
17.01.2019 | 17.01.2019, 19:42
Kultur
Der Bielefelder Bartók-Zyklus beschert dem Berliner Klavierkünstler in der Vorbereitung "viele verzweifelte Momente"
Bielefeld. Der Bartók-Zyklus der Bielefelder Philharmoniker verdankt sich einem spontanen Treffen hinter der Oetkerhallenbühne. „Ich war damals als Papa mitgefahren“, erinnert sich Pianist Martin Helmchen schmunzelnd an das Gespräch mit GMD Alexander Kalajdzic. Solistin im Philharmoniker-Konzert war vor zweieinhalb Jahren Helmchens Ehefrau, die Cellistin Marie-Elisabeth Hecker. Dem Pianisten fiel die Rolle des Babysitters für die damals nur wenige Monate alte Tochter zu.
Kalajdzic brachte die Idee eines Bartók-Zyklus auf. Helmchen, für Kalajdzic „der spannendste Pianist, den es in Deutschland gibt“, sagte zu. Nun ist es soweit. Der 36-jährige Lockenkopf, einer der Top-Pianisten der jüngeren Generation, spielt mit dem städtischen Orchester im 4. Symphoniekonzert am Freitag (20 Uhr) und Sonntag (11 Uhr) Béla Bartóks 2. Klavierkonzert, das als das schwierigste der Klavierliteratur gilt. In weiteren Konzerten wird Helmchen auch Bartóks Klavierkonzerte Nr. 1 und 3 in Bielefeld interpretieren.
Mit seiner Zusage hatte sich das aus Berlin stammende ehemalige Klavier-Wunderkind eine Menge zeitraubende Arbeit beschert. „Bei keinem Stück hatte ich bisher so viele verzweifelte Momente, dass man förmlich aus dem Fenster springen will“, sagt er. „Bartóks 2. Klavierkonzert ist eine Herkulesaufgabe, die es kein zweites Mal gibt. Man wird ans Limit gepusht.“
Zugleich betont Helmchen die Zugänglichkeit dieses „Rauschs von Rhythmen und Farben“. „Besonders Kinder und Menschen, die kaum Berührung mit moderner Musik haben, sind nach ein paar Takten sofort hin und weg. Man gerät regelrecht in einen Sog“, sagt er.
Helmchen erhielt in Berlin bei Galina Iwanzowa das virtuose Rüstzeug der Russischen Schule, studierte anschließend in Hannover bei Arie Vadi. Die Bielefelder Einladung zur intensiven Bartók-Kooperation empfindet er als „einmalige Gelegenheit“. „Ich weiß nicht, ob ich mich von allein getraut hätte. Ich bin dankbar, dass ich gepusht wurde“, sagt er mit freundlichem Blick Richtung Kalajdzic. Seit Mittwoch ist Helmchen in der Stadt, Zeit für drei Orchesterproben, eine mehr als bei Solistenkonzerten üblich. Bekannt wurde Helmchen, als er mit 19 den Concours Clara Haskill gewann. Sein Kernrepertoire besteht seitdem vornehmlich aus Wiener Klassik, Beethoven, Schubert, Schumann. Bartók wirkt da fast wie eine Horizonterweiterung. „Von Bartók habe ich tatsächlich erst das 3. Klavierkonzert und ,Kontraste’ gespielt. Aber es fühlt sich für mich nicht wie Neuland an. Ich habe schon während des Studiums viel Virtuoses aus dem frühen 20. Jahrhundert gespielt, Prokofjew, Schostakowitsch.“
Hinter der Oetkerhallenbühne wird es, zweieinhalb Jahre nach dem Bartók-Deal, einen Rollentausch geben. Diesmal wird Marie-Elisabeth Hecker backstage den neuen Familienzuwachs, die vor fünf Monaten geborenen Zwillings-Mädchen, betreuen.
Martin Helmchen (Klavier), Bielefelder Philharmoniker, 18. Januar (20 Uhr) und 20. Januar (11 Uhr), Oetkerhalle Bielefeld, Béla Bartók 2. Klavierkonzert, Anton Bruckner Symphonie Nr. 9 d-Moll
Ein Webabo bietet Zugriff auf alle Artikel.
Mit NW+-Updates per Mail - jederzeit kündbar.