Fliegen vergleicht? Die Euphorie des Aufstiegs? Dem Körper Unglaubliches abzuverlangen? Die Doku bleibt in vielem oberflächlich. Auch über die dramatisierende Erzählweise lässt sich streiten. Doch eine Antwort auf die Frage nach dem Warum geben die fantastischen Unterwasseraufnahmen. Diese blaue Stille ist unwiderstehlich – und furchterregend zugleich.

Auf der Suche nach Magie in ihrem Leben tauchen auch die Protagonisten der vierteiligen Doku-Serie "MerPeople" (Netflix) ab. Die "Meermenschen" begeistern sich für das Mermaiding, also das Tauchen à la Meerjungfrau (oder Wassermann) in kreativen Outfits inklusive Schwanzflosse. Und wer das lächerlich findet, sollte diese Doku erst recht schauen. Denn es gibt charismatische Persönlichkeiten zu entdecken, die in dieser Gemeinschaft Halt, Zuspruch, Lebensfreude und ein kreatives Ventil finden. Besonders berührend sind die Seniorinnen, die als junge Frauen an einer Quelle in Florida als Meerjungfrauen aufgetreten sind. Die Posen unter Wasser beherrschen sie immer noch.

Der Vierteiler zeigt aber auch Schattenseiten, mit denen die Wasserwesen konfrontiert sind. Auftritte bei Kindergeburtstagen und Wettbewerben, in kalten Aquarien und gechlorten Pools haben Tücken.

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