Waldenbuch

Rittersport: Limitierte Einhorn-Schokolade sorgt für Shitstorm im Netz

Nach Ausverkauf: Empörung über Wucherpreise bei Ebay

Gleich gesichert: NW-Layoutchefin Kathrin Brinkmann hat 12 Exemplare der Einhorn-Edition gebunkert. | © Kathrin Brinkmann

Anneke Quasdorf
03.11.2016 | 03.11.2016, 16:51

Willst du was gelten, mach dich selten. Hat schon Oma gesagt. Und an alten Sprichwörtern ist ja meistens etwas dran. Sie taugen sogar als PR-Strategie, wie man gerade anschaulich am Schokoladen-Hype auf die Rittersport-Einhorn-Edition sieht. Blöd nur, dass dem Unternehmen der Coup jetzt auf die Füße fällt.

Am vergangenen Dienstag, zum Tag des Einhorns, veröffentlichte der Konzern eine Facebook-Meldung, in der er den Verkauf einer limitierten Sonderedition ankündigte. Verpackung: Pink, mit Regenbogen und knuffigem Einhorn drauf. Geschmacksrichtung: Weiße Schokolade mit Joghurt und Himbeer-Cassis. Stückzahl: streng geheim.

Nicht mal eine Stunde später brach der Online-Shop des Konzerns zusammen, am gleichen Tag war das Sortiment ausverkauft. Auch in den Rittersport-Läden in Berlin und im baden-württembergischen Waldenbuch gab es kein einziges Täfelchen mehr. Woraufhin sich das Unternehmen bei Facebook entschuldigte: "Hallo zusammen, wir haben zwar mit großer Begeisterung gerechnet, aber das haben wir dann doch nicht erwartet: durch den großen Ansturm ist unser Webshop zur Zeit leider nicht erreichbar."

Produktidee kommt von Verbrauchern

Allerdings wirkt diese Bestürzung etwas scheinheilig, betrachtet man die Entstehungsgeschichte der Einhornschokolade. Schließlich waren Rezeptur und Wappentier nicht unbedingt eine Idee aus dem Lager Rittersport, sondern stammen aus der Fangemeinde. Diese hat auf der Crowdsourcing-Plattform des Unternehmens, sortenkreation.de, schon lange die Möglichkeit, Ideen und Rezepturen vorzuschlagen. Bereits im April hatten sich die Produktentwickler von Rittersport aus diesem Ideenpool bedient und damals einen Verkaufsschlager mit der Sorte "Äffle und Pferdle - Hafer und Banane" gelandet. Zudem geistert seit Monaten eine gefälschte Einhorn-Rittersport durchs Netz, die Regenbogen-Aroma mit Glitzerpups verspricht.

Kurz und gut: Rittersport wusste also genau, dass ein Markt für Einhornschokolade vorhanden war - und setzte nun noch eins drauf, indem es die Hamburger Social-Agentur elbkind mit der Entwicklung und Vermarktung beauftragte. Zu deren Strategie gehörte auch, im Vorfeld bei Facebook gezielt nach Fangruppen für Einhörner zu suchen und hier, als es so weit war, den Verkauf der Schokolade zu posten.

Was sich zunächst nach einem durchschlagenden Erfolg anhört, fällt den Rittersportlern nun auf die Füße. Denn nach der anfänglichen Begeisterung häufen sich auf der Facebookseite des Konzerns nun die Schmähungen, machen leer Ausgegangene ihrem Ärger Luft. "Warum müssen die besten Sachen immer limitiert sein???? Wenn es so 'nen Run darauf gab, dann nehmt sie doch dauerhaft in euer Sortiment auf!", schreibt zum Beispiel Userin Tina Konrad. Und Anna-Lena Senk ärgert sich: "Warum kommen die nicht in normale Läden?! Ich bestell die doch jetzt nicht im Internet, wo ich dann auch noch warten muss."

"Wir haben das unterschätzt"

Beim Unternehmen hält sich die Freude dementsprechend in Grenzen. "Wir haben diesen extremen Hype nicht erwartet", sagt Pressesprecherin Petra Fix, die auf Nachfrage von nw.de dann doch verrät, dass "zwischen 50.000 und 100.000 Tafeln" produziert worden sind. "Es war mit Sicherheit nicht Teil unserer Strategie, die Verbraucher zu enttäuschen." Die Schwierigkeit habe darin bestanden, den Bedarf, die genaue Stückzahl einzuschätzen. "Wir haben das erste Mal eine limitierte Auflage hergestellt, die wir dann nur online beworben und über unsere eigenen Vertriebswege verkauft haben. Und haben die Schlagkraft dieser Medienkampagne unterschätzt."

Besonders ärgerlich für Kunden und Hersteller: Mittlerweile wird die Einhorn-Schokolade von Privatleuten zu Wucherpreisen bei ebay vertickert. Bis zu 40 Euro werden hier für eine Tafel verlangt. Verärgerten Verbrauchern antwortet der Konzern dazu bei Facebook: Die Preise, für die einige Tafeln auf eBay und anderen Plattformen angeboten werden, sind auch aus unserer Sicht nicht okay. Leider haben wir aber keinen Einfluss darauf."

Doch allem Ärger zum Trotz hält Boris Hedde, Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung, die Aktion für einen gelungenen Coup. "Hier sehen wir, dass die Strategie definitiv aufgeht: Individualität und Marke steigern die Begehrlichkeit beim Verbraucher und erhöhen die Preisbereitschaft. Das beobachten wir immer wieder." Im Klartext: Je weniger es von etwas gibt, desto stärker ist der Wunsch in uns, es zu besitzen - egal, wie viel es kostet.

Beliebte Marketingstrategie

Und diesen Mechanismus machen sich auch andere immer öfter zunutze. Der Modekonzern H&M stellt regelmäßig limitierte Sondereditionen vor, die von namhaften Designern wie Karl Lagerfeld entworfen wurden. Nike bringt in diesem Jahr pünktlich zum Weihnachtsgeschäft den selbstschnürenden Sneaker "Hyper Adapt 1.0" auf den Markt - selbstredend nur in wenigen, ausgewählten Geschäften. Absoluter Spitzenreiter in Sachen Limitierung ist aber die französische Luxusmarke Hermès, die bereits seit Jahren Wartelisten für ihre bewusst in kleiner Zahl produzierten Taschen führt.

Die Wahl, in dieses Konsumkarussel einzusteigen, haben aber immer noch die Verbraucher. Und um die Entscheidung leichter zu machen, hilft vielleicht dieses kleine Beispiel: So gab es im vergangenen Jahr eine Balmain-Kollektion bei H&M, um die sich Kunden sogar prügelten. Heute kann man sie ebenfalls bei Ebay ersteigern. Ohne Gerangel. Denn für die meisten gibt es kein Gebot.

Doch zurück zur Schokolade: Bei Rittersport prüft man derzeit, ob es möglich ist, Einhorn-Tafeln nachzuproduzieren. Pressesprecherin Fix: "Das ist nicht so einfach, weil uns die Rohstoffe fehlen und auch die Anlagen dafür bereitstehen müssen." Fest steht aber schon jetzt: Unbegrenzt wird eine Neuproduktion auch diesmal nicht zur Verfügung stehen.

So meldete Ritter Sport auf Facebook, dass die Einhorn-Schokolade ausverkauft ist: