Gesundheit

Neuer HIV-Test für zu Hause: Kampf gegen die Dunkelziffer

Viele Betroffene gehen aus Scham nicht zum Arzt. Ein neuer HIV-Test für zu Hause könnte das Problem lösen.

Der Test für Zuhause soll die Dunkelziffel der HIV-Erkrankten eindämmen. Die Aidshilfe Paderborn hofft, dass sich damit mehr Menschen testen lassen. | © dpa

Matthias Schwarzer
09.05.2017 | 11.05.2017, 10:44

Berlin/Paderborn. Mehr als 12.000 Menschen leben in Deutschland mit HIV - ohne, dass sie es wissen. Ein neuer Schnell-Test für zu Hause könnte die HIV-Dunkelziffer eindämmen. In Europa sind seit einiger Zeit Tests erhältlich, die wesentlich genauer und einfacher zu handhaben sind als frühere Verfahren.

In Deutschland sind HIV-Selbsttests derzeit nicht legal. Das Bundesgesundheitsministerium prüfe jedoch, ob die neuen Testverfahren zu einer Änderung der bisherigen Bewertung führen könnten, heißt es von Referentin Susanne Wackers.

Bislang dürfen HIV-Schnelltests in Deutschland nur an Ärzte, medizinische Laboratorien und Einrichtungen wie Behörden verkauft werden. In Großbritannien und Frankreich sind sie hingegen auch für den Hausgebrauch legal. Die Deutsche Aids-Hilfe hofft noch in diesem Jahr auf eine Zulassung für die Abgabe in deutschen Apotheken und ausgewiesenen HIV-Beratungsstellen.

Positive Reaktionen aus OWL

Auch in OWL blicken Verbände der Zulassung mit Spannung entgegen: „Wir haben die Hoffnung, dass sich dadurch deutlich mehr Menschen testen lassen", sagt Bianca Schröder von der Aidshilfe Paderborn. Schon heute bietet der Verein HIV-Schnelltests an - der Weg zur Aidshilfe sei für viele jedoch immer mit einem Schamgefühl verbunden. "Man könnte hier ja auch seinen Nachbarn treffen", so Schröder.

"Bislang war der Test nicht auf den Markt gekommen, da man eine falsche Handhabung der Tests befürchtete. Die neuen HIV-Schnelltests sind nun sehr einfach in der Durchführung", so Schröder.

Inzwischen funktionieren die Tests, die bereits seit 2015 in Großbritannien und seit 2016 in Frankreich in Apotheken für rund 25 Euro verkauft werden, wie ein Blutzucker-Check bei Diabetikern. Nach einem kleinen Pieks in den Finger wird der Blutstropfen auf ein Stäbchen aufgetragen. Nach kurzer Zeit zeigt sich das Ergebnis in Linienform. Bei zwei Linien liegt eine HIV-Infektion vor.

Aber auch das neue Testverfahren biete bei einem positiven Testergebnis keine 100-prozentige Sicherheit: "Ein Bestätigungstest beim Arzt ist notwendig. Das müssen die Leute auch wissen", sagt Schröder.

Hausärzte erkennen Erkrankung häufig nicht

Nach den jüngsten Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) für 2015 wurde bei rund 3900 Menschen in Deutschland erstmals HIV diagnostiziert. Bei rund 1200 von ihnen liegt die Ansteckung allerdings viele Jahre zurück - dementsprechend fortgeschritten ist die Erkrankung des Immunsystems.

Nach RKI-Schätzungen leben insgesamt 12 600 Menschen unwissentlich mit dem HI-Virus. Die Mehrzahl von ihnen sind schwule Männer. Das HI-Virus trifft aber nach wie vor auch bi- und heterosexuelle Männer und Frauen. Oft ohne es zu wissen können sie HIV an Sex-Partner weitergeben. Dabei lässt sich eine HIV-Infektion heute wie eine chronische Krankheit behandeln.

Die durch HIV verursachte Immunschwäche Aids aber kann immer noch tödlich enden. „Viele Menschen gehen selbst bei eigenen Gedanken an eine HIV-Infektion nicht zum Arzt", berichtet Holger Wicht, Sprecher der Deutschen Aids-Hilfe in Berlin. „Und auch viele Hausärzte haben HIV bei Symptomen wie massivem Gewichtsverlust oder bestimmten Lungenentzündungen oft nicht als mögliche Ursache auf dem Schirm."

Ein Arzt muss für einen HIV-Test rechtlich die Erlaubnis eines Patienten haben, wenn er zum Beispiel Blutwerte checken will. „Ärzte sind da aber meist zu wenig offensiv", sagt Wicht. „Viele scheuen die Frage nach HIV, weil sie ihren Patienten nichts unterstellen wollen." Diese Lücke soll der Selbsttest schließen. Studien aus Australien, wo es den Selbsttest schon mehrere Jahre zu kaufen gebe, zeigten Erfolge.

Können Betroffene die Diagnose allein verkraften?

Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) beobachte die Entwicklungen in Großbritannien und Frankreich mit Interesse, sagte Sprecherin Marita Völker-Albert. Die Behörde sei in die Neubewertung des Tests beim Bundesgesundheitsministerium mit eingebunden. Anfangs habe es bei der Aids-Hilfe Bedenken gegeben, ob Menschen bei einem Test zu Hause mit einer HIV-Diagnose klarkämen, sagt Tappe.

„Es gab bisher aus anderen Ländern aber keine Berichte über dramatische Reaktionen wie Suizidversuche." Als Hilfsangebot hält er es für sinnvoll, seriöse Beratungsnummern direkt mit auf die Testpackungen zu drucken. „Wir überlegen auch, ob wir die Tests in unseren Beratungsstellen anbieten - wenn sie zugelassen werden."

Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland ist seit rund zehn Jahren weitgehend stabil. Sie nimmt aber nicht ab. Insgesamt 84 700 Menschen leben in Deutschland nach RKI-Schätzungen mit HIV. Seit 20 Jahren ist die Diagnose kein Todesurteil mehr. Medikamente verhindern, dass Aids ausbricht.

Mit Material von dpa