Lebensmittelwarnungen

Gefahren im Essen: Warum viele Kunden ahnungslos bleiben

Verbraucherschützer appellieren an den Handel, konsequenter und einheitlicher über Lebensmittelwarnungen zu informieren. Bislang sei die Informationspolitik lückenhaft

Supermärkte und Discounter gehen unterschiedlich mit Lebensmittelwarnungen um. Viele Kunden erreichten die Warnungen gar nicht, beklagen Verbraucherschützer. | © picture alliance / imageBROKER

Angela Wiese
13.02.2019 | 13.02.2019, 19:15

Bielefeld. Metallstücke in der Wurst, Salmonellen im Gewürz oder der fehlende Hinweis auf Allergene - es gibt verschiedene Gründe, warum Hersteller Lebensmittel zurückrufen müssen. Und sie tun es regelmäßig: In Deutschland werden jede Woche im Schnitt zwei Lebensmittel zurückgerufen. Viele Kunden bekommen von diesen Warnungen aber gar nichts mit.

Viele Unternehmen schweigen zum Thema

Das zumindest beklagen Verbraucherschützer. Ihr Vorwurf: Die Lücken in der Informationspolitik der Supermärkte und Discounter können erhebliche gesundheitliche Folgen für die Verbraucher haben.

Gemeinsam mit der Organisation Foodwatch und den Betreibern der Rückrufportale produktrueckrufe.de und produktwarnung.eu hat die Verbraucherzentrale 35 Handelsunternehmen gefragt, wie sie mit Lebensmittelwarnungen umgehen. Das Ergebnis: Stille. Jedenfalls größtenteils. 66 Prozent hätten sich zu den Nachfragen der Verbrauchschützer gar nicht erst geäußert.

An der Kasse, am Regal, auf Facebook

Eines der großen Probleme in den Augen der Verbraucherschützer ist: Jeder Anbieter warnt anders. Kaum ein Unternehmen lasse sich dabei in die Karten schauen und kein Unternehmen nutze alle verfügbaren Kanäle, so der Vorwurf. Einige Unternehmen machten außerdem Unterschiede bei Eigen- und Fremdmarken.

Die Verbraucherschützer fordern, dass die Kommunikation über alle Händler hinweg vereinheitlicht wird, zum Beispiel durch ein gleiches Layout und gleiche Platzierung der Warnmeldung immer am Eingang, am Regal und an der Kasse. Soziale Medien und E-Mail-Newsletter würden zwar gerne für Marketing-Zwecke, nicht aber für Warnungen genutzt. Auch das müsse sich ändern.

"Kein Kommentar"

Dass Warnungen auch die betroffenen Kunden erreichen, wäre wahrscheinlicher, wenn alle verfügbaren Kanäle genutzt würden, glauben die Verbraucherschützer. "Wenn eine große Handelskette viele Fans auf Facebook hat, sollte dieser Kanal auch genutzt werden", nennt Foodwatch-Sprecher Dario Sarmadi ein Beispiel. Der springende Punkt seien die großen Handelsketten, "weil dort der Kundenkontakt stattfindet und dort der Ort ist, wo der Kunde das Produkt findet", sagt Sarmadi. Dort gebe es auch die beste Chance, Kunden vorbeugend zu erreichen.

Eine strichprobenartige Nachfrage der Redaktion bestätigt: Die Unternehmen äußern sich lieber gar nicht zum Thema. Ein Sprecher von Real antwortet: "Kein Kommentar. Dazu sagen wir nichts." Rewe, der zur Rewe Group gehörige Discounter Penny und der Discounter Netto haben bislang gar nicht geantwortet. Zu den wenigen Unternehmen, die sich auch schon auf Nachfrage der Verbraucherschützer gemeldet haben, gehört die Bünting-Gruppe, zu der unter anderem Combi und Jibi gehören.

Forderung nach gesetzlicher Regelung

Bei Bünting gebe es einen festgelegten Ablaufplan für Warnungen, teilt das Unternehmen mit. "Dieser fußt auf einer frühzeitigen und engen Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden." Bünting informiere Kunden bei Produktrückrufen sowohl für Eigen- als auch für Fremdmarken mit gut erkennbaren Aushängen im Markt. Das ostfriesische Unternehmen würde eine gesetzliche Regelung für einheitliche Verfahren bei Rückrufen begrüßen. In der Umfrage der Verbraucherschützer tun dies nur drei weitere Unternehmen: dm, Lidl und Lekkerland.

Die Verbraucherschützer fordern eine gesetzlich einheitliche Regelung. Sie soll vorschreiben, dass Unternehmen alle verfügbaren Kanäle nutzen müssen, um Warnungen zu veröffentlichen. Die Mischung sei am wirkungsvollsten, um alle Zielgruppen zu erreichen.

Information

Gemäß einer EU-Verordnung ist bislang vorgeschrieben, dass der Lebensmittelunternehmer die Verbraucher  im Fall einer Gefahr "effektiv und genau" über den Grund für die Rücknahme informieren muss.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) reagiert auf die Forderung nach einer Vereinheitlichung mit dem Argument der Verhältnismäßigkeit. Hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen sei die aktuelle Regelung bewusst allgemein gehalten, "damit der Lebensmittelunternehmer bzw. die zuständige Überwachungsbehörde in jedem Einzelfall entscheiden können, welche Maßnahmen im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr zu ergreifen sind".

Den Verbraucherschützern reicht das nicht. Nur fünf der befragten Unternehmen haben ein Interesse an weiteren Gesprächen gezeigt. Mit ihnen soll es einen Runden Tisch geben. Für die Verbraucherschützer ein kleiner Anfang auf dem Weg zu einem großen Ziel: Die regelmäßige Veröffentlichung von Produktwarnungen müsse für Unternehmen als Verantwortung, nicht als notwendiges Übel gesehen werden.