England statt Spanien Die erstaunliche Mönchsgrasmücke – wie der Klimawandel den Vogelzug verändert

Frankfurt. Dieser Vogel bringt die Ornithologen zum Staunen: Viele Mönchsgrasmücken haben innerhalb weniger Generationen ihre Zugrichtung verändert - und das im Erbgut gespeichert: Sie reisen schon seit längerem im Herbst nur noch bis ins südliche England zum Überwintern statt wie früher nach Spanien, Südfrankreich oder Marokko. Ihren Namen, der an ein Insekt erinnert, tragen die brillanten Sänger übrigens, weil die Männchen ein schwarzes Käppchen tragen und die Art sehr klein ist. &bdquo;Die Durchschnittstemperatur im Winter 2021/22 lag um 3,1 Grad Celsius über dem Normalwert der Jahre von 1961 bis 1990“, sagt Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtier Stiftung. Im Winter 2022/2023 war der Durchschnittswert 2,7 Grad höher, es ist damit der zwölfte zu warme Winter in Folge, wie der Deutsche Wetterdienst in einer vorläufigen Bilanz Ende Februar mitteilte. Diese Erwärmung bringt die genetisch verankerten Zuggewohnheiten der Vögel durcheinander. Viele fliegen erst gar nicht mehr weg: Immer häufiger überwintern Kiebitz, Hausrotschwanz und Singdrossel, alles klassische Zugvögel, in Deutschland. Sogar die Stare werden allmählich zu &bdquo;Standvögeln“. In Frankfurt am Main konnte man schon Ende Januar einen Starenschwarm im Holzhausenpark beobachten. Vogelzug hat es schon in der Eiszeit gegeben &bdquo;Entweder erlernen Tiere aufgrund von Erfahrungen neues Verhalten“, erklärt Klaus Hackländer, Vorstand der Wildtier Stiftung, &bdquo;oder die genetischen Informationen ganzer Populationen werden verändert“. Vogelzug hat es schon in der Eiszeit gegeben. Das haben Forscher des &bdquo;Max Planck - Yale Center for Biodiversity Movement and Global Change“ mit Computer-Simulationen herausgefunden. Seit 50.000 Jahren lassen sich Vögel dort nieder, wo es genügend Futter für ihre Nestlinge gibt. Im Winter im Süden, im Frühjahr in Mitteleuropa. Am weitesten fliegen Kuckucke: Aus Kamtschatka, das zwischen Beringmeer und Nordpazifik liegt, bis nach Angola in Südwestafrika. Die Vögel Nordeuropas gehören vorwiegend zu den Langstreckenziehern, die mitteleuropäischen Populationen eher zu den Mittelstreckenziehern, die mediterranen Vögel legen nur kurze Strecken zurück. Wer früh heimkehrt, findet die besten Brutplätze und genug Futter. Denn auch die Insekten entschlüpfen aufgrund der zunehmenden Erwärmung früher aus ihren Puppen. Sie sind lebensnotwendige Nahrung für den Vogelnachwuchs. Klimawandel gefährdet Überwinterungsgebiete in Afrika Langstreckenzieher wie Nachtigall, Trauerschnäpper oder Pirol sind in Zeiten des Klimawandels im Nachteil: Sie kehren, wie auch Schwalben und Gartenrotschwänze, erst im April zurück oder sogar, wie die Mauersegler, erst Anfang Mai. Nicht alle Arten können sich derart schnell anpassen wie die Mönchsgrasmücke. Die Mehlschwalben kehren mittlerweile zehn Tage früher zurück als vor 30 Jahren. &bdquo;Aber der Halsbandschnäpper hat ein Problem“, sagt Hackländer. &bdquo;Denn wenn er aus dem Winterquartier zurückkehrt, sind viele Nistplätze bereits besetzt.“ Der Klimawandel gefährdet auch die Überwinterungsgebiete in Afrika. Südlich der Sahara versteppt das Land, die Wüste breitet sich aus. Rastplätze gehen auch an den Küsten verloren, weil der Meeresspiegel steigt. In der Arktis sind die Gänse gefährdet, weil sich die Pflanzenwelt der Tundra verändert. Wärmeliebende Bienenfresser kehren zurück nach Deutschland Britische Ornithologen von der Durham University, so meldet der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), haben mittels Computersimulationen errechnet, dass im Jahr 2100 die Sperbergrasmücke 940 Kilometer weiter nach Süden fliegen muss als heute, insgesamt 5.700 Kilometer. Auch die Dorngrasmücke müsse dann etwa 550 Kilometer weiter fliegen, um ein nahrungsreiches Winterquartier zu finden. Dafür müssten die Langstreckenzieher fünf Prozent an Körpermasse zulegen und früher starten, womit sich die Aufzuchtzeit in Mitteleuropa verkürzen würde. &bdquo;Generell gilt: Je größere zusammenhängende naturnahe Regionen noch vorhanden sind, desto stabiler sind die Bestände an Zugvögeln“, sagt Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie, Vogelwarte Radolfzell. &bdquo;Zugsysteme ganz ohne Probleme gibt es aber heute nicht mehr. Selbst die Vögel aus den riesigen unberührten Regionen Sibiriens geraten im Wintergebiet in Südostasien in Konflikt mit intensiver Landnutzung durch den Menschen.“ Es gibt aber auch Gewinner des Klimawandels. Die wärmeliebenden Bienenfresser kehren zurück nach Deutschland und nisten schon seit 1990 mit einer stabilen Population am Kaiserstuhl in Südbaden. Dort fühlt sich auch der Wiedehopf wieder wohl. Die Weißstörche bleiben immer häufiger in Deutschland, etwa im Hessischen Ried. &bdquo;Dem Weißstorch macht die Kälte kaum etwas aus, da er Wärme wesentlich besser speichern kann als Singvögel wie Meise und Spatz“, erklärt Bernd Petri, Storchenexperte des Nabu.

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