Fernseher, Smartphone und Laptop: "Eltern müssen Zugang und Zeiten klar regeln"

Frau Hohmann, mal ganz platt gefragt: Schaden Fernseher, Laptop, Smartphone und Co. Kindern und Jugendlichen? Friederike Hohmann: Das kann man nicht so einseitig beantworten. Grundsätzlich spielen Medien in unser aller Alltag eine große Rolle, und sie werden das auch in Zukunft tun. Es ist daher wichtig, Kinder damit vertraut zu machen und ihnen die Nutzung beizubringen. Das nicht zu tun, wäre schädlich für sie. Andererseits erlebe ich oft, dass Kinder in vielen Familien zu wenig Grenzen, Regeln oder Beschränkungen beim Zugang zu Medien haben. Was passiert denn bei zu viel Medienkonsum? Konzentrationsprobleme, Bewegungsmangel und ein geringerer Ausbau sozialer Kompetenzen, sowie Einsamkeit durch sozialen Rückzug können auftreten. Des Weiteren zeigen Untersuchungen, dass Kinder, die zu viel Medien konsumieren und zu viel Zeit vor dem Bildschirmen verbringen, bei Tests schlechter abschneiden, die kognitive Leistungen, Motorik oder Sprache überprüfen. Problematisch ist auch eine Dauerbefeuerung mit Reizen. Dies kann Unruhe und Schlafstörungen auslösen. Gibt es denn auch eine Gewöhnung an diese Reize? Ja, das kann vorkommen. Wenn das passiert, kommen Kinder nur noch schlecht ohne diese Reize aus. Sie halten es dann kaum aus, wenn mal "nichts" ist, langweilen sich schneller, können schlecht im Hier und Jetzt sein. Zu viel Medienkonsum in jungen Jahren kann den Grundstein für eine spätere Abhängigkeit oder Sucht legen. Gibt es denn Faustregeln: Was für wen wie lange? Es gibt klare Empfehlungen, wie viel Medienzeit für welches Alter gut ist, ab wann Kinder welche Medien überhaupt nutzen sollten, ob sie das allein oder begleitet tun können. Von null bis drei Jahren sollten Kleinkinder maximal fünf bis zehn Minuten am Tag begleitet fernsehen. Von drei bis sechs sollten es maximal 30 Minuten sein. Je älter die Kinder werden, desto größer wird das Zeitfenster. Ganz ehrlich: Der Alltag in vielen Familien dürfte ganz anders aussehen. Ich erlebe es in meiner Arbeit oft, dass viele Kinder Fernseher, PCs oder Smartphones zu lange nutzen. Dies hat aus meiner Sicht viele Gründe, zum Beispiel Homeoffice der Eltern, Uneinigkeiten der Eltern, wie lange Medien konsumiert werden dürfen, als Beschäftigungsmöglichkeit, um Konflikten aus dem Weg zu gehen oder aus Unwissenheit, wie viel Konsum überhaupt passend ist. Die Liste ist lang. Wie sieht denn eine gute Medienerziehung aus? Ich empfehle klare Regeln für die Nutzung und auch Begrenzungen der Zeiten, welche, je nach Alter, gemeinsam in der Familie erarbeitet werden sollten. Diese Regeln sollten für Kinder verständlich und immer einsehbar sein. Sie können zum Beispiel in einem Medienzeitenvertrag festgehalten werden. Und dann darf es natürlich auch mal Ausnahmen geben. Müssen Eltern auch bei sich schauen? Eltern müssen sich mit der Materie beschäftigen, sich gut informieren und auskennen – und sich vor allem ihrer eigenen Gewohnheiten bewusst sein, zum Beispiel, wann und wie oft sie selbst das Handy nutzen. Je mehr Eltern selbst am Handy sind, desto eher wirkt sich das auf das Verhalten der Kinder aus. Also auch hier: Vorbild sein. Auch für das Familienleben ist das wichtig. Medien ziehen immer Aufmerksamkeit vom Miteinander ab. Ich erlebe oft, dass Eltern älterer Kinder in der Therapie sagen: Wir haben uns als Familie entfremdet, jeder macht nur noch seins vor irgendwelchen Bildschirmen. Deshalb plädiere ich stark dafür, im Familienalltag ganz klare Zeiten und Zonen zu haben, die medienfrei sind, etwa die Mahlzeiten. Nun lassen sich solche Regeln bei jüngeren Kindern gut umsetzen. Aber Jugendliche haben eigene Geräte und auch mehr Freiheiten. Und das soll auch so sein. Mediennutzung ist auch ein Stück Autonomie für ältere Kinder und Jugendliche. Aber klar: Bei 16-, 17-Jährigen ist Begrenzung viel schwerer möglich. Also heißt es, früh zu handeln, damit sich die Medienerziehung durch die Pubertät und darüber hinaus trägt. Woran erkennen Eltern denn, ob ihr Kind zu fixiert ist oder auf eine Sucht zusteuert? Ich finde es wichtig, erst mal zu erklären, ab wann wir fachlich von Sucht sprechen. Unter 13 Jahren sind Kinder nämlich gar nicht vollumfänglich in der Lage, die Kontrolle und Selbstbeherrschung auszuüben, deren Verlust dann als Sucht gilt. In diesem Zeitraum ist es Aufgabe der Eltern, den Konsum zu regulieren. Und wie merken Eltern, dass sie den Konsum ganz dringend regulieren sollten? Grundsätzlich sollten Eltern immer alarmiert sein, wenn Handy, Computer oder Fernseher omnipräsent sind und das Kind Angst hat, etwas zu verpassen, oder gereizt ist, wenn es nicht online sein kann. Wenn es einen sozialen Rückzug gibt oder das Kind Aktivitäten vernachlässigt, die es mal gern gemacht hat. Und natürlich sind Schlafstörungen oder Leistungsabfall in der Schule Alarmsignale. Um all das erkennen zu können, brauchen Eltern allerdings einen Überblick und das Wissen um den Konsum ihrer Kinder. Also gilt der Werbeslogan nach wie vor: Schau hin, was deine Kinder machen. Ich würde den Slogan gerne erweitern: Nimm Anteil an dem, was deine Kinder machen. Bring dich ein, informier dich, frag nach, guck oder spiel im Zweifel mit. So lange bei Kindern die Tür für diesen Austausch noch offen steht, sollten Eltern das Angebot auch annehmen und reingehen – dann bleibt die Tür auch länger offen. Außerdem ist es wichtige Elternaufgabe, standhaft und konsequent zu sein, auch und gerade bei Regeln und Verboten. Dem Kind einen Rahmen zu geben, bedeutet, dem Kind Sicherheit zu geben – auch bei Mediennutzung.

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