"Sex erzählt Geschichte"

INTERVIEW: Antje Nikola Mönning über Selbstbetrug und Doppelmoral

06.03.2010 | 06.03.2010, 00:00
Schauspielerin Antje Nikola Mönning spielt einen "Engel mit schmutzigen Flügeln".
Schauspielerin Antje Nikola Mönning spielt einen "Engel mit schmutzigen Flügeln".

Paderborn. Sie spielte bis vor kurzem noch "Schwester Jenny" in der quotenstarken ARD-Serie "Um Himmels Willen". Ihr Nonnenkostüm hat Antje Nikola Mönning endgültig abgelegt. Die 32-jährige Schauspielerin aus dem Münsterland spielt jetzt in dem Kinofilm "Engel mit schmutzigen Flügeln" eine lebenshungrige Frau auf der Suche nach sich selbst. Ein "Skandal-Film" frohlockte die Boulevardpresse wegen der expliziten Sexszenen. Anke Groenewold sprach mit Mönning, die ihren Film am 9. März in Paderborn vorstellt.

Frau Mönning, was hat Sie für dieses Projekt begeistert?
ANTJE NIKOLA MÖNNING: Diese Rolle ist besonders reizvoll, weil sie im Gegensatz zu anderen Filmen, in denen ähnliche Figuren dargestellt werden, nicht das Opfer ist. Sie erkennt im Laufe des Films, dass sie eine verlogene, habgierige, geile Schlampe ist. Und sie entscheidet sich bewusst dazu, das zu leben, was sie erkannt hat zu sein.

Was ist das Thema des Films?
MÖNNING: Für mich geht es in dem Film vor allem um Ehrlichkeit; darum, sich vom Selbstbetrug zu lösen, sich zu erkennen und dazu zu stehen, wer man ist; erstmal überhaupt herauszufinden, wer man ist – auch mit allen seinen schlechten Seiten. Das Schöne ist, dass es keine Bewertung gibt, keine übergestülpte Moral.

Wie leicht ist es für Sie persönlich, echt zu sein?
MÖNNING: Wenn man weiß, was man möchte, und weiß, wer man ist, dann ist das leicht. Es gibt viele Menschen, die sich danach richten, was die anderen sagen oder was von ihnen erwartet wird. Davon habe ich mich befreit.

Wie?
MÖNNING: Sich einfach entscheiden für etwas, was man wirklich will und dazu auch stehen. Aber dazu muss man sich halt erstmal klar sein, was man überhaupt möchte. Das ist eine lange Suche, und jeder Mensch hat seine eigene. Traurig ist nur, dass sich viele danach richten, was für ein Bild sie abgeben und wie sie von anderen gesehen werden möchten.

War das Thema Echtheit auch der Grund, warum Sie tatsächlich Sex vor der Kamera hatten?
MÖNNING: Für mich war es wichtig, dass die Szenen möglichst glaubwürdig sind. Da die Figur Lucy von sich selbst sagt, dass sie nur im Orgasmus lebt oder ist, war es für mich wichtig, dass das auch ein echtes Sein ist. Ich sehe oft in Filmen, dass es nur gespielt und vor allem so glattgebügelt ist. Die Frauen liegen immer wunderbar drapiert da mit BH. Das hat nichts damit zu tun, wie Sex wirklich ist. Ich wollte der Realität nahe kommen, und die ist nun mal auch schmutzig.

Lucy sagt: "Ich gehöre zu der Generation, die sich ihre Gefühle leiht" Können Sie das erläutern?
MÖNNING: In der heutigen Mediengesellschaft orientieren sich viele daran, wie sich die Leute im Fernsehen verkaufen. Die Medienrealität ist für manche realer als die Wirklichkeit. Viele spielen nur nach, was ihnen in Soaps, Talkshows und bei "DSDS" gezeigt wird. Wenn "Popstars" lief, rannten viele auf der Straße rum, die sich genauso kleideten oder stylten wie die Popstars-Leute. Im Fernsehen ist nichts mehr echt, alles wird inszeniert, weil es sich dann besser verkauft. Das hat nichts mehr mit Individuen zu tun, die eigenständig denken oder überlegen, wie sie für sich leben möchten.

War dieser Film der Grund dafür, dass Sie nicht mehr als Nonne für die ARD im Einsatz sind?
MÖNNING: Nein, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich wusste von vornherein, dass ich nicht lange bei "Um Himmels Willen" bleiben würde, weil ich nicht die Intention hatte, eine TV-Serien-Karriere zu machen. Man hat dort keine kreative Freiheit.

In einer Szene posieren Sie oben ohne vor einem Kruzifix, und ein Engel sagt: "Da, wo die herkommt, nennt man das Pornografie". Könnte das auf Ihren Heimatort Lüdinghausen zutreffen?
MÖNNING (lacht): Diese Doppelmoral! Einerseits bin ich so aufgewachsen, dass meine Eltern mich über jeden europäischen Strand gehetzt haben – nackt. Jetzt aber gab es den großen Aufschrei, als ich nackt in der Bild-Zeitung war. Das belustigt mich sehr. Es wundert mich, dass Nacktheit heutzutage noch so Wellen schlägt. Aber es ist interessant zu sehen, wie in der Gesellschaft eine Rückläufigkeit entsteht.

Wie gehen Sie mit dem Aufschrei um?
MÖNNING: Das kümmert mich nicht. Ich stehe hundertprozentig hinter dem Film und wusste, was ich mache. Das ist ja auch ein Thema des Films: Steh zu dem, was du bist. Egal, was andere Leute sagen: Ich finde den Film super und was ich gemacht habe genau richtig, sonst hätte ich es nicht gemacht.

Was entgegnen Sie Leuten, die den Film als pornografisch bezeichnen?
MÖNNING: Der Film hat mit Pornografie nichts zu tun. "Engel mit schmutzigen Flügeln" ist ein Drama, und der Sex dient nur dazu, eine Geschichte zu erzählen.