Mutterschutz nach Fehlgeburt: Diese Rechte sollen Frauen bekommen

Berlin/Lage. Jede dritte Frau erleidet in ihrem Leben mindestens eine Fehlgeburt. Betroffene erleben den Verlust oft als traumatisches Ereignis, haben jedoch in vielen Fällen kaum Zeit, um sich von den schweren Belastungen zu erholen. Denn bei Fehlgeburten vor der 24. Schwangerschaftswoche greift weder die Schutzfrist für Mütter, noch besteht Anspruch auf eine Krankschreibung. Das könnte sich in Deutschland ändern, da sich eine politische Einigung für einen gestaffelten Mutterschutz bei Fehlgeburten abzeichnet. Betroffene aus OWL hoffen auf eine zügige Umsetzung. &bdquo;Für mehr Sichtbarkeit der Sternenkinder und zum Schutz von Frauen“, sagt die Vorsitzende des Vereins Sternenkindeltern OWL, Nina Böse. Was soll sich für Frauen nach Fehlgeburten ändern? Aktuell gilt für Arbeitnehmerinnen, dass sie sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt ihres Kindes nicht arbeiten dürfen. Das sieht die Mutterschutzfrist vor, die in der Regel 14 Wochen umfasst. Diese Frist greift aktuell jedoch nicht bei Fehlgeburten, sondern erst nach einer Totgeburt. Die liegt vor, wenn die Geburt ab der 24. Schwangerschaftswoche erfolgt oder das Kind mindestens 500 Gramm wiegt. Dann gilt in der Regel die Mutterschutzfrist von acht Wochen nach der Geburt. Anspruch auf eine Krankschreibung haben Frauen bei Fehlgeburten ebenfalls nicht, die ist abhängig von der Einschätzung des Arztes. Zudem erhalten Frauen einen besonderen Kündigungsschutz erst bei einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Familie sind alle (@familie_sind_alle) Nach Angaben von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) könnte sich das bald ändern, weil sich im Bundestag eine breite überparteiliche Einigung für einen gestaffelten Mutterschutz bei Fehlgeburten abzeichnet, damit Betroffene künftig die Möglichkeit haben, sich zu erholen und gesundheitliche Komplikationen zu vermeiden. Geplant sei eine gestaffelte Mutterschutzfrist nach Fehlgeburten ab der 13. oder der 15. Schwangerschaftswoche, die auf Freiwilligkeit beruht. Die Union spricht sich für die 13. und SPD und Grüne für die 15. Woche aus. Paus rechnet damit, dass sich die Parteien noch vor der Bundestagswahl im Februar einigen werden. Warum wird die Debatte um eine Änderung der Mutterschutzfrist geführt? Nach Angaben des Vereins Sternenkindeltern OWL werden die meisten Frauen bei Fehlgeburten nicht angemessen versorgt. &bdquo;Viele Frauen erhalten trotz enormer Belastungen keine Krankschreibung und müssen direkt nach der Diagnose wieder arbeiten, obwohl sie dazu nicht in der Lage sind“, moniert die Vorsitzende des Vereins, Nina Böse. &bdquo;Ich hoffe sehr, dass die Änderungen schnell umgesetzt werden. Um Frauen zu schützen und ihr Leid anzuerkennen, denn auch eine frühe Fehlgeburt bedeutet den Verlust eines Kindes.“ Lesen Sie auch: Viel zu früh und tot geboren: Hilfen in der Trauer um ein Sternenkind Böse hofft zudem, dass die Debatte dazu führen wird, dass Frauen bei Fehlgeburten künftig besser versorgt werden. &bdquo;Die Versorgung ist von dem Personal in den Arztpraxen und Krankenhäusern abhängig“, erklärt Böse. &bdquo;Manche Frauen haben das Glück und treffen auf empathische Gynäkologen und Hebammen, die sie über ihre Optionen und Rechte aufklären, doch das ist leider nicht selbstverständlich.“ Und das, obwohl Studien zeigen, dass das Risiko für psychische Erkrankungen nach Fehlgeburten steigt. &bdquo;Ich habe nach der ersten Fehlgeburt an einer Depression gelitten, und das betrifft viele Frauen.“ Böse weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, sich in einer Ausnahmesituation alleingelassen zu fühlen. &bdquo;Die Diagnose hat mir und meinem Mann den Boden unter den Füßen weggerissen, doch Hilfsangebote haben wir selbst auf Nachfrage nicht erhalten.“ Die 33-Jährige aus Lage hat in den Jahren 2018 und 2019 ihre Kinder in der fünften und in der zehnten Schwangerschaftswoche verloren. &bdquo;Je früher man so einen Verlust erleidet, desto weniger wird dieser auch anerkannt. Das ist sehr schmerzvoll.