
Leute, es reicht. Dafür sind wir nicht angetreten. Dafür opfern wir nicht jeden Abend eine Stunde unserer Freizeit. Und dafür verzichten wir auch nicht weiterhin auf das spannende Alternativprogramm. Wir könnten Criminal Minds gucken Lenßen und Partner Seinfeld... oder zum zehnten Mal Ocean’s Twelve. Und das machen wir auch, wenn es so weiter geht. Wir wollen Krieg! Und Zwietracht! Und Hader! Und was kriegen wir? Frieden. Und Eintracht. Und Kader.
Die wird gleich zu Beginn nach ihrem Schlangenalptraum – und damit geht der Frust schon los - aufs Unbeholfenste, aber auch aufs Wärmste getröstet. Von Icke Häßler, der eigentlich schon kurz davor war, Moos anzusetzen und nun doch glatt mal seinen ersten längeren Auftritt in der Senkrechten hinlegt. Der das, was der Zuschauer vielleicht als heiseres Dingo-Baby-Wimmern interpretiert hätte, gleich korrekt als Verzweiflungslaute aus Richtung von Kaders Pritsche identifiziert. Herbeieilt. Mut zuspricht. Getränke anbietet. Sich kümmert. Dabei tut Kader nun wirklich nix, um sich die ganze Sympathie zu verdienen. Doch vielleicht tun die Baby-Waschbär-Augen ihr in dieser Hinsicht einen guten Dienst. Wenigstens einen.

Doch zurück zum Kümmern. Das nervt am meisten: Wie die sich alle kümmern! Die wahrhaft großen Dschungelcamp-Dämonen wie Mathieu Carrière oder Winfried Glatzeder, was hätten die geätzt, gewütet oder sogar geprügelt, wenn Zwangsstörung Hanka die zehn Quadratmeter im und rund um den Lokus für sich und ihre Privatsphäre beansprucht. Doch nicht mit echten, testosterongeladenen Kerlen wie Marc Terenzi oder Honey! Beim netten morgendlichen WG-Badezimmer-Plausch wird die Rasur, ach, einfach alles! unterbrochen und stehen und liegen gelassen, um der Dame das Boudoir frei zu machen. Damit mag Mann im wahren Leben durchaus punkten. Im Dschungel rächen die Zuschauer zu viel Höflichkeit erfahrungsgemäß schneller, als man „Mehlwurm" sagen kann.
Aber was ist bloß der Grund für diese unerträgliche Harmonie am Lagerfeuer? Zu nervenstarke Kandidaten, ergo: zu viele Sterne, ergo: zu wenig Hunger, ergo: zu wenig Aggression? Oder: Zu kaputte Kandidaten, ergo: zu wenig Geborgenheit bei Mama, ergo: zu großes Harmonie-Bedürfnis? Oder: Zu operierte Kandidaten, ergo: zu viel aufgespritzte Lippen, ergo: zu viel Kindchenschema, ergo: zu viel Welpenschutz?
Man weiß es nicht. Fest steht: Selbst der Zuschauer wird sich, neben der ganzen Langeweile, mittlerweile das ein oder andere Mal bei mitfühlenden, wenn nicht gar mitleidigen Regungen ertappt haben. Doch gottseidank war in diesen Momenten bis heute Verlass auf Fräulein Menke und ihre handfesten Verdauungsgespräche. ("Ich muss auch sagen, dass mir diese Drogen nicht so gefallen haben...Ich musste sofort auf die Toilette in dem Club und dachte: Jetzt muss ich mich hier entleeren, mitten im Club.") Damit hatte sie es bislang zuverlässig geschafft, jede noch so kleine Rührung im Darm – pardon – im Keim zu ersticken. Doch das Fräulein ist nun ja – kicher, kicher – ausgeschieden. Als erste. Was sie zunächst gar nicht mitbekam. Weil sie sich so freute für ihre dringebliebenen Mitstreiter.
Bleibt noch Florian Wess, um die Zuschauer ganz schnell von lästigen Sympathie-Gefühlen abzulenken. Der ist der einzige, dem in Sachen Zickenkrieg kein Vorwurf zu machen ist. Wobei „Krieg" hier vielleicht etwas hoch gegriffen ist. Aber der Flori, der hat sich vorgenommen, zu sticheln und zu ätzen und nicht mitzuspielen und das macht er dann halt auch nicht. Nicht mal die launige Pfadfinder-Einlage am Lagerfeuer, in der die Einigkeit mit Wasser und Weib und Gesang besungen wird und in der improvisierten Dschungel-Operette „La Familia Grande" gipfelt, vermag es, ihm den teuer bezahlten Flunsch vom Gesicht zu wischen. „Was soll das? Wir sind alle Spieler, die gegeneinander antreten. Es bringt eine falsche Harmonie rein, die eigentlich gar nicht da ist", nörgelt er moralinsauer mit unbewegtem Gesicht in die Kamera. Um sich gleich darauf doch tatsächlich über die unechte Mimik seiner Mitstreiter zu mokieren...
Vielleicht haben es aber auch die Camp-Macher selbst in Schuld, dass die Nerven alles in allem so stabil bleiben. Vielleicht reicht der ewige Einheitsbrei aus Kakerlaken, Mehlwürmern und Fischabfällen einfach nicht mehr aus, um die Kandidaten an den Rand des Wahnsinns zu bringen. Bislang verlor angesichts des Gekribbel und Gekrabbels lediglich Kader einmal kurz die Fassung. Und wenn Sarah Joelle bei der heutigen Dschungelprüfung im Schlachthaus angesichts ganzer Bullenköpfe und Schweinekadaver zwar ausflippt („Ich hab ein ganz großes Problem mit toten Tieren am Stück"), aber trotzdem noch souveräne sieben Sterne ins Ziel bringt, dann muss man sich erstens fragen, ob der Thrill noch ausreicht, und ob es zweitens um die Schauspielkünste insgesamt nicht noch viel besser bestellt ist, als wir eh schon vermuteten.
Aber wir wollen mal nicht ganz so hart sein. Ein paar Tage bleiben ja noch. Und wir haben auch an diesem Tag wieder viel gelernt – vor allem im, na, sagen wir mal, medizinischen Bereich:
1. Eine Paradeantwort für alle Männer auf die Paradeausrede von allen Frauen: „Schatz, ich hab Migräne." – „Schatz, hast du abgeführt?"
2. Keine Macht den Drogen! „Ich hab die Hälfte meiner Allgemeinbildung durch den Scheiß vergessen."
3. Und bei Verspannungen: „Näcksmassasch hilft immärr!"
In diesem Sinne: Bis morgen!
Noch nicht genug vom Dschungelcamp? Hier geht es zu:
Tag 6: "Noch nie so'n beschissenes Karussel gesehen"
Tag 5: "Die waren hier drin, bis in meine Vagina"
Tag 4: "You are the beautifulst"
Tag 3: "Ich sitze schon auf meinen Arschknochen"