Gütersloh (epd). Es sind schwierige Operationen an Kniegelenk, Bauchspeicheldrüse oder Nieren - für die Ärzte viel Erfahrung brauchen. Doch viele Krankenhäuser in Deutschland operieren offenbar, obwohl sie nicht die vorgeschriebene Mindestzahl für solche Eingriffe vorweisen können.
Laut einer aktuellen Studie nahmen im Jahr 2017 rund 460 von rund 1.150 Kliniken komplexe Operationen vor, obwohl sie die vorgegebenen Fallzahlen unterschritten, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Montag in Gütersloh. Das seien fast 40 Prozent der Kliniken. Laut der Studie entspreche das rund 4.300 Operationen.
In Kliniken mit höheren Fallzahlen kommt es seltener zu Todesfällen
Seit dem Jahr 2004 gelten Mindestmengen für verschiedene Eingriffe, wie etwa Kniegelenksprothesen, Bauchspeicheldrüsenoperationen oder Nierentransplantationen. Die Regelung im Sozialgesetzbuch V soll sicherstellen, dass schwierige Operationen nur in Kliniken mit einem Mindestmaß an Erfahrung vorgenommen werden. Es sei belegt, dass es in Krankenhäusern mit höheren Fallzahlen seltener zu Komplikationen und Todesfällen komme, erklärte die Stiftung.
Es gebe bei der Einhaltung der Mindestzahlen für Operationen erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern, erklärte die Stiftung weiter. In Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg würden rund 30 Prozent der Kliniken eine oder mehrere der Mindestfallzahlen nicht erreichen. In Brandenburg seien es fast 57 Prozent und in Bremen sogar 62,5 Prozent. Die Datenanalyse wurde von der „Weißen Liste" der Bertelsmann Stiftung und dem Science Media Centers (SMC) durchgeführt.
Unvollständige Qualitätsberichte bei einem Viertel der Kliniken
Der Untersuchung zufolge habe ein Viertel der Kliniken, die Eingriffe vornahmen, im Jahr 2017 unvollständige Qualitätsberichte abgeben. Viele Kliniken würden sich nicht dazu äußern, ob sie die Mindestmengen erfüllt haben. Bislang hätten fehlerhafte Berichte keine Konsequenzen, hieß es.
Die Stiftung forderte schärfere Überprüfungen der Qualitätsberichte der Krankenhäuser durch den Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen. Krankenhäuser, die die vorgegebenen Fallzahlen nicht einhielten, sollten mit Sanktionen belegt werden, hieß es weiter. So sollten bei Verstößen die Krankenkassen die durchgeführten Operationen nicht mehr vergüten. Krankenhäusern sollten diese Leistungen dann nicht mehr anbieten dürfen.
„Dass in Deutschland komplizierte Operationen trotz fehlender Routine durchgeführt werden, darf nicht zum Klinikalltag gehören", erklärte Brigitte Mohn vom Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Roland Rischer, Geschäftsführer der Weißen Liste, rät Patienten dazu, bei der Wahl einer Klinik grundsätzlich auf eine überdurchschnittlich hohe Fallzahl zu achten.