“ Bei Arbeitnehmerinnen führt das laut Böse oft dazu, dass sie unter dem großen Druck stehen, möglichst schnell wieder zu arbeiten, auch dann, wenn sie sich dazu nicht in der Lage fühlen. &bdquo;Jede Frau verarbeitet ihre Fehlgeburt anders. Viele benötigen dafür Zeit und Ruhe, die viele Arbeitgeber jedoch nicht gewähren wollen und trotz Krankschreibung Druck ausüben.“ Als Physiotherapeutin in einem Krankenhaus erlebt Böse das selbst nach ihrer zweiten Fehlgeburt. &bdquo;Nach der ersten Fehlgeburt war ich sechs Wochen krankgeschrieben und habe mich von meinen Vorgesetzten verstanden gefühlt. Nach der zweiten Fehlgeburt war das anders und der Druck so groß, dass ich nach zwei Wochen wieder zurückgekehrt bin, obwohl ich dafür nicht bereit war.“ Lesen Sie auch: Interview mit Hebamme: Wie man lernt, mit einer Fehlgeburt umzugehen Ein Grund für das fehlende Verständnis sieht Böse auch darin, dass nach wie vor kaum öffentlich über Fehlgeburten gesprochen werde. &bdquo;Es ist immer noch ein Tabuthema. Obwohl viele Frauen Fehlgeburten erleben, sind sie alleine mit ihrem Schmerz.“ Welche Möglichkeiten und Rechte haben Frauen bei Fehlgeburten? Eltern von Sternenkindern dürfen auch nach Fehlgeburten die Geburt ihres Kindes beim Standesamt anzeigen, um ihrem Kind damit offiziell eine Existenz zu geben. Zudem können Eltern Sternenkinder bestatten lassen. In NRW gilt eine Bestattungspflicht zwar nur für Totgeburten ab einem Geburtsgewicht von 500 Gramm, doch auf Wunsch dürfen Eltern ihre Kinder auch nach Fehlgeburten bestatten lassen. Krankenhäuser müssen Eltern über dieses Bestattungsrecht informieren. Nach Angaben Böses werden die meisten Betroffenen jedoch nicht aufgeklärt. &bdquo;Kommt es nach einer Fehlgeburt zu einem operativen Eingriff, wird der Embryo oder Fötus danach oft entsorgt.“ Lücken in der Versorgung sieht Böse auch in der Aufklärung bei Fehlgeburten über Alternativen zu einem operativen Eingriff, denn nicht immer ist diese Intervention nötig. Studien zeigen, dass im europäischen Vergleich Ärzte in Deutschland Frauen sehr häufig zu einer Kürettage raten. Bei dem operativen Eingriff wird die Gebärmutterschleimhaut und anderes Gewebe entfernt. In anderen EU-Ländern raten Ärzte häufiger dazu, einen natürlichen Abgang abzuwarten oder diesen mit Medikamenten zu unterstützen. Lesen Sie auch: Diese Herforderin steht Eltern von Sternenkindern zur Seite &bdquo;Über diese Optionen werden jedoch viele Frauen nicht aufgeklärt. Stattdessen wird man direkt nach der Diagnose ins Krankenhaus geschickt, auch dann, wenn kein Grund zur Eile besteht“, moniert Böse, die das selbst erlebt hat. &bdquo;Man hält sich für eine starke, aufgeklärte und gut informierte Frau, doch in der Ausnahmesituation ist man aufgeschmissen, wenn der Arzt nicht aufklärt.“ Nach Angaben Böses wissen zudem viele Frauen nicht, dass nach einer Fehlgeburt auch der Hausarzt krankschreiben kann. &bdquo;Weigert sich der Gynäkologe, müssen sich Betroffene damit nicht abfinden.“ Das gelte auch für Partner betroffener Frauen. &bdquo;Auch Männer können vom Hausarzt wegen der psychischen Belastung krankgeschrieben werden.“ Welche Hilfsangebote gibt es in OWL? Nina Böse und weitere Betroffene aus OWL haben vor einem Jahr den Verein Sternenkindeltern OWL gegründet, um Frauen und ihre Familien bei Fehlgeburten zu unterstützen. &bdquo;Wir möchten die Versorgungslücke bei Fehlgeburten schließen und Betroffenen beistehen, aufklären und sichtbar machen.“ Damit möchte der Verein auch dazu beitragen, das Thema zu enttabuisieren. In Bielefeld, Lage und Leopoldshöhe organisiert der Verein bereits regelmäßig Treffen für Betroffene nach Fehlgeburten. Weitere Runden sind laut Böse in diesem Jahr in Paderborn und weiteren Städten geplant. &bdquo;Wir bauen das Netzwerk für ein flächendeckendes Angebot in OWL weiter aus, verweisen an andere Hilfsangebote und bieten auch Einzelgespräche an.“ Weitere Informationen zum Verein gibt es online, via Mail an info@sternenkindeltern-owl.de oder telefonisch unter 0151 25361489. Weitere Anlaufstellen in OWL sind auf dem Portal Familienplanung von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu finden.

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