Selten, aber häufig Vier Millionen Deutsche leiden unter Seltenen Krankheiten

Berlin. Es betrifft vier Millionen Deutsche, und jedes Jahr kommen weitere hinzu: Menschen, die an einer Krankheit leiden, die sonst nur wenige haben. Zum Tag der Seltenen Erkrankungen am 28. Februar klären wir, was es damit auf sich hat und wo Betroffene Hilfe erhalten. Was sind Seltene Erkrankungen? In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn höchstens fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Die meisten Seltenen Erkrankungen, fast 85?Prozent, sind mit einem Aufkommen von weniger als einem Fall unter 100.000 Menschen sogar sehr selten. Für eine einzelne seltene Erkrankung gilt also, dass die meisten Menschen kaum einen Betroffenen oder eine Betroffene kennen werden. Doch es macht auch die Summe: Insgesamt gibt es mehr als 9.000 verschiedene Seltene Erkrankungen. Weil es der Wissenschaft immer wieder gelingt, Symptome, deren Ursache zuvor unklar war, etwa einer genetischen Veränderung zuzuordnen, steigt die Zahl der Seltenen Erkrankungen über die Jahre an. Aktuell sind alleine in Deutschland mehr als 4 Millionen Menschen von einer der Krankheiten betroffen – EU-weit sind es Studien zufolge 30 Millionen und weltweit 350 Millionen Menschen. Was sind das für Erkrankungen? Seltene Erkrankungen können alle Teile des Körpers betreffen: Es gibt unter anderem Krankheitsbilder der Haut, des Bewegungsapparates, des Immunsystems, neurologische Krankheiten und seltene Formen von Diabetes. Eine der bekannteren ist Mukoviszidose. Die genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung führt zur Bildung von zähem Schleim in den Zellen, der die Funktion von Organen stark beeinträchtigt. Seit 2016 gehört der Test auf Mukoviszidose zum Neugeborenen-Screening. Durch eine frühe Diagnose und Therapie, nicht nur medikamentös, sondern etwa auch durch Physiotherapie, kann die Lebensqualität und die Lebenserwartung deutlich gesteigert werden. Zu den Seltenen Erkrankungen zählt auch Narkolepsie, die nicht nur zu Einschlafattacken, sondern im Wachzustand auch zu plötzlichen Muskelerschlaffungen, den Kataplexien führt. Auch die Menière-Krankheit, die unter anderem zu Schwindel und Tinnitus führen kann, ist eine Seltene Erkrankung. Mit welchen Hürden kämpfen Betroffene? Herzinfarkt oder Bandscheibenvorfall – bei häufig auftretenden Krankheiten geht es im besten Fall schnell vom Auftreten der Beschwerden bis zur Diagnose. Den Medizinern ist das Krankheitsbild vertraut, ebenso Diagnostik und Behandlung. Anders sieht es bei den Seltenen Erkrankungen aus. Viele Patienten erleben eine regelrechte Ärzte-Odyssee bis sie auch nur die richtige Diagnose gestellt bekommen. Oft sind die Krankheitsbilder komplex, es treten also eine Vielzahl unterschiedlicher Symptome auf. Das kann die Einordnung erschweren. Gerne werden auch Leiden als psychosomatisch klassifiziert – Betroffene erhalten eine Psychotherapie, die sie nicht brauchen, anstelle einer körperlichen Behandlung. Im Schnitt vergehen fünf Jahre bis zur korrekten Diagnose, auf dem Weg werden acht Ärzte konsultiert. Da rund 80 Prozent der Seltenen Erkrankungen genetisch bedingt sind, heißt dieser Zeitraum auch, dass Therapieoptionen verschenkt werden – besonders dann, wenn eine Diagnosestellung eigentlich schon im Kindesalter möglich gewesen wäre. Ein weiteres Problem: Da die einzelnen Krankheitsbilder jeweils deutlich weniger Menschen betreffen als verbreitete Krankheiten, ist das Interesse der Pharmaindustrie an der Entwicklung von Medikamenten geringer. Wo gibt es Hilfe? In den vergangenen zehn Jahren haben sich eine Reihe an Zentren etabliert, die auf die Diagnose und Behandlung von Seltenen Krankheiten spezialisiert sind. Meistens sind diese Zentren bei den Universitätskliniken zu finden, die ohnehin ein breites Spektrum an Fachrichtungen abdecken. Rund 30 solcher Anlaufstellen gibt es aktuell. So bietet etwa das Zentrum für Seltene Erkrankungen an der Uniklinik Düsseldorf interdisziplinäre Spezialsprechstunden an. Hier sollen auch Betroffene, bei denen es Anhaltspunkte, aber noch keine gesicherte Diagnose gibt, Hilfe bekommen. Für viele der Seltenen Krankheiten gibt es außerdem Selbsthilfegruppen. Dabei geht es nicht nur darum, mit anderen in der gleichen Situation in Kontakt zu kommen, sondern auch um den Austausch und Empfehlungen bezüglich aktueller Behandlungsmethoden und empfehlenswerter Ärztinnen und Ärzte.

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