Werther-Arrode. Im Oktober wird die Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Bielefeld hundert Jahre alt. Sie war dank des Lehrers Ludwig Godewols so etwas wie die Kaderschmiede der Westfälischen Expressionisten. Mit Peter August Böckstiegel und Hermann Stenner erlernten hier die wohl bekanntesten expressionistischen Maler der Region ihr künstlerisches Handwerk.
Doch die Schule, deren Vorläufer auf das Jahr 1907 zurückgehen, brachte mit Victor Tuxhorn, Ernst Sagewka und Hermann Lewerenz weitere beachtenswerte Künstler hervor, die jetzt in einer kleinen Ausstellung aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der Handwerker- und Kunstgewerbeschule im Böckstiegel-Haus in Werther-Arrode zu entdecken sind.
David Riedel, Leiter des Museums, hatte die Idee zu der Schau, die zwanzig Werke der drei Expressionisten aus privaten Sammlungen vorstellt. Aquarelle, Holzschnitte und Ölbilder, die bisher noch nicht in der Öffentlichkeit zu sehen waren.
Ausstellung weiß zu überzeugen
Die Ausstellung im ehemaligen großen Atelier von Peter August Böckstiegel, der mit den drei Malern gut bekannt war, weiß zu überzeugen. Sichtbar wird, wie Victor Tuxhorn, Ernst Sagewka und Hermann Lewerenz sich zu, wie Riedel betont, "gemäßigten Expressionisten" entwickelten. Wichtige Impulse erhielten die Schüler der Godewol-Klasse durch Exkursionen 1909 nach Hagen ins Museum von Karl Ernst Osthaus und 1912 zur "Sonderbund-Ausstellung" nach Köln, wo die Begegnung mit dem französischen Impressionismus, dem Expressionismus der Brücke-Künstler oder auch den Vätern der Moderne, also van Gogh, Gauguin, Cézanne und Munch, bleibende Eindrücke im Schaffen der jungen Künstler hinterlassen.Besonders gut zu erkennen ist diese Entwicklung bei Victor Tuxhorn (1892-1964), dem interessantesten Maler unter den dreien. Vom Jugendstil kommend – wofür sein Werk "Apfelbaumschüttelnder Mann" in der Ausstellung steht – findet er zum Expressionismus, wird von den expressionistischen Holzschnitten der Brücke-Künstler und ihrer Dresdner Jahre nach dem Ersten Weltkrieg geprägt.
Beeindruckend sind seine Porträts von Schauspielern, Regisseuren und Freunden. "Aber auch bei seinem Selbstbildnis, setzt er den im Holzschnitt möglichen extremen Kontrast zwischen schwarzen und weißen Flächen ein, um präzise und intensive Porträts im kleinen Format zu erschaffen", wie Riedel in seiner Einführung zu der Ausstellung schreibt.
Beeindruckende Bilder und Holzschnitte
Auch seine "Vier gehenden Frauen mit Kerzen" sowie sein "Christus", in denen die feine Linie mit dem schwarzen Hintergrund konkurriert, faszinieren – wie auch der bereits 1913 geschaffene, beeindruckende "Männerkopf mit wallenden Haaren", der am Beginn seines Weges hin zum Expressionisten steht. Ernst Sagewka ( (1883-1959) beeindruckt mit seinem Bild "Landschaft mit Haus" und seinem großartigen Holzschnitt "Dornberg" von 1920. Schöner hat man Dornberg wohl noch nicht gesehen.Und noch etwas ist in der Ausstellung zu entdecken – die Geschichte der Künstlergruppe "Rote Erde", die die drei Maler am 28. November 1909 gründeten und die auf mehr als 30 Mitglieder anwuchs – ehe sie 1933 von den Nazis verboten wurde.
Ausgestattet mit einer Satzung und Mitgliedskarten, verstanden sich die Maler als Vorkämpfer für die Moderne in Bielefeld.
In einer Vitrine sind Zeugnisse ihrer Aktivitäten wie künstlerisch gestaltete Einladungskarten zu "Buern-Vergnoigen" aber auch Mitgliedsausweise zu entdecken. Auch die Geschichte der "Roten Erde", die sich mit der Namensgebung zur westfälischen Heimat bekannte ist einen Besuch in der komprimierten aber erhellenden Ausstellung wert.
- Zu sehen bis zum 27. Oktober im Böckstiegelhaus, Schloßstr. 111, Werther-Arrode. Öffnungszeiten: Sa. und so. von 14-17 Uhr. Infos unter Tel. (0 52 03) 32 97, www.boeckstiegel-haus.de