
Mit verschränkten Armen steht Claire Underwood am Schreibtisch im Oval Office. Ihr Telefon klingelt, doch sie ignoriert den Anruf ihres Mannes. Frank Underwood ist politisch am Ende, kann sein Haus, das Weiße Haus, nur noch von einem Hotelzimmer aus beobachten. Dann blickt Claire Underwood auf und sagt mit fester Stimme: „Jetzt bin ich dran." Mit diesem Versprechen endet die fünfte Staffel House of Cards und so beginnt auch das Finale der Serie, mit der Netflix 2013 den Grundstein für seinen Erfolg legt.
Claire Underwood ist dort, wo sie immer sein wollte – an der Spitze der Vereinigten Staaten von Amerika. Zu Beginn der sechsten Staffel ist Underwood seit 100 Tagen im Amt. Ihre Berater lesen der ersten Präsidentin des Landes Hassbotschaften und Morddrohungen vor. Fantasievoll schildern ihre Gegner wie sie die Präsidentin erstechen, schlachten oder häuten wollen. Die Liste der Grausamkeiten scheint endlos und geht weit über die Drohungen hinaus, die ihr Mann Frank Underwood während seiner Amtszeit erhalten hat. Doch Claire Underwood will mehr und duldet den Schutz ihrer Berater nicht, die ihr Einzelheiten vorenthalten wollen.
So unerschrocken wie auf die Mordfantasien ihrer Gegner blickt die neue Präsidentin auch auf einen Anschlag zurück. Die Kugel eines Snipers trifft die Scheibe ihrer Limousine. Sie schreckt kurz zusammen, schmeißt sich auf den Sitz und sucht Schutz. Doch nur wenige Stunden später zieht sie ein Fazit: „Wer immer mich umbringen wollte, zollte mir als Erster in meinen ersten hundert Tagen wirklich Respekt." Dabei wird eines deutlich: Der Hass der anderen macht Claire Underwood nur stärker.
Weggefährten werden skrupellos aus dem Weg geräumt
Vor allem im Umgang mit den mächtigen Männern in der Politik. Claire Underwood war schon immer stark, doch sie musste wieder und wieder verzichten. Die sechste und letzte Staffel ist die Staffel von Claire Underwood. Die Zeit von Frank Underwood ist vorbei und zwar nicht nur deshalb, weil sich die Serienmacher nach den schweren Vorwürfen wegen sexueller Belästigung gegen eine weitere Zusammenarbeit mit Darsteller Kevin Spacey entschieden haben. Die neue Präsidentin verzichtet nicht mehr: „Ich werde nicht mehr tun, was mir gesagt wird. Nicht von dir oder von einem anderen Mann – niemals wieder", sagt Claire Underwood zu dem engsten Vertrauten ihres Mannes.
Dieses Versprechen durchzieht die gesamte sechste Staffel. Skrupellos räumt sie politische Weggefährten aus dem Weg, auch solche, die sie auf dem Weg an die Spitze der USA unterstützt haben. Mit langem Atem verfolgt sie ihre Strategie und unterscheidet sich so auch von dem Bösen, das ihr Mann Frank Underwood verkörpert hat.
In dem Prozess des Machterhalts stellt sie Fragen, die Spuren in die Gegenwart legen. Auf die Frage einer Soldatin, ob sie einen Plan für ihre Präsidentschaft habe, antwortet Claire Underwood mit den Worten: „Würden Sie mich das auch fragen, wenn ich ein Mann wäre?". Dank dieser subtilen Bezüge zum aktuellen Weltgeschehen und einer herausragenden Robin Wright ist auch die letzte Staffel House of Cards wieder ein Ereignis.
INFORMATION