Herford Im Aufschwung: "Radfahren hat durch Corona gewonnen"

Herr Wittenbreder, bei vielen Sportvereinen ist die Mitgliederzahl während der Pandemie gesunken. Trifft das auch auf den RC Endspurt Herford zu? DETLEF WITTENBREDER: Nein, im Gegenteil, unsere Mitgliederzahl hat sich positiv entwickelt und ist um etwa zehn Prozent gestiegen. Das Thema Radfahren hat durch Corona gewonnen – das ist ja auch bei den Lieferzeiten für neue Räder zu sehen. Viele Kinder fahren beispielsweise nicht mehr mit dem Bus zur Schule, sondern mit dem Rad, einige davon landen auch beim Radsport. In Ostwestfalen-Lippe haben wir 54 Vereine und bei fast allen gibt es ein Plus, vor allem im Jugendbereich. Vieles war während der Lockdowns ja möglich, was bei anderen Vereinen nicht so war. Allein Radfahren ging immer. Gab es denn beim Training überhaupt keine Probleme? WITTENBREDER: Doch, unser normaler Trainingsbetrieb wurde während der Lockdowns komplett eingestellt. Aber es gibt die Möglichkeit zum virtuellen Training – und das ist qualitativ sehr hochwertig. Da fühlt man sich zum Teil auf dem Rad im Wohnzimmer genau so, als wenn man die Steigungen in Südtirol meisten würde. Allerdings haben wir eine Gruppe in den Vereinen verloren, das sind die Jugendlichen der Altersklassen zwischen U15 und U17. Ihr Verein konnte im vergangenen Jahr überhaupt keine Veranstaltung ausrichten. Wie sieht es für die nahe Zukunft aus? WITTENBREDER: Der Frühjahrspreis im März 2020 war unsere letzte Veranstaltung, und damals haben wir schon viele Vorsichtsmaßnahmen vorgenommen. Das war übrigens in dem Jahr das erste und das letzte Straßenrennen in Deutschland. Danach haben wir zwei weitere Straßenrennen, die Touristikfahrten und auch zweimal das Silvester-Crossrennen absagen müssen. Auch der Auto-Matern-Wällelauf ist zweimal ausgefallen. In diesem Jahr wird es den Frühjahrspreis ebenfalls nicht geben, aber wir planen im Sommer wieder eine Fahrt für Radtouristiker und haben uns beim Bund Deutscher Radfahrer auch um das Silvester-Crossrennen beworben. Braucht der Verein dafür eine neue Strecke? WITTENBREDER: Ja, das ist so, die Bebauung an der Gesamtschule Friedenstal hat ja schon begonnen. Wir suchen noch nach einem Veranstaltungsort. Aber ich bin optimistisch, dass wir da erfolgreich sein werden. Und wie sieht es mit dem Wälle-Lauf im Herbst aus? WITTENBREDER: Wir haben noch keinen Kontakt zum PSV Herford aufnehmen können, mit dem zusammen wir diese Laufveranstaltung in den vergangenen Jahren ausgerichtet haben. Aber unser Herz hängt daran, wir würden den Lauf gern wieder anbieten. Wie hat sich die finanzielle Lage des Vereins verändert? Durch die ausgefallenen Veranstaltungen dürften ja Einnahmen fehlen. WITTENBREDER: Die finanzielle Lage ist sehr, sehr gut. Wir haben uns nie stark über die Veranstaltungen finanziert, das waren immer Plus-Minus-Null-Geschäfte. Unsere Einnahmen entstehen in erster Linie durch Mitgliedsbeiträge und Sponsoren. Und die sind alle an Bord geblieben. Dann sind also auch Investitionen möglich? WITTENBREDER: Ja, wir haben eine Zusage, dass wir über das Förderprogramm des Landes &bdquo;Moderne Sportstätten 2022“ einen Zuschuss in Höhe von 56.000 Euro für Sanierung und Renovierung unseres Vereinsheims im Sportpark Waldfrieden bekommen. Das Projekt gehen wir noch in diesem Jahr an, da wird es nach Abschluss der Bauarbeiten mehr und bessere Trainingsmöglichkeiten für unsere Aktiven geben. Wie ist es Ihnen selbst als Funktionär und begeisterter Radsportler während der Pandemie ergangen? WITTENBREDER: Als Funktionär hatte ich eindeutig weniger zu tun. Nervig war aber, dass ich für alle OWL-Vereine als Corona-Berater angesehen wurde. Da gab es viele Mails und viele Anrufe, und ich war auch als Mahner unterwegs. Als Sportler bin ich fast nur noch auf der Rolle unterwegs. Ich halte mich fit, aber kaum auf der Straße. Wobei ich zwischendurch sogar den Weg von meinem Wohnhaus in Verl zum Betrieb nach Elverdissen mit dem Rad zurückgelegt habe – da kamen schnell rund 15.000 Kilometer zusammen. Nach Ihrem Umzug nach Verl hatten Sie ja dem Vernehmen nach mit einem Vereinswechsel geliebäugelt... WITTENBREDER: Ja, das stimmt, ich habe darüber nachgedacht. Aber ich habe mich dazu entschieden, dem RC Endspurt treu zu bleiben, auch wenn ich nicht mehr in Herford wohne. Allerdings bin ich ja jeden Tag in meiner Firma in Elverdissen, da passt das schon. Ein leidiges Thema im Radsport sind immer wieder Dopingfälle. Ist da Besserung in Sicht? WITTENBREDER: Im Jahr 2020 hatten wir erstmals entsprechende Kontrollen in Herford. Bei zehn kontrollierten Sportlern fielen aber alle Ergebnisse negativ aus. Das Doping im Radsport wird wohl nie ganz auszurotten zu sein, die Versuchung ist einfach zu groß, irgendetwas auszuprobieren, was nicht erkannt werden kann. Man muss sich ja nur einmal die Tour de France ansehen, da ist über drei Wochen lang jeden Tag Höchstleistung gefragt. Aber es gibt ja auch positive Entwicklungen im Radsport, speziell hier in der Region. Ich denke da nur an die Goldmedaillen für Mieke Kröger bei den Olympischen Spielen und bei der Weltmeisterschaft. Das wirkt sich schon richtig gut für die Vereine aus, sie ist so eine Art Galionsfigur geworden. Und wie sieht Ihr persönlicher Blick in die Zukunft des Radsports aus? WITTENBREDER: Der ist uneingeschränkt positiv. Wir werden in den nächsten Jahren vom Radfahr-Trend profitieren, zumal auch in den Städten immer mehr für Radfahrer getan wird. Wir haben zwar ein, zwei Jahrgänge verloren, aber die müssen wir jetzt schnell wieder auffüllen, schließlich ist Radfahren der schönste Sport der Welt.

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